Unterhaltsame Worte über den neuen Seligen Karol Wojtyla, genannt Papst Johannes
Paul II., waren am 7.5.2011 der Site kath.net zu entnehmen. Wer Hagiographien
liebt, wird verzückt sein von "Das
Wunder von Rom". In großer Begeisterung und tiefer Ergebenheit schildert Michael Hesemann auf geradezu fantastisch schlichte Weise den verdienten
neuen Seligen und das Geschehen seiner Seligsprechung. Nichts schien zu funktionieren,
Chaos drohte und dazu regnete es auch noch. Aber siehe an, alles wendete
sich zum Besten. Hesemann ist als besonders frommer kirchengeschichtlicher
Autor bekannt und trat auch als Anhänger der UFOlogie in Erscheinung.
Hesemann kennt die kritischen Vorwürfe gegen Wojtyla
bezüglich klerikaler Kinderschänder, aber er spricht den polnischen Papst an
einem Einzelbeispiel frei: Auf die Frage einer Journalistin, "und was
ist mit Pater Marcial Maciel, dem Gründer der Legionäre Christi, der ein Doppelleben
geführt hat, dem nicht nur gleich mehrere uneheliche Kinder mit mehreren Frauen,
sondern auch der sexuelle Missbrauch von Seminaristen, Minderjährigen, ja sogar
der eigenen Kinder nachgewiesen wurde? Wie konnten er und seine Bewegung unter
Johannes Paul II. so an Einfluss gewinnen?", weiß er die seligmachende
Antwort: "Auch ein Seliger ist nicht unfehlbar, auch er ist nicht davor
geschützt, von einem Menschen arglistig getäuscht zu werden. Wie oft kommt es
vor, dass eine erstaunte Ehefrau etwas über ihren Mann erfährt, was ihr zunächst
unvorstellbar erscheint? Wie viele unbescholtene Menschen fallen auf Betrüger
und Heiratsschwindler herein? Pater Maciel war so etwas wie ein katholischer
Dr. Jekyll und Mr. Hyde - nach außen hin der begnadete Ordensgründer, der im
einst antiklerikalen Mexiko den Boden für eine Neuevangelisierung bereitete
und die Papstbesuche organisierte, doch hinter der Fassade ein kranker und abgrundtief
schlechter Mensch. Doch gleich als die Vorwürfe Rom erreichten, 1997/98, ordnete
Johannes Paul II. eine Untersuchung an, die sich nur deshalb hinzog, weil Maciel
alles abstritt und es zunächst keine Beweise gab. Erst 2004 lagen 20 Zeugenberichte
vor. Da aber war der Papst schon schwer krank - und so oblag es seinem Nachfolger,
Benedikt XVI., die Konsequenzen zu ziehen, was dann auch gleich zu den ersten
Handlungen seines Pontifikats gehörte."
Zu schade, dass andere
Quellen das ganz anders darstellen: Zehn Opfer hatten bereits zu Beginn
der 1980er-Jahre über Missbräuche seit den 1950er-Jahren berichtet, seit 1983
wusste Papst Wojtyla über diese Vorwürfe Bescheid. Wojtyla unternahm nichts.
Weil nichts geschah, gingen die Opfer 1997 an die Öffentlichkeit und wandten sich
1998 an die vatikanische Glaubenskongregation, wahrnehmbare Untersuchungen gab
es nicht, 1999 soll Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation
Untersuchungen einzuleiten versucht haben, die 2002 vermutlich auf Geheiß
von Papst Johannes Paul II. abgebrochen wurden, ohne dass irgendwas Substanzielles
unternommen worden wäre. Daraufhin wandten sich die Betroffenen 2002 neuerlich an
die Medien und außerdem auch an die UNO, es geschah wieder nichts.
Im
Jahre 2004 empfing Wojtyla den Kinderschänder Maciel und segnete ihn, das Bild
dazu war schon mehrfach auf dieser Homepage zu sehen. 2005 ließ Ratzinger
dann endlich vororts in Mexiko Ermittlungen durchführen, Maciel wurde in klösterliche
Verbannung geschickt, er starb 2008, endlich im Mai 2010 gab es eine päpstlichen
Erklärung: "Das extrem schwerwiegende und objektiv unmoralische Verhalten
von P. Maciel, das durch unumstößliche Beweise bestätigt worden ist, besteht
bisweilen in wirklichen Straftaten und offenbart ein skrupelloses Leben ohne
echten religiösen Sinn."
Bekannt ist auch der Fall des Bischofs
Lawrence C. Murphy, der an einer Schule
für gehörlose Kinder im US-Bundesstaat Wisconsin an die 200
Buben missbrauchte und Ratzinger auf "Weisung von oben" (über Ratzinger
stand nur Wojtyla) von jedweden Maßnahmen absehen musste. Auch nach dem Auffliegen
der zahlreichen Schändungsverbrechen in den USA setzte Wojtyla keinerlei Maßnahmen
oder ließ Ermittlungen anstellen, ob es solche Verbrechen auch anderswo gäbe.
Laut einer Erhebung vom Februar 2004, die im Auftrag der amerikanischen
Bischofskonferenz erstellt wurde, sind in 50 Jahren 4.392
Priester in den USA des Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt worden. In diesem
Zeitraum gingen bei den 195 US-Diözesen 10.667 Klagen ein. Wojtyla interessierte
das alles nicht.
Aber er ist ein wunderbarer Seliger und seine Seligsprechung war "Das Wunder von Rom". Um die Seligkeit zu erhöhen, weiß Hesemann weiteres Wunderbares, er notierte sich: "Ein Mann, der Millionen in die Kirche zurückholte und den Glauben von weiteren Millionen neu entflammte, sie dazu brachte, sich ganz in den Dienst des Evangeliums zu stellen, ein solcher Mann soll kein Heiliger sein? Wer dann? Selig gesprochen wird nicht der (zugegeben ziemlich schlechte) Administrator der römischen Kurie und auch nicht der Theologe Wojtyla, selig gesprochen wird der Menschenfischer Johannes Paul II., der Millionen neue Hoffnung in Christus schenkte und seine Kraft dazu aus einer tiefen, geradezu mystischen Gottverbundenheit schöpfte! Sein unermüdlicher Einsatz für die Verbreitung des Evangeliums, sein entbehrungsreicher, selbstaufopfernder Lebensweg, seine Bereitschaft, jedes Leiden auf sich zu nehmen und trotzdem selbst noch mit letzter Kraft die Türen für Christus aufzustoßen, wo es nur ging - das machte seine Heiligkeit aus!"
Das ist dann doch ein sehr seltsames Wunder! Ständig jammert die katholische Kirche über den Glaubensschwund, über Kirchenaustritte, über das steigende Sinken des Sonntagsmessebesuchs, über den sich ausbreitenden Säkularismus, ein vatikanisches Amt für die "Neuevangelisierung" wurde eingerichtet und gleichzeitig hat Papst Wojtyla Millionen für die Kirche zurückgewonnen und neu gewonnen? Weiß da jemand was davon - außer dem Herrn Hesemann? Oder war das der erste Text für die baldige Heiligsprechung? Es bleibt gesichert: die große katholische Kardinaltugend ist die Heuchelei.