Heilige Einfalt

Am 13. Mai 2011 war in der Straßenbahnzeitung "heute" der folgende Text von Kardinal Schönborn zu finden:

So einfach ist die Welt! Die bösen ungläubigen Bolschewiken attentätern und die brave Gottesmutter Maria samaritert!
Der Papst-Attentäter und türkische Rechtsextremist Ali Agca ist ein Mensch, der in Österreich unter der Bezeichnung "geistig abnormer Rechtsbrecher" einer entsprechenden Behandlung unterzogen worden wäre. Seine seinerzeitige Aussage, der bulgarische Geheimdienst hätte ihn mit dem Attentat beauftragt, hatte seine Wurzeln wohl darin, dass laut Medienberichten 1978 in London ein bulgarischer Mitarbeiter des antikommunistischen US-Senders Radio Free Europe vom bulgarischen Geheimdienst mit einer in einem Regenschirm verborgenen Giftspritze ermordet worden war. Irgendwelche wirkliche Beweise dafür, dass Ali Agca Auftraggeber oder Hintermänner gehabt hätte, gibt es jedenfalls bis heute nicht. Ali Agca bewies jedoch 2010 seinen immer noch anhaltenden bedenklichen psychischen Zustand: nach Entlassung aus der Haft sagte er im türkischen Fernsehen, der Vatikan hätte ihn zum Attentat angestiftet, er sollte Wojtyla verletzten, um die Sowjetunion und die anderen kommunistischen Staaten in Misskredit zu bringen. Den Befehl, auf den Papst zu schießen, habe er vom Vatikan-Staatssekretär Kardinal Agostino Casaroli erhalten. Das ist bisher genauso "bewiesen" wie der bulgarische Geheimdienst.

Aber abgesehen vom irdischen Vorgehen des Attentäters bietet der obige Text im letzten Absatz dann das wahrhaft Groteske: Ali Agca hatte demgemäß übersehen, dass der 13. Mai der "Erscheinungstag der Muttergottes in Fatima" wäre. Hätte er also am 12. oder 14. Mai geschossen, Papst Wojtyla hätte keine Chance gehabt, weil nur am DREIZEHNTEN lenkt Maria Pistolenkugeln ab! Welch göttliche Fügung, wie weise hat der HErr den Attentäter gelenkt! Schieß am 13.5., weil da passt meine Mami auf den Papst auf, da wird er bloß schwer verletzt, aber noch nicht Sancto Subito ...

Wer Rückschlüsse auf die geistige Welt von Kardinal Schönborn ziehen möchte, wird vielleicht beeindruckt sein von so einem schlichten Gemüt.
Früher stand in der Bibel unter Matthäus 5,3: "Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich." Diese "Armen im Geiste" wurden in der Bibel inzwischen höflichkeitshalber durch "die arm sind vor Gott" ersetzt. Selig ist Schönborn mit solchem Denken wie oben aber sicherlich.