Am 2. Juli 2011 verkündete Papst Ratzinger bei einer Audienz für Wallfahrer, die Kirche sei keine philanthropische Organisation,
sondern eine Gemeinschaft, die in der Begegnung mit Christus gründe.
Für "philanthropisch"
bietet der Winword-Thesaurus als alternative Wörter "menschenfreundlich"
und "human" an, für diese Worte gibt es wiederum die Alternativen
"altruistisch" und "menschlich".
Man darf
als Atheist Papst Ratzinger uneingeschränkt zustimmen.
Die katholische Kirche zu beschuldigen, sie wäre menschenfreundlich und
human, wäre tatsächlich eine schreckliche Verleumdung! In ihrer ganzes Geschichte
hat sie sich - wenn es die Machtverhältnisse nur irgendwie zuließen - menschenfeindlich
bis unmenschlich verhalten. Heute, wo ihr sowas wegen des Verlustes der weltlichen
Macht nicht mehr möglich ist, wurde ein Kirchenzweig besonders ausgebaut: der
Sozialdienstleistungsbereich. Den finanzieren Staat, Krankenkasse und Benutzer,
das kostet die Kirche nichts, aber man kann Nächstenliebe heucheln. Geradeso
als würden kirchliche Krankenhäuser oder Pflegeheime aus Kirchengeldern finanziert.
Es ist daher sehr gut, dass Papst Ratzinger zugibt, mit Philanthropie hat
die katholische Kirche nichts am Hut! Ratzinger redet dafür von Jesus, denn
die Kirche sei jenseits aller Philanthropie die Gemeinschaft Gottes, die an
Jesus glaube, ihn liebe und anbete. Es müsse der Gefahr entgangen werden, alles
auf eine horizontale Dimension zu reduzieren, "was die Identität der Kirche
und die Verkündigung des Glaubens ihres Wesens beraubt".
Philanthropie
raubt somit die Identität und das Wesen der Verkündigung! Also macht gefälligst
Schluss mit dem Geheuchel!
Aber das meint er gar nicht! Er liest den Leuten bloß die Leviten! Selbstbezogenheit,
Narzissmus, Besitz- und Konsumsucht sollen abgeschafft werden, weil diese Verhaltensweisen
verursachten Orientierungslosigkeit, dabei könnte das durch eine entsprechende
Beziehung zu Gott behoben werden. Erreichen will Ratzinger das durch eine stärkere
Indoktrinierung der Kinder, aber entscheidend sei für die Familie und die ganze
Gemeinde die Teilnahme an der heiligen Messe.
Und wie will er das durchführen? Keine
Inquisition, kein Franco und kein Dollfuß sorgen mehr
dafür, dass die Unkatholischen quietschend in der Ecke stehen, niemand muss
mehr in die Kirche gehen, niemand muss mehr den Jesus lieben. Was will Ratzinger
dagegen tun, wenn den Leuten der christkatholische Jesus gestohlen bleiben kann?
Das hat er nicht gesagt. Die Hilflosigkeit der katholischen Kirche ist groß!
Was sich auch in einer Einschätzung von Kurien-Erzbischof Rino Fisichella,
dem Präsident des Päpstlichen Neuevangelisierungsrates, auf der Jahrestagung
der Europäischen Plattform für Berufungspastoral im niederösterreichischen Horn
zeigte: Die Kirche sei in der Vergangenheit in die "Falle der Säkularisierung"
getappt, man habe sich mit dem Marxismus und Atheismus auseinandergesetzt, aber
auf den Nihilismus und den Relativismus vergessen. Deshalb wende sich Papst Benedikt XVI. auch so vehement
gegen die aktuelle "Diktatur des Relativismus". Und für die geplante
europäische Neuevangelisierung benötige man als Pastoralpersonal
Menschen "die durch einen aufgeklärten und gelebten Glauben Gott glaubwürdig
machen in der Welt".
Man kann das so zusammenfassen: Schuld
am Religionsschwund ist der Mangel an absoluten Wahrheiten und für die Neuevangelisierung braucht man Priester,
die man nicht bekommt und für die Kirche neue Gläubige, die man auch nicht bekommt.
Und das alles, weil man den Nihilismus und den Relativismus zu wenig beachtet
hat.
PS: Am 2. Juli wurde von ORF2 den ganzen Tag die "Fürstenhochzeit" in Monaco live übertragen, insgesamt knappe acht Stunden lang. Zuschauer gab es im Schnitt 565.000, die Spitze lag bei 771.000. Die päpstliche Ostermesse 2011 dauerte in ORF2 eine halbe Stunde und fand nur 196.000 Zuschauer. Somit besiegte eine alberne Kitschhochzeit den Ratzinger und seinen lieben Jesus quotenmäßig 3:1. Dabei sind Fürstenhochzeitsfans bestimmt keine Nihilisten und Relativisten.