Tea Party for Europe?

In den USA gibt es bekanntlich nur zwei Parteien von Relevanz. Das Mehrheitswahlsystem hat es dort nie zugelassen, dass beispielsweise eine Sozialdemokratische Partei sich etablieren konnte oder in der heutigen Zeit eine Grünpartei. Es gibt die extrem konservativen Republikaner und die liberaleren Demokraten. That's all. Die Republikaner vereinigen in sich, was im österreichischen Spektrum ÖVP, FPÖ und BZÖ ausmachen plus all die Narren, die es in unserem Land gar nicht gibt.

George W. Bush war ein republikanischer Präsident, dass die Republikaner die letzten Präsidentschaftswahlen verloren und mit Barack Obama ein Demokrat in dieses Amt gewählt wurde, war daher nicht unbedingt eine große Überraschung.
Die Konservativen haben daraus den Schluss gezogen, sie müssten noch depperter werden als George W. Bush gewesen ist und gründeten deshalb in der Republikanischen Partei die Fraktion "Tea Party".

In Europa schauen die Menschen mit Verblüffung und Kopfschütteln auf Leute wie Sarah Palin oder Michele Bachmann. Strohdumm, fanatisch, tief religiös, antisozial und dem Großkapital total hörig.
Trotzdem tauchte jetzt eine amerikanische Journalistin namens Heather De Lisle mit einem Beitrag im deutschen Nachrichtenmagazin "Focus" auf, die sich dafür einsetzt, auch in europäischen Ländern die "Tea Party" wüten zu lassen. Sie meint zwar, "zugegeben, manche Tea-Party-Anhänger haben nicht alle Tassen im Schrank, manche davon nicht mal einen Schrank." Aber in Deutschland müsse die CDU wieder nach rechts rücken. Es ist zwar eigentlich niemandem aufgefallen, dass die CDU nach links gerückt wäre, aber Frau De Lisle meint, wofür das "C" im Namen stünde, wüssten CDU und CSU nimmer und für Konservative gäbe es keine wählbare Alternative, weil rechts davon nur NPD oder die Reps stünden, "eine erbärmliche Ansammlung verwirrter Xenophober". Die Konservativen seien nicht bereit, für ihre Anliegen auf die Straße zu gehen, sie würden bloß Leserbriefe schreiben oder sich bei "Kaffee und Kuchen" beschweren. De Lisle fordert darum einen friedlichen Aufstand der Konservativen nach Tea-Party-Vorbild.

Da sind wir in Österreich auch schon wieder weiter. Die Tea Party hat bei uns bereits regiert. Von 2000 bis 2006 unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.
Eine Regierung, die das Tafelsilber der Republik preisgünstig verschleudert hat, eine Regierung, die inzwischen unter mehrfachem Korruptionsverdacht steht, eine Regierung mit Ministern, die es leicht mit der Einfalt von Sarah Palin, Michele Bachmann & Co aufnehmen konnten. Es war die schlimmste Regierung die Österreich seit 1945 hatte.

Schüssel hat sich am 5.9.2011 endlich aus der Politik geputzt, aber die Tea Party sitzt immer noch in der österreichischen Bundesregierung.
Weil die Schwerpunkte, die von der US-Tea-Party gesetzt werden, die setzt heute auch die ÖVP: keine Steuern auf Vermögen, finanzielle Schonung für Multimillionäre und Milliardäre, zwangsweisen Ersatzunterricht für religionslose SchülerInnen. Bloß dass in Biologie die Schöpfungsgeschichte der Bibel statt Darwin unterrichtet werden solle, diese Forderung hat man derweilen noch nicht gestellt.

Möglich ist der Tea-Party-Kurs der ÖVP hauptsächlich deswegen, weil die SPÖ zu lahm ist, sich für die Interessen ihres Stammklientels mit Nachhalt einzusetzen und deswegen Unzufriedene zu FPÖ-Protestwählern werden lässt. Die Grünen befassen sich nur mit Politnischen und ignorieren die breite Masse der arbeitenden Menschen völlig. Darum bleibt nahezu zwangsweise das System der SPÖ-ÖVP-Koalition. Das leider ähnlich funktioniert wie das aktuelle US-System: Obama will und die Republikaner lassen ihn nicht. In Österreich könnte Faymann, aber er traut sich nicht, darum bestimmt die österreichische ÖVP-Tea-Party die Grundlinie. Scheiße.