In Deutschland gibt es aktuell gut ein Drittel Konfessionsfreie und um jeweils
knapp 30 Prozent Katholiken und Protestanten. Daher spielte das Treffen von
Papst Ratzinger mit den Protestanten eine gewisse Rolle, schließlich sind diese
Konkurrenten in Christi ja keine Marginalie und die Abspaltung von der alleinseligmachenden
katholischen Kirche ging von Thüringen aus. Darum traf sich Ratzinger mit evangelischen
Funktionären sogar auf historischem Boden, nämlich im Erfurter Augustinerkloster,
wo Luther stationiert gewesen war.
fast
hätten sie sich geherzt und geküsst
Ratzinger musste dort auch ein bisschen lutherfreundlichen Smalltalk machen.
Darum sagte er, was Luther umgetrieben habe, "war die Frage nach Gott, die
die tiefe Leidenschaft und Triebfeder seines Lebens" gewesen sei. Also
weg davon, dass die Frage, die Luther umgetrieben hat, die Frage nach einer
katholischen Kirchenreform gewesen sein könnte, die Frage der Abschaffung des
ausbeuterischen Ablasshandels. Daran rührt er nicht, der Josef Ratzinger. Dann
lobt er Luther sogar: Luther war leidenschaftlicher Gottsucher. Das ist etwa
so wie in dem alten jüdischen Witz, wo ein Gemeindemitglied verstorben ist,
das keiner leiden konnte und vor der Beisetzung darum keiner den üblichen Lobspruch
über den Verblichenen loslassen will. Nach längerem Zuwarten tritt dann doch
einer vor und sagt: "Mohnnudeln hat er so gern gegessen." Mohnnudeln
hat also auch Luther gern gegessen und sich die Frage nach Gott gestellt. Dass
er diese Frage falsch beantwortet hat, braucht Ratzinger nicht sagen, das ist
eh klar. Weil die richtigen christlichen Antworten kommen aus Rom.
In evangelischen Kreisen hatte man wohl doch ein bisschen darauf gehofft,
dass Ratzinger einen kleinen Schritt in Sachen Ökumene (Zusammenarbeit und Einigungsbemühungen
der christlichen Kirchen) machen könnte, dass also katholischen und protestantischen
Gottesdienste nicht mehr sosehr als Gegensätze gesehen würden. Vizegott Ratzinger
zur Ökumene: "Das Notwendigste für die Ökumene ist zunächst einmal, dass
wir nicht unter dem Säkularisierungsdruck die großen Gemeinsamkeiten fast unvermerkt
verlieren, die uns überhaupt zu Christen machen und die uns als Gabe und Auftrag
geblieben sind. Es war der Fehler des konfessionellen Zeitalters, dass wir weithin
nur das Trennende gesehen und gar nicht existentiell wahrgenommen haben, was
uns mit den großen Vorgaben der Heiligen Schrift und der altchristlichen Bekenntnisse
gemeinsam ist. Es ist der große ökumenische Fortschritt der letzten Jahrzehnte,
daß uns diese Gemeinsamkeit bewusst geworden ist und dass wir sie im gemeinsamen
Beten und Singen, im gemeinsamen Eintreten für das christliche Ethos der Welt
gegenüber, im gemeinsamen Zeugnis für den Gott Jesu Christi in dieser Welt als
unsere unverlierbare Grundlage erkennen."
Gegen den gemeinsamen Feind namens Säkularismus soll es jedoch
auf jeden Fall gehen:
"Die Abwesenheit Gottes in unserer Gesellschaft wird drückender, die Geschichte
seiner Offenbarung, von der uns die Schrift erzählt, scheint in einer immer
weiter sich entfernenden Vergangenheit angesiedelt. Muss man dem Säkularisierungsdruck
nachgeben, modern werden durch Verdünnung des Glaubens? Natürlich muss der Glaube
heute neu gedacht und vor allem neu gelebt werden, damit er Gegenwart wird.
Aber nicht Verdünnung des Glaubens hilft, sondern nur ihn ganz zu leben in unserem
Heute. Dies ist eine zentrale ökumenische Aufgabe. Dazu sollten wir uns gegenseitig
helfen: tiefer und lebendiger zu glauben."
Aber konkret kommt gar nichts: Kein
"ökumenisches Gastgeschenk",
das von seinem Besuch erwartet worden wäre, speziell die evangelische Hoffnung,
es würde Anstöße geben, wie es in den Streitfragen der Ökumene weitergehen könnte,
z.B. in Sachen des gemeinsamen Abendmahls. Aber sowas als ein Gastgeschenk von ihm
zu erwarten, sei "ein politisches Missverständnis des Glaubens und der
Ökumene". Denn "der Glaube der Christen beruht nicht auf einer Abwägung
unserer Vor- und Nachteile, ein selbst gemachter Glaube ist wertlos. Nicht durch
Abwägung von Vor- und Nachteilen, sondern nur durch ein tieferes Hineindenken
und Hineinleben in den Glauben wächst die Einheit."
Was vermutlich heißen soll: Wenn bloß die Evangelischen wieder katholisch
würden, dann wäre alles ökumenisch.
Unsereinem kann das ja von Herzen egal sein, ob Katholiken gemeinsam den
Leib des HErrn verzehren und ob diese Götterspeise real (so die katholische
Lehre) oder symbolisch (so die Protestanten) erfolge. Man kann dazu allerdings
anmerken, dass in den Religionen eben alles symbolisch ist und auch die Katholiken
keine Kannibalen sind, die tatsächlich bei der Kommunion einen Gottessohn verspeisen.
Wir können darüber nur lachen und den Kopf schütteln.
Als weiteres
Werk vom 24.9.2011 begab sich Ratzinger in die katholische Enklave
Eichsfeld in Thüringen und hielt in Etzelsbach eine "Marianische Vesper"
ab. Dort konnte er endlich einmal der heißgeliebten Gottesmutter huldigen. Er
hebt an: "Nun geht mein Wunsch in Erfüllung, das Eichsfeld zu besuchen
und hier in Etzelsbach mit euch zusammen Maria zu danken. "Hier im trauten
stillen Tal", wie es in einem Wallfahrtslied heißt, und "unter den
alten Linden" schenkt uns Maria Geborgenheit und neue Kraft. In zwei gottlosen
Diktaturen, die es darauf anlegten, den Menschen ihren angestammten Glauben
zu nehmen, waren sich die Eichsfelder gewiss, hier am Gnadenort Etzelsbach eine
offene Tür und eine Stätte inneren Friedens zu finden. Die besondere Freundschaft
zu Maria, die daraus gewachsen ist, wollen wir - auch mit der heutigen Marienvesper
- weiter pflegen."
Er hat sogar eine gewisse Ahnung von der wirklichen Welt: "Braucht der
Mensch Gott, oder geht es auch ohne ihn ganz gut? Wenn in einer ersten Phase
der Abwesenheit Gottes sein Licht noch nachleuchtet und die Ordnungen des menschlichen
Daseins zusammenhält, scheint es, dass es auch ohne Gott geht. Aber je weiter
die Welt sich von Gott entfernt, desto klarer wird, dass der Mensch in der Hybris
der Macht, in der Leere des Herzens und im Verlangen nach Erfüllung und Glück
immer mehr das Leben verliert. Der Durst nach dem Unendlichen ist im Menschen
unausrottbar da. Der Mensch ist auf Gott hin erschaffen und braucht ihn. Unser
erster ökumenischer Dienst in dieser Zeit muss es sein, gemeinsam die Gegenwart
des lebendigen Gottes zu bezeugen und damit der Welt die Antwort zu geben, die
sie braucht. Zu diesem Grundzeugnis für Gott gehört dann natürlich ganz zentral
das Zeugnis für Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, der mit uns gelebt
hat, für uns gelitten hat und für uns gestorben ist und in der Auferstehung
die Tür des Todes aufgerissen hat."
Ratzinger sieht also für einen kurzen Moment die Realität: die Menschen kommen
ohne Gott aus, wenn sie ihn nicht als "Opium des Volkes" brauchen.
Darum muss er ein neues Bedürfnis erfinden, wofür sie ihn dann doch brauchen müssten.
Den "Durst nach dem Unendlichen". Diesen Durst hat Öden von Horvath
im Motto, das er seinem Stück "Geschichten aus dem Wienerwald" voranstellte,
sehr kurz und treffend beschrieben: "Nichts gibt so sehr das Gefühl der
Unendlichkeit als wie die Dummheit". Dieser vorsätzlich grammatikalisch
schief konstruierte Satz trifft punktgenau die Sehnsucht des Ratzinger. Er ist
84 Jahre alt und hat sein Leben sinnlos als Kleriker vertan. Wenn er sich
keine Unendlichkeit beim Jesus einreden könnte, müsste er die Dummheit der Religion
sehen.
Niemand reißt eine "Tür des Todes" auf. Der dazu passende uralte
Witz: Atheisten kommen nicht in den Himmel, weil sie nicht daran glauben, Päpste,
andere Kleriker und alle sonstigen Christen kommen nicht in den Himmel, weil es keinen gibt. Allerdings
werden sie es nie erfahren, weil ein Toter erfährt nichts mehr.
Noch ein allerletzter Punkt zum 23.9.: Ratzinger traf Missbrauchsopfer. Fünf
Stück handverlesene brave Katholiken. Dazu eine Presseaussendung des Vatikan:
"Heute Abend hat sich Papst Benedikt XVI. in den Räumen des Erfurter Priesterseminars
mit einer Gruppe von Opfern sexuellen Missbrauchs durch Priester und kirchliche
Mitarbeiter getroffen. Anschließend begrüßte er einige Personen, die sich um
die Leidtragenden derartiger Verbrechen kümmern. Bewegt und erschüttert von
der Not der Missbrauchsopfer hat der Heilige Vater sein tiefes Mitgefühl und
Bedauern bekundet für alles, was ihnen und ihren Familien angetan wurde. Er
hat den Anwesenden versichert, dass den Verantwortlichen in der Kirche an der
Aufarbeitung aller Missbrauchsdelikte gelegen ist und sie darum bemüht sind,
wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Papst
Benedikt XVI. ist den Opfern nahe und bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass
der barmherzige Gott, der Schöpfer und Erlöser aller Menschen, die Wunden der
Missbrauchten heilen und ihnen inneren Frieden schenken möge."
Tageszusammenfassung:
alle, alle, alle kommen in den Himmel, weil sie so brav sind, weil sie so brav
sind ...
PS: Wieder
kein Straßenfeger: Die ARD-Sendung um 17h15 "Der Papst in Deutschland"
erreichte 1,56 Millionen Zuseher, "Rote Rosen Folge 1112" um
14h10 hatte 1,68, "Sturm der Liebe Folge 138" um 15h09 2,55 Millionen Seher.