Streik der Frauen? Ich möchte Frau Haiden für ihre immer sehr treffenden
Artikel danken und freue mich immer sehr auf ihre Beiträge. Das Thema "Frau
in der Kirche" brennt mir selbst schon seit vielen Jahren auf der Seele.
Seit dem Kirchenvolksbegehren vor vielen Jahren hat sich in mir die Idee gebildet,
was wäre, wenn alle Frauen - für sagen wir einmal ein halbes Jahr - ihre Unterstützung
aus allen kirchlichen Angelegenheiten abziehen, d. h. streiken.
Das würde
bedeuten, nicht nur selber nicht mehr in die Kirche zu gehen, auch die Kinder
und Männer nicht mehr zu schicken, nicht mehr zu putzen, zu kochen, den ganzen
unbedankten Alltag zu organisieren, etc. Ich traue mich zu behaupten, dass Frauen
mehr als die Hälfte der Arbeit zur Aufrechterhaltung des Systems leisten. Die
Männer wissen es nicht und können und wollen es auch nicht anerkennen. Also,
Frauen, klären wir sie auf, indem wir unsere Unterstützung, vielleicht einmal
zeitlich begrenzt, abziehen. Evelin M. Puchmayr, St. Oswald
Der oben erwähnte Artikel von Christine Haiden vom 9.2. ist ja bereits hier
auf der Info-Seite gelandet (siehe Info Nr. 745,
"Der Exodus der Frauen"), der Vorschlag einer aktiven Katholikin,
die wider den Stachel löcken möchte, hört sich zumindest gut an. Er wird aber
wohl daran scheitern, dass der noch aktive Teil der katholischen Kirchenmitglieder
wahrscheinlich nicht überwiegend reformfreudig, sondern konservativ und gehorsam
sein wird.
Der berühmte Spruch aus dem Jahre 1784 von Immanuel Kant,
"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten
Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung
eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die
Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung
und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen",
ist bezüglich des Unvermögens zur Verstandesbenutzung auch heute noch eine wesentliche Grundlage für das Funktionieren der
katholischen Religion.
Gerade die Frauen waren es durch die Jahrhunderte,
die in Abhängigkeit zur christkatholischen Lehre gehalten werden konnten, ja
gehalten werden mussten. Im wirklichen Elends ihres Lebens im irdischen Jammertal
half ihnen die Illusion eines jenseitigen Glücks, Religion war die phantastische
Verwirklichung ihrer Sehnsüchte.
Auch aktuell hängt - ganz wie im
obigen Leserbrief beschrieben - die r.k. Kirche an den Aktivitäten
der Frauen. In der kirchlichen Gemeinschaft halten sie die Infrastruktur
aufrecht, sie beeinflussen ihre Familie im Sinne der Religion. Dieser Umstand
ist immer noch recht verbreitet, es sind Frauen immer noch deutlich religiöser
als Männer, aber das bessert sich von Jahr zu Jahr. Die Emanzipation ist ein
unumkehrbarer Vorgang und führte im Laufe der Jahrzehnte nicht nur zu einer
Besserstellung der Frauen in der Gesellschaft, sondern auch zur Entwicklung
ihres Selbstwertgefühls, ihrer Eigenbestimmung und dazu, sich ohne Leitung eines
anderen (des Vaters, des Ehemannes, des Vorgesetzten, des Pfarrers) des eigenen
Verstandes zu bedienen. Und dadurch erfolgte der Einbruch in der familiären
Tradierung der Religion, die Mütter und Großmütter hörten und hören zunehmend
auf, ihre Kleinkinder religiös zu indoktrinieren, sie hörten und hören zunehmend
auf, regelmäßig zur Sonntagsmesse zu gehen und die katholische Kirche steht
dadurch zunehmend einer "Glaubenskrise" gegenüber.
Diese Glaubenskrise hat ihre Ursache auch im allgemeinen gesellschaftlichen
Wandel, in verbesserter Bildung, in der heutigen offenen Welt, aber im Besonderen
auch in der Gleichberechtigung der Frauen, mit der Abnahme der Unterdrückung
der Frauen erlitten transzendente Erlösungsversprechen großen Bedeutungsverlust.
Noch besteht emanzipatorischer Nachholbedarf, aber auch die Frauen konnten und
können sich zunehmend aus wirtschaftlicher, emotioneller und intellektueller
Abhängigkeit befreien.
Der im obigen Leserbrief vorgeschlagene Streik
hätte wenig Chancen flächendeckend wirksam abzulaufen, weil dazu bedürfte
es einer großen Zahl emanzipierter Frauen in der katholischen Kirche und diese
große Zahl gibt es nicht, weil die Entwicklung der Frauenemanzipation bedeutete
eben auch die breitflächige Emanzipation von religiösen Illusionen. Nichtemanzipierte
Frauen streiken nicht, emanzipierte Frauen sind großteils nicht (mehr) katholisch
engagiert.
Die katholische Frauenabhängigkeit löst sich in beide
Richtungen auf: Die Frauen, die in ihren Lebenssitutionen die Religion als Gemeinschaft,
als Tröster, als Heilsversprecher brauchen, werden weniger und lösen sich aus
religiösen Abhängigkeiten. Weil man in der römisch-katholischen Kirche vom Wirken
der Frauen in vielen Bereichen abhängig ist, bringt dieses Wenigerwerdenden
der Frauen die Kirche weiter in Bedrängnis. Das ist doch schön!