Katholische Frauenabhängigkeit

Am 14.2.2012 erschien in den OÖNachrichten der folgende Leserbrief:

Streik der Frauen? Ich möchte Frau Haiden für ihre immer sehr treffenden Artikel danken und freue mich immer sehr auf ihre Beiträge. Das Thema "Frau in der Kirche" brennt mir selbst schon seit vielen Jahren auf der Seele. Seit dem Kirchenvolksbegehren vor vielen Jahren hat sich in mir die Idee gebildet, was wäre, wenn alle Frauen - für sagen wir einmal ein halbes Jahr - ihre Unterstützung aus allen kirchlichen Angelegenheiten abziehen, d. h. streiken.
Das würde bedeuten, nicht nur selber nicht mehr in die Kirche zu gehen, auch die Kinder und Männer nicht mehr zu schicken, nicht mehr zu putzen, zu kochen, den ganzen unbedankten Alltag zu organisieren, etc. Ich traue mich zu behaupten, dass Frauen mehr als die Hälfte der Arbeit zur Aufrechterhaltung des Systems leisten. Die Männer wissen es nicht und können und wollen es auch nicht anerkennen. Also, Frauen, klären wir sie auf, indem wir unsere Unterstützung, vielleicht einmal zeitlich begrenzt, abziehen. Evelin M. Puchmayr, St. Oswald

Der oben erwähnte Artikel von Christine Haiden vom 9.2. ist ja bereits hier auf der Info-Seite gelandet (siehe Info Nr. 745, "Der Exodus der Frauen"), der Vorschlag einer aktiven Katholikin, die wider den Stachel löcken möchte, hört sich zumindest gut an. Er wird aber wohl daran scheitern, dass der noch aktive Teil der katholischen Kirchenmitglieder wahrscheinlich nicht überwiegend reformfreudig, sondern konservativ und gehorsam sein wird.

Der berühmte Spruch aus dem Jahre 1784 von Immanuel Kant, "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen", ist bezüglich des Unvermögens zur Verstandesbenutzung auch heute noch eine wesentliche Grundlage für das Funktionieren der katholischen Religion.

Gerade die Frauen waren es durch die Jahrhunderte, die in Abhängigkeit zur christkatholischen Lehre gehalten werden konnten, ja gehalten werden mussten. Im wirklichen Elends ihres Lebens im irdischen Jammertal half ihnen die Illusion eines jenseitigen Glücks, Religion war die phantastische Verwirklichung ihrer Sehnsüchte.

Auch aktuell hängt
- ganz wie im obigen Leserbrief beschrieben - die r.k. Kirche an den Aktivitäten der Frauen. In der kirchlichen Gemeinschaft halten sie die Infrastruktur aufrecht, sie beeinflussen ihre Familie im Sinne der Religion. Dieser Umstand ist immer noch recht verbreitet, es sind Frauen immer noch deutlich religiöser als Männer, aber das bessert sich von Jahr zu Jahr. Die Emanzipation ist ein unumkehrbarer Vorgang und führte im Laufe der Jahrzehnte nicht nur zu einer Besserstellung der Frauen in der Gesellschaft, sondern auch zur Entwicklung ihres Selbstwertgefühls, ihrer Eigenbestimmung und dazu, sich ohne Leitung eines anderen (des Vaters, des Ehemannes, des Vorgesetzten, des Pfarrers) des eigenen Verstandes zu bedienen. Und dadurch erfolgte der Einbruch in der familiären Tradierung der Religion, die Mütter und Großmütter hörten und hören zunehmend auf, ihre Kleinkinder religiös zu indoktrinieren, sie hörten und hören zunehmend auf, regelmäßig zur Sonntagsmesse zu gehen und die katholische Kirche steht dadurch zunehmend einer "Glaubenskrise" gegenüber.

Diese Glaubenskrise hat ihre Ursache auch im allgemeinen gesellschaftlichen Wandel, in verbesserter Bildung, in der heutigen offenen Welt, aber im Besonderen auch in der Gleichberechtigung der Frauen, mit der Abnahme der Unterdrückung der Frauen erlitten transzendente Erlösungsversprechen großen Bedeutungsverlust. Noch besteht emanzipatorischer Nachholbedarf, aber auch die Frauen konnten und können sich zunehmend aus wirtschaftlicher, emotioneller und intellektueller Abhängigkeit befreien.

Der im obigen Leserbrief vorgeschlagene Streik hätte wenig Chancen flächendeckend wirksam abzulaufen, weil dazu bedürfte es einer großen Zahl emanzipierter Frauen in der katholischen Kirche und diese große Zahl gibt es nicht, weil die Entwicklung der Frauenemanzipation bedeutete eben auch die breitflächige Emanzipation von religiösen Illusionen. Nichtemanzipierte Frauen streiken nicht, emanzipierte Frauen sind großteils nicht (mehr) katholisch engagiert.

Die katholische Frauenabhängigkeit löst sich in beide Richtungen auf: Die Frauen, die in ihren Lebenssitutionen die Religion als Gemeinschaft, als Tröster, als Heilsversprecher brauchen, werden weniger und lösen sich aus religiösen Abhängigkeiten. Weil man in der römisch-katholischen Kirche vom Wirken der Frauen in vielen Bereichen abhängig ist, bringt dieses Wenigerwerdenden der Frauen die Kirche weiter in Bedrängnis. Das ist doch schön!