Ernst genommen wird sie nicht, wie aus einer aktuellen österreichischen Umfrage hervorgeht. Und wenn, scheint es eher Lifestyle-Kiste zu sein als Verzicht aus religiösen Motiven.
"Ich bin katholisch. Nicht sehr". Die Selbstdefinition von
"Herrn Karl" im gleichnamigen Bühnenstück trifft die Befindlichkeit
der österreichischen Katholiken auf den Punkt. Zumindest, wenn man eine aktuelle
Umfrage zum Verhalten
in der Fastenzeit heranzieht. Nur 37 Prozent geben an, zumindest ein bisschen
fasten zu wollen. Offiziell sind 64 Prozent der Bevölkerung katholisch. Für
sie gilt das Fasten zwischen Aschermittwoch und Karfreitag als obligatorische
Glaubensvorschrift.
Die Details zeigen, dass Österreich nur mehr auf
dem Papier katholisch ist. Fast die Hälfte der "Faster" will sich lediglich
"bewusster ernähren". Weitere 14 Prozent verzichten ein bisschen oder ganz auf
Süßigkeiten. Das sagen sie zumindest gegenüber Mitarbeitern des Umfrageinstituts.
Das klingt mehr nach Lifestyle bzw. Sorge um die eigene Figur als nach religiöser
Übung. Auch nach Weihnachten nehmen viele Menschen ab.
Ganze acht
Prozent geben an, wirklich zu fasten. Im katholischen Sinn heißt das: Kein
Fleisch, kein Alkohol, nichts Süßes und nach Möglichkeit überhaupt weniger zu
essen. Das entspricht in etwa dem Anteil der Österreicher, die jeden Sonntag
in die Kirche gehen -Katholiken, Protestanten und Orthodoxe zusammengerechnet.
(Auch bei den Orthodoxen gibt es eine obligatorische Fastenzeit, bei den Protestanten
ist das eine optionale Übung.)
Und diese Zahlen zeichnen mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit ein optimistisches Bild aus Sicht der Religionsgemeinschaften.
Bei solchen Umfragen wird gern geschummelt. Ein bisschen Verzicht -das ist
eine sozial erwünschte Antwort und die gibt man besonders gerne. Ob es stimmt
oder nicht. Andere Umfrageinstitute werden andere Werte liefern. Ihre Aussagekraft
ist in diesen Fragen enden wollend.
Ein Blick in die Supermärkte zeichnet
ein anderes Bild. Jeder hatte heute Heringsschmaus und Co im Angebot. Hier
gibt sich Österreich noch streng katholisch. Die Oberfläche bleibt aus Kirchensicht
intakt. Allein, Geschäftstüchtigkeit und eine Mahlzeit im Jahr machen auch keine
religiöse Bewegung aus. Und nicht einmal alle Betriebskantinen verzichteten
auf Fleisch. Der Protest der Faster hielt sich in Grenzen. Und das in einem
Land, in dem sehr viele Kantinen und die meisten Gasthäuser Freitags verlässlich
Fisch als Menü anbieten. Das scheint eher Tradition zu sein -irgendwann mal
religiös begründet. Mehr nicht. An einem bestimmten Wochentag auf Fleisch zu
verzichten, ist einfach. Das ist eine regelmäßige Übung. Dass man auf einen
der höchsten katholischen Feiertage vergisst, passiert schneller. Und spricht
Bände.
Katholisch ist man in Österreich, wenn es nicht wehtut. Und
das in einem immer geringeren Ausmaß. Noch nie hat es in der Zweiten Republik
so wenige Katholiken gegeben wie heute. Morgen werden es wieder einige hundert
weniger sein. An die Regeln halten sich nur mehr die wirklich Überzeugten. Sozialen
Druck auf den Rest ausüben können sie kaum mehr. Das zeigt die jüngste Umfrage
deutlich.
Christoph Baumgarten