Tunesien: Abschaffung der Frauenrechte?

In Tunesien war der sogenannte "arabische Frühling" zuerst ausgebrochen. Die politischen Naivlinge hatten lauthals darüber gejubelt, dass dort und in der Folge in anderen arabischen Staaten jetzt alles neu und alles besser würde. In ihrem schlichten Denken hatten sie nicht berücksichtigt, dass in diesen autoritär regierten Staaten die dortigen autoritären Herrscher säkulare Regime führten. Die Mullahs und die Muslimbrüder hatten nicht viel zu melden.

In Ägypten kam dann relativ rasch die Ernüchterung. Die jungen Leute, die die Demos organisiert hatten, waren für die Moderne auf die Straße gegangen, für Meinungsvielfalt und ein besseres Leben. Die Muslimbrüder hatten die Revolution verschlafen, aber nach dem Sieg konnten sie sich als einzige durch ihre festen Strukturen voll in die Gesellschaft im Umbruch einklicken. Sie verteilten ihre Almosen und versprachen eine schöne Zukunft. Und gewannen die Wahlen, Muslimbrüder und Salafisten haben nun 70 Prozent der Mandate, ihre einzige Grenze ist das Militär, das nach wie vor den säkularen Staat bewacht und es bisher verhindert hat, dass auch Ägypten eine islamische Republik wird.

In Tunesien war es etwas anders. Modernisten organisierten den Sturz von Ben Ali und seiner Sippschaft, Vormodernisten gewannen zwar die Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung, aber nur relativ. Die islamistische Ennahda bekam 37% und 89 Sitzen, der säkulare "Kongress für die Republik" wurde Zweiter (8,7%, 29 Sitze), die sozialdemokratische Ettakatol Dritter (7%, 20). Insgesamt haben die säkularen Gruppen die Mehrheit der 217 Sitze. Aber der Kongress und die Ettakol haben mit den Islamisten eine Koalitionsregierung gebildet. Und die Islamisten versuchen nun, ihre reaktionäre Ideologie gesellschaftspolitisch umzusetzen. Ein Gesetzantrag zur Bestrafung von "Blasphemie" wurde dieser Tage eingebracht, mit einer Höchststrafe von zwei Jahren ist das Gesetz zwar nicht viel schlimmer als das entsprechende österreichische Überbleibsel der Gegenreformation (Höchststrafe sechs Monate), aber es würde wohl deutlich häufiger zur Anwendung kommen als unser Mittelalter-§ 188.

Und dann folgte ein islamistischer Verfassungsentwurf mit einer entscheidenden Einschränkung der Frauenrechte.

Seit der Unabhängigkeit Tunesiens im Jahre 1956 haben Frauen in Tunesien die gesetzliche Gleichberechtigung, die islamische Polygamie war verboten. Sowas ist offenbar unislamisch. Darum beinhaltet der islamistische Verfassungsentwurf neue gesellschaftliche Plätze für die Frauen. Nicht mehr gleichberechtigt sollen sie sein, sondern die Frau solle als Ergänzung, als Assoziierte des Mannes "an der Entwicklung des Vaterlandes mitzuwirken" haben, steht im Artikel 27 des Entwurfs. In der "Kommission für Recht und Freiheit" wurde dieser Entwurf mit 8 von 12 Stimmen angenommen. Seit 2.8.2012 wehren sich engagierte Frauen in Tunesien gegen diesen Rückschritt in uralte Zeiten. Am 8.8. wurde das Thema auch in Europa bekannt. In Tunesien sind zwar die Islamisten die stärkste Partei, aber sie haben keine Mehrheit, die verfassungsgebende Versammlung soll noch diesen Monat ihre Entscheidung darüber abgeben. Es ist klar, der Artikel 27 muss verhindert werden! Sonst wird es kurz über lang auch in Tunesien Herbst und Winter.