Lob für Caritasdirektor

Was es wiegt, das hat es. Darum soll heute einmal auch ein Lob für einen Funktionär aus dem kirchlichen Bereich verströmt werden, in den OÖNachrichten vom 5.9.2012 erschien der folgende Gastkommentar des Direktors der Caritas in Oberösterreich, Mathias Mühlberger:

Die schleichende Gefahr

Die Armut kehrt nach Europa zurück!" Mit dieser Aussage ließ der Chef des Konsumgüterkonzerns Unilever dieser Tage aufhorchen. Nachdem die Kaufkraft in europäischen Ländern wie Spanien aufgrund der Krise nachlässt, will der Konzern nun dort auf kleinere Packungen umstellen, um weiterhin Gewinne zu machen.

Der Satz des Konzernchefs müsste in allen europäischen Ländern die Alarmglocken schrillen lassen. So deutlich hat das bislang noch niemand gesagt. Und bislang will auch noch keiner genauer hinschauen - auf eine schleichende Gefahr: die wachsende Armut in Europa. Beinahe täglich liest man in den Schlagzeilen, wie um den Bestand von Euro und Banken gerungen wird, wie milliardenschwere Rettungsschirme aufgespannt und Sparpakete geschnürt werden. Das eine oder andere davon ist wohl auch notwendig, um die Wirtschaft und damit den Lebensstandard in Europa zu stabilisieren.

Notwendig wäre es genauso, die soziale Lage im Blick zu behalten. Denn schon jetzt steigt die Jugendarbeitslosigkeit extrem an, schon jetzt müssen immer mehr Menschen bei Suppenküchen Schlange stehen, schon jetzt driftet Arm und Reich immer mehr auseinander. Trotzdem wird in den Sparpaketen bei den Sozialausgaben gekürzt. Das kann nicht im Interesse der Wirtschaft sein - das Abnehmen der Kaufkraft wird bald nicht mehr nur mit kleineren Packungsgrößen zu lösen sein.

Wenn Europa den Blick vor der Rückkehr und Ausbreitung der Armut verschließt, werden wir alle bald arm dran sein. Was wir brauchen, ist eine "Sozialunion", wir brauchen ein Europa, das sich zur Solidarität bekennt. Zur Solidarität mit den Menschen. Denn bislang ist nur eine Solidarität zum bestehenden Finanz- und Wirtschaftssystem zu erkennen.

Auch wenn kein Zweifel daran besteht, dass die öffentlichen Haushalte ausgeglichen werden müssen - derzeit wird mit viel Energie nur daran gearbeitet, ein ungezügeltes System aufrecht zu erhalten, das ungerechte Verteilung produziert und uns überhaupt erst in die Krise getrieben hat. Dass wir diese den riskanten Geschäften von Finanzinstituten zu verdanken haben und Rating-Agenturen mit ihren Einstufungen die Staaten immer tiefer in die Schuldenfalle treiben, darf nicht unter den Tisch gekehrt werden. Auf der Strecke bleibt die Sozialpolitik in Europa, auf der Strecke bleiben die Menschen und der Zusammenhalt.

In einigen Staaten steckt der Aufbau eines Sozialsystems ohnehin noch in den Kinderschuhen, in anderen wird das bestehende System zurückgefahren. Das entfernt uns immer weiter von einer Zukunft der sozialen Gerechtigkeit und menschenwürdigen Lebensbedingungen aller EU-Bürger. Es bringt uns immer näher zu einer anderen schleichenden Gefahr, die mit dem Vormarsch der Armut quasi "einhergeht": Auch bei uns haben soziale Missstände schon einmal dazu beigetragen, dass sich Menschen von politischen "Rattenfängern" ins Verderben führen ließen.

Der Mann hat recht. Darum wurde ein entsprechender Leserbrief an die OÖN gerichtet, allerdings nicht nur mit der Frage, warum sowas ein Caritasdirektor sagen muss und aus den Kreisen, die für die Interessen der arbeitenden Menschen zuständig wären, sowas selten bis nie zu hören ist, sondern auch mit dem Hinweis darauf, dass die Christen in der Politik sowas wie der Herr Mühlberger eigentlich gar nie vertreten, der Leserbrief wurde am 7.9. veröffentlicht:

Christliches Prinzip

Der Artikel "Die schleichende Gefahr" von Caritas-Direktor Mühlberger in den OÖNachrichten vom 5. 9. hat mich sehr überrascht. Eigentlich hätte man annehmen müssen, solche Äußerungen müssten von einem SPÖ-Vorsitzenden oder einem ÖGB-Präsidenten kommen, aber von dort hört man so etwas nicht. Dass von der ÖVP, der christlichen Partei also, so was nicht kommt, ist klar, weil diese Partei fordert die Mühseligen und Beladenen höchstens auf, keine Neidgenossenschaft gegen die Reichen und Superreichen zu bilden. Denn als christlich gilt ja heute wie in Vergangenheit Mt 13,12: "Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat." Um dieses christliche Prinzip überall durchzusetzen, dazu brauchen wir die EU. Direktor Mühlberger sollte also mit seinen Äußerungen vorsichtig sein, politisch hat er keine Fürsprecher ...
Erwin Peterseil, Linz