Die unveränderte Einheitsfront von ÖVP, katholischem Christentum und Kapitalismus
manifestierte sich dieser Tage öffentlich und offiziell.
Die oö
Wirtschaftskammer und die Diözese verkünden ihren gemeinsamen Glauben in herzinnigster
Umarmung. Wenn man die heute gelebte neoliberale Praxis des bedingungslosen
Profitstrebens und der ständigen Verschärfung der Ausbeutung ein bisschen kennt
und die verkündete christlich-wirtschaftliche
Darstellung liest, dann kann und muss man als Atheist ebenfalls was
verkünden: Ihr Pharisäer,
auf bloß fünf Seiten Text so viel zu heucheln und die Wirklichkeit so zu verdrehen, das ist wahrhaft
eine weltmeisterliche Leistung und voll auf der Linie der christkatholischen
Tradition des Unsozialismus und der augenverdrehenden salbungsvollen Scheinheiligkeit!
Die Wirtschaftskammer OÖ als Interessenvertretung aller oberösterreichischen
UnternehmerInnen besinnt sich der christlichen Werte zur Orientierung für "die
Wirtschaft" - im Namen aller Wirtschaftstreibenden!
Im Sommer
wurde es medial zelebriert (siehe dioezese-linz.at)
und nun findet es sich als Broschüre in den Briefkästen der FunktionärInnen
der WKOÖ: das Manifest (siehe wie oben das Dokument
"Kirche und Wirtschaft") der Wirtschaftskammer OÖ, Industriellenvereinigung,
der Katholischen Kirche in Oberösterreich. In diesem Papier dokumentieren die
Katholische Kirche und "die Wirtschaft in Oberösterreich" ihre gemeinsame
christliche Verantwortung für die Gesellschaft.
FunktionärInnen der
WKOÖ werden nun aufgerufen, die christlichen Grundsätze zu beherzigen und "in
ihrem Umfeld umzusetzen" (Aussendung an die KammerfunktionärInnen vom 11.
September).
Wir halten die religiös gefärbte Positionierung der WKOÖ
für unangebracht:
Es spricht nichts
dagegen, dass sich UnternehmerInnen - so auch der Unternehmer WKOÖ Präsident
Rudolf Trauner - in einen Wertedialog mit gesellschaftlich relevanten Gruppierungen
wie bspw. der katholischen Kirche begeben und hier persönliche Orientierung
finden.
Die Werteorientierung
"der Wirtschaft" an einer Religion vorzunehmen, ist in der Republik
Österreich mit 12 anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften allerdings
unangebracht.
Wir
meinten, die Bindungen und Verflechtungen von Staat und Kirche gehörten dank
Humanismus und Aufklärung der Vergangenheit an.
Von den offiziellen VertreterInnen der WKOÖ, die als Körperschaft des öffentlichen
Rechts der österreichischen Verfassung verpflichtet ist, wünschen wir uns Offenheit,
Respekt, Anerkennung und Toleranz gegenüber allen Kulturen und eine darauf ausgerichtete
Werteorientierung.
"Wenn also ein offener Wertedialog stattfindet,
dann sollte dieser nicht eingleisig geführt werden. Auch fehlt eine Auseinandersetzung
über die dringlichen Fragen unserer Zeit, z.B. das Zins- und Zinseszinsthema
als Ursache und als Motor des herrschenden (Wirtschafts-)Wachstumszwangs mit
den aktuellen, weltweiten Krisen. Zumindest in ihrer Geschichte hat sich die
katholische Kirche (neben dem Islam im Übrigen) dazu klar positioniert: mit
dem sog. Kanonischen Zinsverbot! Die Diskussion aus Sicht "der Wirtschaft"
darüber zu vertiefen, wäre sicher lohnender gewesen," so Kuno Haas, Landessprecher
der Grünen Wirtschaft OÖ.
Abschließend halten wir fest: WKOÖ-Präsident
Dr. Trauner, IV-Präsident Ing. Pöttinger und die katholische Kirche haben mit
ihrem Vorgehen die Wirtschaftstreibenden in OÖ für ihre Positionen und den damit
verbundenen Machtanspruch vereinnahmt. Dürfen sich UnternehmerInnen künftig
auf die Kirchenzeitung anstelle der OÖ Wirtschaft im Postkasten freuen?
Nachbemerkung: Die Stellungnahme von Mag. Haas ist voller barmherziger Nachsicht. Fast schon sozialdemokratisch.