CAMBRIDGE. (hpd) Eine aktuelle internationale Umfrage
(August 2012) erbringt über eine ungewöhnliche Nationenauswahl
(Westeuropa, USA, Pakistan und MENA-Staaten) Belege für
Übereinstimmungen und Unterschiedlichkeiten. Deutschland und
Großbritannien sind mittlerweile überwiegend säkular, während Pakistan
und die MENA-Staaten die entgegengesetzte Religiosität darstellen.
Eine aktuelle Umfrage des britischen Umfrageinstituts YouGov-Cambridge "Reputation Report" schreibt Trends für Deutschland fort und zeigt deutlich die Unterschiede zwischen Westeuropa, den USA und muslimischen Staaten.
Was sich in früheren Studien für Deutschland (1982, 1992, 2002) zur Religiosität gezeigt hatte, dass es in den Altersgruppen
einen Kohorteneffekt gibt, d.h. in den älter werdenden Altersgruppen
(Kohorten) verringert sich die Intensität der Religiosität
kontinuierlich und der Mittelwert bewegt sich immer mehr in Richtung auf
Halbe: Halbe (religiös : nicht religiös), 2002 noch mit einem kleinem
Plus auf Seiten der Religiösen. Dieser Trend hat sich auch in dieser
Umfrage 2012 fortgesetzt, mit dem Ergebnis, dass sich die Befragten in
Deutschland mehrheitlich (47 %) als nicht zu einer Religion zugehörig
betrachten; 41 Prozent betrachten sich als Religionszugehörige und 12
Prozent bevorzugen es, sich nicht dazu zu äußern.
Das bedeutet u.a., dass die formalen Religionszugehörigkeiten, die
sich nur für die beiden großen christlichen Amtskirchen auf rund 60
Prozent belaufen, sich inhaltlich bei den Befragten nicht bestätigen.
Insofern stellen die Religionsfreien in Deutschland nicht nur die größte
Teilgruppe, sondern sind die Mehrheit in der Bevölkerung.
Ein ähnlicher Widerspruch zwischen Formalem und Inhalt zeigt sich für
Großbritannien. Während es gemeinhin heißt: "Die Mehrzahl der Einwohner
des Vereinigten Königreichs (ca. 74 %) versteht sich als Christen." (wikipedia)
sind es nach dieser Umfrage nur 42 Prozent der Befragten, die sich
selbst als Religionsangehörige (diverser Religionen) bezeichnen.
In Frankreich und in den USA, die hier einmal vergleichbare Werte
aufweisen, erklärt sich die Mehrheit (58 und 56 %) als einer Religion
zugehörig, während jedoch in beiden Ländern mehr als ein Drittel der
Befragten (36 bzw. 35 %) dies verneint.
Ein deutlicher Unterschied zu den beiden Regionen mit muslimischen
Mehrheiten in der Umfrage (Pakistan und die Staaten des Nahen Ostens und
Nordafrika - MENA), in denen sich 80 Prozent der Befragten als einer
Religion zugehörig betrachten.
Wollte man aufgrund dieser Daten für die beteiligten Regionen eine
Rangfolge nach Säkularisation aufstellen, so wäre Großbritannien der
Spitzenreiter, gefolgt von Deutschland und mit etwas Abstand Frankreich.
Die USA lägen im mittleren Bereich einer Mehrheit pro Religion, während
Pakistan und die MENA-Staaten weitestgehend als grundsätzlich religiös
dominiert zu betrachten sind.
Diese Abfolge zeigt sich immer wieder. In den Antworten auf die Frage
wie wichtig es den Befragten war, dass die politischen Führer der
Nation den eigenen Glauben teilen, ist es nur eine kleine Minderheit der
Briten (13 %) wie der deutschen (16 %), die das als sehr wichtig
betrachten, während es bei den Pakistanis deutlich mehr sind (54 %), In
den MENA-Staaten sind es dann zwei Drittel (67 %), die diese
Übereinstimmung im Glauben als sehr wichtig ansehen.
Mehrheitlich abgelehnt wird es, dass Religionsführer die
Wahlentscheidungen der Wähler beeinflussen (Deutschland, Großbritannien,
Frankreich (76 %), MENA-Staaten (64 %), USA und Pakistan: (57 bzw. 56
%). Ebenso gibt es keine deutlichen Mehrheiten dafür, dass es dem Land
besser gehen würde, wenn Religionsvertreter öffentliche Ämter inne
hätten. In Großbritannien, Deutschland und Frankreich sind es weniger
als einer von zehn (7, 9 und 9 %), die dieser Meinung sind; in den USA
ist es ein Viertel (24 %), in den MENA-Staaten ein Drittel (33 %) und in
Pakistan 45 Prozent, die diese Erwartung in religiöse Führer als
Politiker hätten.
Eine entsprechend umgekehrte Anzahl von Befürwortern gibt es für die
Aussage, dass Religion Privatsache sei und im Land der Befragten von
politischen und ökonomischen Leben zu trennen sei. Diese Trennung von
Religion und Politik befürworten in Großbritannien (81 %), Frankreich
(78 %) und Deutschland (75 %) Dreiviertel und mehr der Befragten. In den
USA (61 %) und den MENA-Staaten (52 %) ist auch noch eine Mehrheit,
ebenso wie in Pakistan sich beinahe die Hälfte der Befragten (46 %) sich
für diesen Grundsatz aussprechen.
In den weiteren Fragen nach Rolle von Männer und Frauen,
gleichgeschlechtlicher Partnerschaft, Berufstätigkeit von Frauen,
Universitätsausbildung für Frauen u. a. m. zeigen sich die bekannten
religiös kontaminierten Bewertungen. Insofern ist es bemerkenswert, dass
auch bei den Befragten in den muslimischen Staaten, die Trennung von
Religion und Politik eine wesentliche Unterstützung findet.
Quelle: Carsten Frerk, hpd Nr. 14100 v. 8.10.2012