Diese Frage stellte sich in den OÖNachrichten vom 19.10.2012 Bert Brandstetter, Präsident der Katholischen Aktion Oberösterreich. Brandstetter ist inzwischen bekannt für sein ziemlich unkonventionelles Herangehen an die katholische Lehre, darum auch hier seine Antwort auf die Frage, was sind eigentlich Heilige?
Fragen Sie einmal Jugendliche, was sie von Heiligen halten. Ich vermute,
Sie werden ein uninteressiertes Achselzucken ernten. Vielleicht hilft Ihrem
Sprössling der "Youcat", der speziell für Jugendliche verfasste Katechismus
der katholischen Kirche weiter. Unter "Gemeinschaft der Heiligen"
steht dort zu lesen: "Zur Gemeinschaft der Heiligen gehören alle Menschen,
die ihre Hoffnung auf Christus gesetzt haben und durch die Taufe zu ihm gehören,
ob sie bereits gestorben sind oder noch leben. Weil wir in Christus ein Leib
sind, leben wir in einer Himmel und Erde umspannenden Gemeinschaft". ???
Der
Blick der Jugend signalisiert die besorgte Frage nach Ihrer geistigen Gesundheit.
"Was soll diese gestelzte Sprache und überhaupt: Was interessiert mich
das Gelabere um die Heiligen?", mag die Antwort auf Ihre gutgemeinten Versuche
sein, ein religiöses Gespräch zu beginnen. Immerhin steht Allerheiligen vor
der Tür. Mag ja sein, dass Youcat das falsche Buch für Ihren Nachwuchs war.
Möglicherweise fühlt sich die junge Generation von heute bereits vom richtigen
Katechismus besser angesprochen. Was steht dort (Ausgabe 1993) über Heilige
zu lesen: "Die Zeugen, die uns in das Reich Gottes vorausgegangen sind,
[...] betrachten Gott, loben ihn und sorgen unablässig für jene, die sie auf
Erden zurückließen. Beim Eintritt in die ,Freude des Herrn' wurden sie ,über
vieles gesetzt'. Ihre Fürbitte ist ihr höchster Dienst an Gottes Ratschluss.
Wir können und sollen sie bitten, für uns und die ganze Welt einzutreten."
???
Sie fürchten, auch mit dieser Erklärung bei Jugendlichen nicht so wirklich
zu landen? Ich gebe Ihnen Recht. Wie so oft macht der Ton die Musik. Und diese
Sprache schreckt ab. Nicht nur Jugendliche. Um andere Menschen anzusprechen,
muss man deren Sprache verwenden. In Kirchendingen scheint das manchen besonders
schwer zu fallen. Die Erosion im Kirchenvolk mag darin eine ihrer Erklärungen
haben. Was sind dann also Heilige oder Selige, derer wir am 1. November so festlich
gedenken, dass der Tag sogar ein staatlicher Feiertag ist? Der Versuch meiner
persönlichen und theologisch absolut nicht gedeckten Erklärung, die ich meinen
vier Söhnen anbieten könnte, ohne rot zu werden: Heilige sind Menschen, von
denen die katholische Kirche sagt, ihr Leben war beispielhaft. Sie haben über
den Durchschnitt gelebt, sie haben ihre Überzeugung unbeirrt vertreten, manche
sind dafür sogar umgebracht worden. Sie waren und sind Vorbilder. So sehr, dass
sogar Babys nach ihnen benannt werden können. Dass sie nur selig oder heilig
werden konnten, weil ihnen zuvor einige Wunder zugeschrieben werden mussten,
davon rede ich lieber nicht. Das ist eine andere Geschichte, die alles wieder
kompliziert und möglicherweise sogar abschreckend macht.
Das was Brandstetter über seine Heiligen schreibt, können Gemeinden über
ihre Ehrenbürger sagen, Vereine oder Parteien ihre Ehrenmitglieder so beschreiben.
Antifaschisten, die im Widerstandskampf gefallen sind oder von den Nazis umgebracht
wurden, werden von ihren Parteien oder Gemeinschaften ebenfalls verehrt, Kranzniederlegungen
und Gedenkveranstaltungen laufen auch hierbei ab. Wobei man anmerken muss, dass
ein hingerichteter atheistischer Kommunist nicht in der Hoffnung gestorben ist,
dafür vom Jesus ins Paradies heimgeholt zu werden, aber das sagt Brandstetter
seinen Heiligen ohnehin nicht nach. Er billigt den Heiligen gar keine religiösen
Funktionen zu.
Ursprünglich war die ausufernde Heiligenverehrung
die Antwort auf die Vielfalt an heidnischen Feen, Trollen und sonstigen Geistern:
Dort gab's diesen Glauben, dass für bestimmte Dinge bestimmte Geister oder Rituale
zuständig wären, das Christentum übernahm diese Traditionen und übertrug den
Heiligen zauberische Aufgaben, siehe dazu die Liste der Zuständigkeit
der Heiligen, allein gegen Blitzschlag helfen 17 Heilige, gegen Haarausfall
aber nur einer, obwohl Haare öfters ausfallen als Blitze einschlagen.
Brandstetters Kolumne in den OÖN zeigt regelmäßig eine deutliche Ferne von
den orthodoxen göttlichen katholischen Lehren und eine Nähe zur Wirklichkeit.
Als Präsident der oö Katholischen Aktion wird er wohl deswegen absehbar Schwierigkeiten
bekommen. Speziell wo er offenbar jetzt anfängt, verbindliche katholische Lehrsätze
konkret zu kritisieren. Da er aber 62 Jahre alt und ORF-Redakteur in Ruhe ist,
kann er ohne Existenzängste unbotmäßig sein.