Religiöse Gefühlsduselei

Seit die Islamisten so fanatisch mit brutalen Ausschreitungen auf einen Mohammed-Film reagiert haben, gieren auch schwer gläubige Christen danach, ebenfalls beleidigt agieren zu dürfen und gegen die Beleidiger jedoch nicht mittels strafbarer Handlungen selber ausschreiten zu müssen, sondern den Staat zum Einschreiten einsetzen zu können. Jüngst trat sich diesbezüglich der SPD-Politiker Thierse in Erscheinung, siehe Info Nr. 1106.

Am 20.10.2012 meldete sich in der deutschen Zeitung "Die Welt" ezu diesem Thema in gewisser Matthias Heine zu Wort. Was Genaueres war zu diesem Heine nicht zu ermitteln, außer dass er 1961 geboren und Journalist ist, u.a. für "Die Welt" schreibt.

Er fragt: "Sind religiöse Gefühle etwa zweitklassig? Über Gotteslästerung sollen sich die Gläubigen gefälligst nicht so aufregen, argumentieren die Aufgeklärten. Aber ihre eigenen Gefühle möchten sie sehr wohl vom Staat geschützt wissen."

Vermutlich weil die Aufgeklärten die Strafgesetzbuch-Paragrafen 185 bis 199 nicht abschaffen, sondern womöglich auch für sich nutzen wollen. Heine schreibt dazu, diese Paragraphen "beziehen sich alle auf Delikte, bei denen nichts anderes verletzt wird als die Gefühle eines einzelnen Menschen. Paragraf 185 besagt etwa, dass "mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe" bestraft wird, wer einen anderen rein verbal beleidigt. Genauso teuer kommt laut Paragraf 186 die üble Nachrede. Verleumdung kann den Täter laut Paragraf 187 sogar bis zu zwei Jahre seiner Lebenszeit kosten. Ebenso die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener."

Matthias Heine hat anscheinend große Probleme, Werte zu hierarchisieren.

Weil eine Ehrenbeleidigung, eine Verleumdung bezieht sich direkt auf einen bestimmten Menschen, verletzen also nicht dessen Meinungen und Vorstellungen, Träume und Einbildungen, sondern ihn selber als Person. Vergleichsweise dazu SIND religiöse Gefühle zweitklassig!

Wir alle haben Gefühle bezüglich unser Interessen, Zuneigungen, Vorlieben und so weiter. Beispielsweise bin ich ein rock'n'roll-Fan, was sogar auf dieser Site zu sehen und zu hören ist: http://www.atheisten-info.at/themen/rnr.html Wenn jetzt jemand käme und sagte, rock'n'roll sei was Fürchterliches, Unausstehliches und er würde sich lieber die Trommelfelle durchstechen lassen als sich sowas anzuhören, dann wären meine musikalischen rock'n'roll-Gefühle tief verletzt. Kann ich deswegen klagen? Wohl kaum. Oder jemand erzählt Ostfriesen-, Mühlviertler- oder Burgenländerwitze und verletzt damit Ostfriesen-, Mühlviertler- oder Burgenländergefühle. Wie aussichtsreich wären da entsprechende Klagen? Obwohl ich selber gebürtiger Mühlviertler bin, ziehe ich es vor, zu Mühlviertler-Witzen zu lachen, statt mir einen Sprengstoffgürtel umzubinden oder zum Staatsanwalt zu laufen. Ich erzähl sogar selber solche Witze.

Matthias Heine meint vermutlich, religiöse Gefühle seien was Höheres als die hier angeführten Gefühle. Wie kommt er auf diese Idee? Weil ihm seine heilige Religion heilig ist und seine Religion deshalb allen Leuten heilig sein müsste? Mir ist der verblichene Bill Haley heilig und ich freue mich noch heute darüber, dass ich zwei seiner Konzerte sehen durfte, als er noch auf Erden wandelte.

1976 sah ich ihn in Linz, hier ein TV-Clip aus dem österreichischen Fernsehen, "there is just one Bill Haley in the world", sagte Peter Rapp in der Ansage und er hat völlig recht! Und Bill Haley and his Comets sind sicht- und hörbar weitaus besser als Jesus! Wenn wer nicht dieser Meinung ist und damit meine rock'n'roll-Gefühle verletzt, kann ich ihn nicht klagen. Matthias Heine ist jedoch offenbar der Ansicht, es müsste für ihn möglich sein, mich beispielsweise wegen Verletzung seiner religiösen Gefühle zu verklagen, weil ich oben geschrieben habe, Bill Haley and his Comets sind sicht- und hörbar weitaus besser als Jesus! Dabei sieht und hört das doch jeder:

Es ist wahr: "there is just one Bill Haley in the world", seinen Jesus kann sich jeder selber zusammenbasteln, Rock around the Clock wird er trotzdem nicht hören können...

Heilige Gefühle sind Privatangelegenheiten, egal ob religiös oder irdisch, literarisch, musikalisch oder ostfriesisch. Awappapalupapawappapap! Alles klar?

PS: Bill Haley war ein Internationalist, er hat für sein Publikum Musik aus der ganzen Welt gerockt. Kennt Ihr das alte bayrisch-österreichische Wirtshauslied: "Oh du scheene Hob'lbank, gestern hamma g'soff'n, heut samma krank"? Hier die Version von Bill Haley and his Comets! "Rockin', rollin Schnitzlbank". Auch das gibt's beim Jesus nicht!


Nu, wie hab ich die religiöse Gefühlsduselei als aggressiver Krawallatheist auf eine säkulare Werteebene gebracht? Pow! Bin i guad! Vom rock'n'roll versteh i woas!