Pfarrerinitiative und Missbrauch

Am 30.10.2012 wurde auf der Homepage der Pfarrerinitiative folgende Erklärung online gestellt:

Missbrauch

Für die Pfarrer-Initiative ist Missbrauch von Menschen in jeder Form inakzeptabel. Dieser widerspricht schwerwiegend unserem Verständnis von Kirche und vom Dienst an den Menschen im Geist des Evangeliums Jesu. Gerade in der Kirche sind Menschen vor Ausnützung und Ausbeutung in jeder Form zu schützen. Menschen, die Opfer von Missbrauch oder Ausbeutung geworden sind, ist mit Respekt und Solidarität zu begegnen.
Daher behält sich der Vorstand der Pfarrer-Initiative vor, eine Aufnahme als Mitglied der Pfarrer-Initiative bei Vorliegen offener Fragen im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen bis zu deren Klärung lt. Statuten § 5/2 zu verweigern.
Weiters verpflichtet sich jedes Mitglied der Pfarrer-Initiative, im Fall der Konfrontation mit von den zuständigen behördlichen und/ oder kirchlichen Stellen als erhärtet eingeschätzten Missbrauchsvorwürfen an deren Klärung durch die damit beauftragten behördlichen und/oder kirchlichen Stellen aktiv mitzuwirken.
Bis zur Klärung dieser Vorwürfe wird die Mitgliedschaft in der Pfarrer-Initiative ruhend gestellt.
Werden die Vorwürfe von den beauftragten kirchlichen und behördlichen Stellen als zutreffend erklärt, beendet der Vorstand die Mitgliedschaft des betreffenden Mitglieds lt. Statut § 6/4.

Was aber hat Schüller gehindert, vorbeugend tätig zu werden? Der Abt des Klosters St. Peter in Salzburg hatte im März 2010 seine Übergriffe zugegeben, siehe dazu Info Nr. 102. Wenn der ORF und andere Medien darüber berichtet haben, dann hatten ja wohl auch Schüller und andere Personen seiner Initiative ausreichend Gelegenheit, davon zu erfahren. Schüller meinte nun, er habe zwar gewusst, dass der Abt "wegen Vorwürfen zurückgetreten ist, aber mehr habe ich nicht gehört". Nun habe er sich "aber schlau gemacht".

Im Standard werden ihm die Leviten gelesen:

Pfarrer-Initiative: Blinder Ungehorsam

Der Umgang der Pfarrerinitiative mit Mitgliedern unter Missbrauchsverdacht ist eine Schande
Anfang März 2010 wurde zum ersten Mal klar, welches Unheil wohl über die katholische Kirche in Österreich hereinbrechen wird. Der Abt von St. Peter in Salzburg - immerhin das älteste Kloster im deutschen Sprachraum - gesteht, Ende der 1960er-Jahre einen zwölfjährigen Buben missbraucht zu haben. Am 9. März tritt der bekannte Ordensmann zurück. Nationale und internationale Medien berichteten entsprechend darüber. Nur die Pfarrer-Initiative rund um Helmut Schüller scheint das mediale Echo nicht gehört zu haben. Dort ist der Salzburger Ex-Abt nämlich bis dato Mitglied - gemeinsam mit einem weiteren Pfarrer, der unter Missbrauchsverdacht steht.
Sollte etwa die Nachricht der späten Beichte von Abt Bruno die Pfarrhof-Rebellen nicht erreicht haben, ist dies angesichts der Tragweite des Falles befremdlich. Dass aber jetzt ausgerechnet eine Organisation, die gerne lautstark die verkrusteten Strukturen der Kirche kritisiert, im Fall eines geständigen Kinderschänders in den eigenen Reihen zuerst im Vorstand einen Regelkatalog für die weitere Vorgehensweise beschließen muss, um dann noch eine eingehende Prüfung beider Fälle anzukündigen, ist eine Schande. Zur Erinnerung: Es war Schüller, der ab 1996 als Leiter der Ombudsstelle der Erzdiözese Wien Regeln für kirchliche Mitarbeiter im Umgang mit Missbrauch verfasste.
Zumindest Gehorsam dem eigenen Gewissen gegenüber sollte man auch den "Ungehorsamen" abverlangen können.
(Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 31.10./1.11.2012)