Über den ägyptischen Dezember

Wer hätte das vorher gedacht?

Publiziert am 2. Dezember 2012 von E. Ahrens auf www.wissenbloggt.de

Der von Optimisten so genannte arabische "Frühling" hat sich schnell zu einem Dezember gewandelt, in dem die Blütenträume erstarren. Inzwischen fühlt Herr Mursi sich so stark, dass er eine islamisch geprägte Verfassung durchpeitschen will.

Sind die Muslimbrüder vor und auch nach der Wahl zuerst noch mit moderaten Äußerungen bekannt geworden, so fällt jetzt die Maske mehr und mehr. Nicht wurden ihm sie erteilt, sondern er hat sich weitreichende Vollmachten genommen. Quasi ein Staatsstreich.

Auch weil von Mubarak verfolgt, sehen sich die Muslimbrüder als die echten Revolutionäre. Dabei vergessen sie zu leicht die passive Rolle, die sie zu Beginn deer Revolution spielten, als Liberale die Kastanien aus dem Feuer holten. Doch spielte die Zeit für sie und ihre offenbar langfristiger angelegte Strategie. Wenn allerdings Liberale die verfassunggebende Versammlung verlassen, weil ihnen der Entwurf nicht gefällt, verzichten sie auf Möglichkeiten des Handelns und überlassen den Religiösen das Feld. Ebenso ist die Geschlossenheit der Muslimbrüder ihr erfolgversprechendes Plus gegen eine individualisierte Opposition.

Ägypten hat diese Leute frei gewählt. Wenn Muslimbrüder 40 % und Salafisten weitere 25 % der Abgeordneten stellen, dann scheint des Volkes Wille klar. Allerdings kam Mursi nur knapp mit 52 % der Stimmen zu seinem Präsidentenamt, obwohl sein Gegner in der Stichwahl als Mubarak-Mann galt. Doch ist sein vorsichtiges Taktiren in der Anfangszeit jetzt entschlossenem Zugriff gewichen. Nun wird klar, dass diese Mehrheit ihre Ansichten ohne Rücksicht auf andere durchdrückt. Kompromisse und das Aushandeln eines Konsens hat diese Mehrheit nach ihrem Selbstverständnis nicht nötig. Wenn schon religiöse Autoritäten beratend für den Staat tätig werden sollen, wie offenbar geplant, driftet das Land mehr und mehr in die fundamentale Richtung.

Mögen wieder wie vor Jahresfrist Hunderttausende auf dem Tahrir-Platz ihre Plakate zeigen und jetzt gegen Musi demonstrieren, mögen es auf den Bildern auch wieder viele sein, so bleibt es doch eine enttäuschte Minderheit. Eine Demonstration der Mehrheit am gleichen Ort kann die wahren Kräfteverhältmisse zeigen.

Nun -wenn Ägypten den Weg zu einem staatsbestimmenden Islam geht, betrifft es nicht nur das bevölkerungsreichste Land Nordafrikas. Für alle Gleichgesinnten in anderen Ländern Nordafrikas und des vorderen Orients wird dies ermutigendes Beispiel sein. Es freut den Pessimisten wenig, diese Entwicklung schon vor einigen Monaten befürchtet zu haben.