Wien/Burgenland, 10.12.2012. Die Gestaltungsformen sind mannigfaltig,
die Bezeichnungen ebenfalls. Es geht aber fast immer um das Gleiche: in zahlreichen
öffentlichen Schulen österreichweit beginnt der Klassenalltag mit einem Morgengebet.
Ob streng liturgisch anmutend oder im freien Stil, Schulgebete außerhalb des
Religionsunterrichts sind verfassungsrechtlich nicht gedeckt. Und sie müssen
auch nicht hingenommen werden, wie unlängst ein Fall aus dem Burgenland veranschaulichte.
Zähneknirschend,
jedoch davon ausgehend, dass sie es als Zugereiste im Burgenland über sich ergehen
lassen müssen, duldeten jahrelang die Eltern eines Volksschulkindes das tägliche
Morgengebet, an dem alle Klassenkinder teilnehmen mussten. Als das Kind heuer
ins -ebenfalls öffentliche -Gymnasium wechselte, staunten die Eltern nicht
wenig: auch dort mussten die Kinder, wenn immer die erste Stunde auf den Deutschlehrer
fiel, sich erheben und ein Gebet aussprechen. Eine Reaktion konfessionsfreier
bzw. andersgläubiger Eltern in solchen Fällen lässt oft auf sich warten -zu
groß ist der soziale Druck, "nur keinen Wirbel zu machen" oder die Angst, das
eigene Kind möglichen Repressalien auszusetzen.
Doch nicht diesmal:
die Eltern wagten den Gang zur Schuldirektion. Die Antwort: "das Schulgebet
ist eine Tradition im Burgenland, man muss ja nicht teilnehmen". Entschlossen,
die Sache diesmal nicht auf sich beruhen zu lassen, beschwerten sich die Eltern
beim burgenländischen Landesschulrat. Dieser gab ihnen nun Recht und versprach,
das Thema landesweit zu regeln. Die vorläufige Bilanz: seit einer Woche ist
im betroffenen Gymnasium das Morgengebet Geschichte.
Morgendliche Schulgebete
haben in öffentlichen Schulen nichts verloren. Dies wurde nun im Burgenland
bestätigt, doch die österreichische Verfassung gilt bundessweit. Der Meldestelle
der "Initiative Religion ist Privatsache" liegen zahlreiche weitere Beschwerden
vor, die meisten aus Niederösterreich. Und gerade in diesem Bundesland dürfte
der Landesschulrat besonders träge sein bei der Behandlung von Beschwerden,
die das Recht auf eine weltanschaulich neutrale (öffentliche) Schule betreffen.
Ein spannendes Jahr 2013 dürfte in Sachen Schulgebet also bevorstehen.