Kath.net fordert Selbstzensur

Am 24. Dezember 2012 erschien im "Standard" dieser Cartoon:

Was wohl für säkulare Betrachter in erster Linie wie Konsumkritik ausschaut, vor lauter Besitzgier ist der säkular-materialistischen Welt im Vergleich zu aktuellen technischen Geräten sogar ein Erlöser ein zu minderes Gut.

Auf kath.net sorgte die Zeichnung für einen zornbebenden Artikel.
Allerdings erst am 4.1.2013. Weil ein guter kath.net-Christ wird ja nicht den säkularen "Standard" abonniert haben, den Grund für christliche Empörung findet man nicht im eigenen direkten Erleben, sondern gut eine Woche später - vielleicht beim Altpapier vom Nachbarn.

Man entrüstet sich einleitend, dass der Josef antisemitisch als habgieriger jüdischer Geschäftsmann dargestellt würde und der schwarze König rassistisch (Augen zu groß, Lippen zu dick) karikiert sei, die Hakennase des 1. Königs und die Schnofelnase des Dritten werden nicht beanstandet.
Hier aber die christliche Hauptpassage aus kath.net:
"Die Karikatur ist jedenfalls eine Verhöhnung der Heiligen Familie, des Weihnachtsfestes und der Heiligen Drei Könige, die viele Christen schmerzt. Dem Karikaturisten des "Standard" ist eine Beziehung zwischen einem gläubigen Christen und Gott wahrscheinlich völlig fremd. Er kann die Liebe, die Achtung, die Ehrfurcht vor Gott, der ein personales Gegenüber ist, wohl nicht nachvollziehen. Sonst würde er eine solche Zeichnung, die gläubige Christen zumindest kränkt, hoffentlich nicht veröffentlichen. In der Blattlinie bekennt sich der 'Standard' explizit zur 'Toleranz gegenüber allen ethnischen und religiösen Gemeinschaften'. Wie sich diese Karikatur damit vereinbaren lässt, ist schwer zu erklären."

Vielleicht ein Tipp dazu: strenggläubige Christen sollten den "Standard" nicht lesen, weil der wagt es infolge des unglückseligen Staatsgrundgesetzes von 1867, gegen das die katholische Kirche sich damals so mannhaft zur Wehr zu setzen getrachtet hatte, Meinungen frei zu äußern.

Freie Meinungsäußerungen können religiöse Gefühle verletzen und das ist etwas Unverzeihliches. Demokratische Gepflogenheiten mit Zensurrufen zu verletzen, das ist vermutlich ein gottgewolltes Recht. Während der Gegenreformation hätte es solche Cartoons jedenfalls nicht gegeben!

PS: Zur Toleranz: Der "Standard" hat nicht dazu aufgerufen, religiöse Äußerungen zu zensieren, der Cartoonist hat was cartoonisiert, das sogar durchaus auch katholisch verstanden werden könnte, siehe oben. Aber diese Möglichkeit der Interpretation überfordert wohl die strengkatholischen Redakteure von kath.net. Und außerdem: die freie Meinungsäußerung ist ein Menschenrecht - außer in Weißrussland und im Vatikan. Dort wurde die Menschenrechtscharta nämlich bisher noch nicht unterzeichnet.