Diese Frage stellte sich die "Initiative Religion ist Privatsache" und führte deshalb Beschwerde gegen die staatlich-rundfunkliche Verkündigung einer karfreitäglichen Jesus-Gedenkminute, siehe Info Nr. 805 und Nr. 871. Die rechtlich zuständige Behörde KommAustria entschied Jesus- und ORF-liebend für die staatliche Rundfunk-Gedenkminute (siehe Info Nr. 1020), auch in der Berufungsinstanz.
Darf der ORF als staatliche Einrichtung eine fromme Karfreitagsschweigeminute
selbst inszenieren, flächendeckend per Fernsehen und Radio ausstrahlen und dabei
ausdrücklich die eigene Anteilnahme am angeblichen Kreuztod Jesu Christi bekunden?
Entspricht das ORF-Gesetz der österreichischen Verfassung, wenn es ausschließlich
Kirchenräte in die höchsten Gremien des ORF hievt? Diese und weitere Fragen,
die das Verhältnis Staat/Kirche in Österreich betreffen, sind einer Beschwerde,
die die "Initiative Religion ist Privatsache" beim Verfassungsgerichtshof
eingebracht hat, zu entnehmen.
Dabei richtet sich die Beschwerde, so
Initiative-Vorstandsmitglied Eytan Reif, keineswegs allgemein gegen die Behandlung
religiöser Themen im Rahmen des ORF-Programms: "Religion spielt in der
österreichischen Gesellschaft eine wahrnehmbare Rolle und der ORF hat dieser
Tatsache auch Rechnung zu tragen. Mit der eigeninszenierten frommen Schweigeminute,
in deren Rahmen der ORF, als öffentlicher Rundfunk, zusätzlich seinen eigenen
Glauben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, bezog er aber eine weltanschauliche
Position. Aus der ‚Berichtserstattung' wurde eine ‚Predigt', aus der gesetzlich
angeordneten ‚angemessenen Berücksichtigung' eine verfassungswidrige ‚Förderung'
einer Religion. Die Grenze wurde in diesem Fall klar überschritten und zwar
bewusst: wir haben den ORF noch rechtzeitig vor Ostern vor dem Abhalten dieser
Schweigeminute gewarnt".
Bedenklich ist für die Initiative auch
der Umstand, dass das ORF-Gesetz einseitige pro-religiöse und insbesondere pro-christliche
Bestimmungen enthält. Auf diese berief sich auch der ORF als "Kirchenprivilegierungs-Zielparagraf"
im Rahmen seiner bisherigen Argumentation. Reif dazu: "Laut ORF-Gesetz
sind im ORF-Publikumsrat, der bei der Programmgestaltung mitwirkt, zwei Sitze
für Kirchenvertreter reserviert. Zusätzlich verfügt das Gesetz, dass auch im
ORF-Stiftungsrat, der als oberstes ORF-Gremium gilt und sogar den Generaldirektor
bestellt, ein Kirchenvertreter mitzumischen hat. Dass ORF-Gesetz muss dringend
an das 21. Jahrhundert angepasst werden und wenn der Gesetzgeber dazu nicht
imstande ist, bleibt in einer Demokratie nur noch der Gang zum Verfassungsgerichtshof
übrig".
Für Reif liefert die derzeitige Formulierung des ORF-Gesetzes
auch allgemein das beste Argument für "eine drastische Reduktion und zugleich
Professionalisierung der ORF-Gremien" da "Interessensvertretungen,
egal ob kirchlicher oder politischer Natur, in ORF-Gremien ohnehin nichts verloren
haben. Weder der ORF noch die GIS-Zahler benötigen eine gesetzlich angeordnete
Vormundschaft."
Das Team der Initiative Religion ist Privatsache
Hier die Beschwerde im Wortlaut.