Ist Religion ORF-Sache?

Oder Privatsache?

Diese Frage stellte sich die "Initiative Religion ist Privatsache" und führte deshalb Beschwerde gegen die staatlich-rundfunkliche Verkündigung einer karfreitäglichen Jesus-Gedenkminute, siehe Info Nr. 805 und Nr. 871. Die rechtlich zuständige Behörde KommAustria entschied Jesus- und ORF-liebend für die staatliche Rundfunk-Gedenkminute (siehe Info Nr. 1020), auch in der Berufungsinstanz.

Nun wird von der Initiative eine Verfassungsbeschwerde eingebracht,
hier die Pressaussendung vom 30.1.2013:

Darf der ORF als staatliche Einrichtung eine fromme Karfreitagsschweigeminute selbst inszenieren, flächendeckend per Fernsehen und Radio ausstrahlen und dabei ausdrücklich die eigene Anteilnahme am angeblichen Kreuztod Jesu Christi bekunden? Entspricht das ORF-Gesetz der österreichischen Verfassung, wenn es ausschließlich Kirchenräte in die höchsten Gremien des ORF hievt? Diese und weitere Fragen, die das Verhältnis Staat/Kirche in Österreich betreffen, sind einer Beschwerde, die die "Initiative Religion ist Privatsache" beim Verfassungsgerichtshof eingebracht hat, zu entnehmen.

Dabei richtet sich die Beschwerde, so Initiative-Vorstandsmitglied Eytan Reif, keineswegs allgemein gegen die Behandlung religiöser Themen im Rahmen des ORF-Programms: "Religion spielt in der österreichischen Gesellschaft eine wahrnehmbare Rolle und der ORF hat dieser Tatsache auch Rechnung zu tragen. Mit der eigeninszenierten frommen Schweigeminute, in deren Rahmen der ORF, als öffentlicher Rundfunk, zusätzlich seinen eigenen Glauben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, bezog er aber eine weltanschauliche Position. Aus der ‚Berichtserstattung' wurde eine ‚Predigt', aus der gesetzlich angeordneten ‚angemessenen Berücksichtigung' eine verfassungswidrige ‚Förderung' einer Religion. Die Grenze wurde in diesem Fall klar überschritten und zwar bewusst: wir haben den ORF noch rechtzeitig vor Ostern vor dem Abhalten dieser Schweigeminute gewarnt".

Bedenklich ist für die Initiative auch der Umstand, dass das ORF-Gesetz einseitige pro-religiöse und insbesondere pro-christliche Bestimmungen enthält. Auf diese berief sich auch der ORF als "Kirchenprivilegierungs-Zielparagraf" im Rahmen seiner bisherigen Argumentation. Reif dazu: "Laut ORF-Gesetz sind im ORF-Publikumsrat, der bei der Programmgestaltung mitwirkt, zwei Sitze für Kirchenvertreter reserviert. Zusätzlich verfügt das Gesetz, dass auch im ORF-Stiftungsrat, der als oberstes ORF-Gremium gilt und sogar den Generaldirektor bestellt, ein Kirchenvertreter mitzumischen hat. Dass ORF-Gesetz muss dringend an das 21. Jahrhundert angepasst werden und wenn der Gesetzgeber dazu nicht imstande ist, bleibt in einer Demokratie nur noch der Gang zum Verfassungsgerichtshof übrig".

Für Reif liefert die derzeitige Formulierung des ORF-Gesetzes auch allgemein das beste Argument für "eine drastische Reduktion und zugleich Professionalisierung der ORF-Gremien" da "Interessensvertretungen, egal ob kirchlicher oder politischer Natur, in ORF-Gremien ohnehin nichts verloren haben. Weder der ORF noch die GIS-Zahler benötigen eine gesetzlich angeordnete Vormundschaft."

Das Team der Initiative Religion ist Privatsache

Hier die Beschwerde im Wortlaut.