Am 8.2.2013 Freitag sind offene und detailliert
beschriebene Morddrohungen gegen den Oberstaatsanwalt aus Detmold und einen
Journalisten des Westfalen-Blatts im Internet aufgetaucht. Die Drohungen wurden
auf YouTube, in einem Kurzfilm, und in einem einschlägig bekannten
Hochzeitsportal veröffentlicht. Mittlerweile wurde das Video und der Eintrag im
Forum gesperrt. Die Ermittlungsbehörden wurden eingeschaltet, jedoch ist der
Urheber der Morddrohungen noch nicht bekannt. Allerdings bezeichnet sich der
Autor selbst als Jeside.
Bereits bei der Urteilsverkündung gegen die 5
Özmen-Geschwister vergangenen Jahres, ist auch unsere 1. Vorsitzende, Serap
Cileli, ins Visier aggressiver Manöver seitens diverser Mitglieder der Familie
Özmen und einiger weiterer Jesiden geraten.
Diese offenen Bedrohungen sind nicht nur ein Angriff auf die Meinungs- und
Pressefreiheit, sondern auch eine Attacke auf das deutsche Rechtssystem,
vertreten durch den Oberstaatsanwalt.
Für Peri e. V. ist das ein eindeutiges Zeichen,
dass an dieser Stelle die Zivilgesellschaft gefragt ist: Wenn tatsächlich im
Anschluss an die Urteilsverkündung gegen Fendi Özmen Jesiden eine
Solidaritätsdemonstration für den Verurteilten durchführen wollten (und es in
letzter Minute von den Anwälten der Familie ausgeredet bekamen); wenn im
Internet dazu aufgefordert wird, auf allen jesidischen Hochzeiten in naher
Zukunft Unterschriftenlisten auszulegen, auf denen die Freilassung Fendi Özmens
verlangt wird; wenn nur äußerst wenige Jesiden am Trauermarsch für Arzu Özmen
teilnahmen (und die wenigen jungen Jesiden, die es taten, dabei angaben, gegen
den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern zu handeln) -dann muss klar sein, dass
die Zeit des Wegsehens endgültig vorbei ist. Es bedarf einer gezielten, von
allen politischen und gesellschaftlichen Kräften getragene Kampagne, die in
Schulen und Familien zum Zwecke der Demokratisierung, Erziehung zur
Gleichberechtigung und Bekämpfung archaischer Wertevorstellungen hineinwirken
muss.
Wir nehmen hierbei auch Bezug zu der dreisten
Verunglimpfung des im Falle Fendi Özmen ergangenen Richterspruchs, den der Kommunikationstrainer Ferhat Akman in einem Interview in
völliger Verkennung der Realität ein "politisches Urteil” nennt und hierbei auch
noch angibt, die Meinung "vieler" wiederzugeben. Leider nicht zum ersten Mal
zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass patriarchal sozialisierte Personen in
einer perfiden Form der Täter-Opfer-Umkehr kaum oder gar kein Mitgefühl für die
ermordete Arzu Özmen aufbringen. Stattdessen werden die Täter als zu unrecht
Verfolgte oder, wie in einem Internetforum wiederholt dargelegt, gar als
"Helden” angesehen. Diese, ohne jedes Unrechtsbewusstsein zur Schau getragene
Tätermentalität in Verbindung mit der immer wieder zum Vorschein kommenden
Gewaltbereitschaft, besorgt uns als Menschenrechtsverein in höchstem Maße.
Auch die yezidische Journalistin Düzen Tekkal sieht in Fendi Özmen kein Monster,
sondern ein Opfer des Systems. Der Druck der Gemeinschaft habe ihn erst soweit
getrieben.
Das Ausmaß der grundgesetz- und
menschenrechtswidrigen Äußerungen und Handlungen macht uns, wie wir freimütig
eingestehen müssen, fassungslos. Die Relativierung eines kaltblütigen Mordes,
der u.a. von einem jesidischen Geistlichen als "Unfall" bezeichnet wird, zeigt
den Grad der geistigen und moralischen Verrohung. Sollte diese Ansicht aber in
der jesidischen Geistlichkeit keine Mehrheitsmeinung darstellen, dann fragen wir
uns, warum entsprechende Distanzierungen und Richtigstellungen ausgeblieben
sind. Abermals ist an dieser Stelle die jesidische Gemeinschaft gefragt, von der
bislang positive Impulse jeder Art völlig ausgeblieben sind.
Peri e.V. kritisiert die jüngst erschienenen
Morddrohungen, sowie das Schweigen auf jesidischer Seite aufs Schärfste. Doch
nicht nur diese Morddrohungen, sondern auch die im Internet und anderswo
öffentlich zum Ausdruck gebrachten Verunglimpfungen der verstorbenen Arzu Özmen,
sowie die öffentliche Billigung des Mordes, müssen strafrechtliche Konsequenzen
haben.
Peri e.V. wird durch eine Dokumentation von
Äußerungen und Ereignissen seinen Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit
weiterhin leisten. Mit den von den Morddrohungen Betroffenen erklären wir uns
solidarisch und rufen die Zivilgesellschaft dazu auf, sich von gewissenlosen
Tätern nicht einschüchtern zu lassen.