Kein protestantischer Papst

Die Evangelikalen-Site idea.de versuchte sich am 4.3.2013 christlich-statistisch. Unter der Überschrift "Ist Deutschland katholisch geworden?" vermeinte man ein Davonschmelzen der Protestanten und ein Stabilbleiben der Katholiken zu erkennen:

Aus dem idea.de-Artikel:
"1950 hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 42,2 Millionen Mitglieder, 2011 waren es noch 23,6 Millionen. Sank die EKD um 44,1%, schrumpfte die römisch-katholische Kirche nur um 0,8% auf 24,4 Millionen. Wer allerdings die Medien der letzten drei Wochen verfolgte, musste den Eindruck haben, Deutschland sei längst ganz katholisch geworden. Nie zuvor bestimmte der Rücktritt eines 85-Jährigen und dann noch eines Kirchenleiters so stark die Öffentlichkeit. Deutschlands Massenblatt "Bild" legte sogar an seinem letzten Tag im Amt (28. Februar) in Posterform die Ausgabe zu seinem Amtsbeginn bei: von "Wir sind Papst!" bis "Tränen zum Abschied". Auch Qualitätszeitungen überschlugen sich mit Artikeln. Der Evangelische Pressedienst (epd) präsentierte am 28. Februar 10 Seiten über das katholische Oberhaupt."

Soweit idea. Man sah sich also medial benachteiligt, weil es keinen protestantischen Papst gibt. Aber das kann kein Grund sein, völlig blödsinnige Zahlen anzugeben.
1950 hatten die Protestanten einen Anteil von 50,6 %, Einwohner hatte die damalige BRD samt Westberlin 50,3 Millionen, die DDR hatte knapp 18,4. Nun sind 50,6 % von 50,3 Millionen 25,5 und wenn man die DDR dazurechnet sind es 34,5 Millionen, 42,2 Millionen Protestanten gab es in Deutschland nie.

Seit 1960 hat sich die Entwicklung so vollzogen:
 

Die Katholiken haben in Deutschland die Protestanten 1980 überholt, 1990 waren die Evangelischen durch den DDR-Zuwachs wieder vorn und 2010 war das immer noch so. Was fehlt ist lediglich ein Papst, der zurücktritt und über den dann die Zeitungen was schreiben können. Es gibt zwar auch die Möglichkeit, dass die oberste Protestanten-Bischöfin zurücktritt - weil sie besoffen mit dem Auto fuhr (siehe Info Nr. 85) - aber das ist eher lustig und erbringt keine ausufernden medialen Ergüsse.

Und dieser Unterschied zwischen der mittelalterlich strukturierten und kostümierten katholischen Kirche und der in der heutigen Zivilwelt existierenden Protestanten macht auch den Austrittsunterschied aus: Aus der evangelischen Kirche tritt man einfach aus, aus der katholischen Kirche auszutreten, erfordert auch persönlichen Mut. Da allerdings in Deutschland der Kirchenaustritt ohnehin deutlich unter den vorbildlichen österreichischen Zahlen liegt, wird es noch ein bisschen dauern, bis es mehr Katholiken als Protestanten gibt. Sicher ist heute allerdings schon: es gibt mehr Konfessionslose als Katholiken oder Protestanten. Heute hat Deutschland fast 82 Millionen Einwohner, davon sind mehr als 30 Millionen religionslos. Das ist doch schön!