Schon wieder: die Liebe Gottes

Im "Standard" vom 9.3.2013 war ein Artikel von einem Josef Kirchengast zu lesen, der wohl treffender Weise diesen schönen Namen führt. Sein Artikel war übergetitelt mit "Die Herausforderungen der Kirche übersteigen die Kraft eines Einzelnen". Da die katholische Kirche wohl eine der letzten Bastionen von autokratischen Alleinherrschern ist, bleibt das ein katholisches Problem, über das sich die nichtkatholische Welt keine Sorgen zu machen braucht.

Aber wenn eine Qualitätszeitung glaubt, diesen Artikel bringen zu müssen, dann sind auch ein paar deutliche Anmerkungen anzubringen. Gleich einleitend kommt der treue Kirchengast mit dem alten katholischen Märchen, Papst Wojtyla habe "entscheidend zum Zusammenbruch des kommunistischen Machtsystems" beigetragen. Entscheidend beigetragen hat dazu das alte stalinistische System der Planwirtschaft, wo man davon ausging, alle notwendigen Bedürfnisse der Menschheit im Büro planen zu können. Aber das hat maximal in der UdSSR in der Phase der Industrialisierung geklappt, zu einer Wirtschaft, die auf Bedürfnisse und deren Veränderungen reagiert, hat man es dort nie gebracht und ist deswegen in Konkurs gegangen. Dazu hat man keinen Wojtyla benötigt, das schaffte man alleine.

Aber das nur nebenbei. Zum Zähnefletschen bringt einen Atheisten der folgende Abschnitt des Artikels:
"Und dann wäre da noch die Kirche; eine Kirche, die sich 'katholisch' nennt: 'das Ganze betreffend, allgemein'. Wer diesen Anspruch ernst meint, darf ihn nicht nur für die ganze Welt geltend machen wollen, sondern muss ihn auch auf den ganzen Menschen, mit all seinen Widersprüchen, anwenden. Das bedeutet nicht Preisgabe von Glaubensgrundsätzen (wovor der Theologe Ratzinger auch als Papst stets gewarnt hat); aber undogmatisches Zugehen auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich in der heutigen Welt immer verlorener vorkommen."
Wozu eine Zwischenbemerkung fällig ist: Dass sich eine wachsende Zahl von Menschen immer verlorener vorkommt, ist eines der katholischen Standardmärchen. Auch Schönborn schwadroniert ständig von den vielen Suchenden. Gleichzeitig strömen aber dem Schönborn die Schäfchen davon und neue so gut wie gar nicht zu.

Kirchengast weiter: "Hier liegt die große Aufgabe einer 'katholischen' Kirche und ihres Oberhauptes: globale moralische Autorität zu sein, ohne gleich den moralischen Zeigefinger zu erheben, wenn eigene Glaubensdogmen bedroht zu sein scheinen. Was die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens ist, hat Papst Ratzinger ja selbst 2005 in seiner weithin begrüßten Enzyklika Deus Caritas est formuliert, indem er aus dem ersten Johannesbrief zitierte: 'Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm.'
Diese Botschaft können auch Andersglaubende und Nichtgläubige annehmen.
Und sie ist umso glaubwürdiger, je mehr die Kirche sie in ihren eigenen Reihen praktiziert. Umso glaubwürdiger vor allem, je mehr die Kirche in Wort und Tat von ihrem überkommenden Frauenbild abrückt."

Soweit der Kirchengast. Das Hauptproblem der katholischen Kirche, nämlich den Anspruch ein Moralmonopol zu haben, weist er zurück. Das ist vernünftig. Aber dann wird's wirr. Den Satz "Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm" weist der katholische Mesner Kirchengast jetzt gleich allen Menschen zu! "Diese Botschaft können auch Andersglaubende und Nichtgläubige annehmen", meint er.

"Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm." Was an dieser religiösen zerebralen Masturbation soll einen Andersgläubigen oder einen Ungläubigen interessieren? Der Satz sagt höchstens einem religiösen Schwärmer was, wenn er Kopfweh hat.

Ungläubige lieben keine Götter. Ungläubige glauben auch nicht, dass sie anderen gegenüber ständig in "der Liebe bleiben" müssten.
Die katholische Kirche tut so, als wäre "Liebe" ein tatsächlicher Bestandteil in ihrem Alltag. Dann tritt ein Papst zurück und die Medien schreiben nicht, er sei zurückgetreten, weil dort alles voller Liebe wäre, sondern wegen der - sagen wir - lieblosen vatikanischen Verhältnisse. Befohlene Liebe ist absoluter Unsinn, zwischenmenschliche Verhältnisse entwickeln sich von unten nach oben und nicht nach Befehlen von oben.

Mir was es als Sechsjähriger ein bis heute verbliebener äußerst negativer Eindruck, als ich in der ersten Volksschulklasse aufgefordert wurde, ich müsste diesen Jesus von ganzen Herzen lieben. Meine innere Reaktion auf diesen Befehl war, dieser Jesus kann mich am Arsch lecken, ich lass mir keine Zuneigungen befehlen, sondern befinde selber darüber, wen ich mag und was ich nicht mag! Fast 60 Jahre später motiviert mich diese obrigkeitliche Anordnung aus dem Jahr 1953 immer noch, ich hätte irgendeine Art von Kim il Sung zu lieben, zu heftigstem Aufbegehren. Darum hat mich der depperte Satz, Ungläubige könnten diesen Johannesvers mit dem Gottesliebegeschwurbel "annehmen", zur Verfassung dieses Info veranlasst. Und wieder hab ich Lebenszeit in atheistischer Lieblosigkeit zum Katholizismus, seine Botschaften und Botschafter vertan.

Wenn einer schon Kirchengast heißt und dann mit solchen gotteslieblichen Predigten durch die Gegend zieht, dann soll er verschmelzen mit seinem lieben Gott, aber seinen Scheiß über irgendwelche Dinge, die Ungläubige annehmen könnten, nicht in Qualitätszeitungen verbreiten. Seine Liebe, die in ihm und in seinem Gott bleibt, kann er sich einpapierln und in den Arsch schieben, dann jucken die Hämorrhoiden weniger.

So, jetzt hab ich mich erleichtert, jetzt geht's mir wieder gut. Schließlich bin ich ein aggressiver Krawallatheist und das muss gelegentlich verdeutlicht werden.