Der neue päpstliche Franz erzählte dem Publikum die Geschichte, er wäre
von einem Bischofskollegen durch die Aufforderung, er solle als Papst nicht
auf die Armen vergessen, dazu animiert worden, sich den päpstlichen Künstlernamen
"Franziskus" zu erwählen. Bisher hat sich noch kein Papst nach
dem berühmten heiligen Franz von Assisi benannt, Bergoglio braucht daher nicht
einmal eine Nummer hinter dem Namen, das muss dann erst Franz der Zweite machen.
Der
Assisi-Franz war der Gründer eines Bettelordens und erfreute sich daran, ein
armes Leben zu führen. Was ja in den damaligen Zeiten keine große Kunst
war, den meisten Menschen ging's schlecht, freiwillig arm zu sein, war aber
trotzdem kein erstrebenswerter Zustand. Sich ständig hauptsächlich von Hirsebrei
zu ernähren, war kein schönes Leben, nach dem man sich gesehnt hatte. Franz
von Assisi war aus einem reichen Elternhaus desertiert und konnte sein Ego darauf
aufbauen, plötzlich arm und ein Held unter den unfreiwillig Armen zu sein. Gesellschaftlich
hat das nichts gebracht, die Armen wurden davon nicht reicher.
Der aktuelle
päpstliche Franz agiert wenig überraschend nicht befreiungstheologisch, sondern
redet so: "Barmherzigkeit verändert die Welt, macht sie gerechter und weniger
kalt". Dazu der berühmte Spruch über Barmherzigkeit und das Eintreten
für eine Welt, die Barmherzigkeit nicht mehr braucht: "Wenn ich den
Armen Essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich frage, warum sie
arm sind, nennen sie mich einen Kommunisten". Das hat der Befreiungstheologe
und bis 1985 Erzbischof von Olinda und Recife in Brasilien, Dom Helder Camara,
gesagt. Als er in Pension ging, wurde sein Posten von einem scharfen Gegner
solcher Sprüche und der Befreiungstheologie besetzt.
Denn es ist christlich,
barmherzig zu Armen zu sein, ihnen Almosen zu geben. Natürlich verwendet man
keine kirchlichen Gelder dafür, sondern motiviert die Kirchenmitglieder zum
Spenden.
Hier ein Screenshot aus einer TV-Diskussion vom 17.3.2013,
einer der Teilnehmer wurde mit einem Spruch vorgestellt, der sich auf den Assisi-Franz
bezieht:
Das
passt auch auf die erste Hälfte des obigen Zitats von Helder Camara: "Wenn ich den
Armen Essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen". Ende der Barmherzigkeit.
Aber es kommt sogar noch schlimmer: Armut, Demut und Verzicht werden auch
noch als "Ideale" vorgestellt! Das ist die typische christliche
Geisteswelt: die christlichen Parteien setzen sich in ihrer gelebten Praxis
für den Personenkreis
ein, der in der Bibel als "reicher Prasser" aufscheint, fallweise
plädieren sie für ein bisschen Almosen für den armen Lazarus aus derselben Geschichte,
der vor der Tür des reichen Prassers auf dem Boden liegt und auf Brosamen von
dessen Tisch wartet (Lukas 16, 19ff).
Gerechtigkeit gibt es in dieser
Bibelstelle natürlich auch erst nach dem Tode, ui, geht's dann dem reichen
Prasser
schlecht und dem armen Lazarus gut! Dieses Grundprinzip der christlichen Politik und
des christlichen Wertesystems verfestigt auch die Anschauung, dass irdische
Armut ein Ideal sei. Ein Ideal für eine möglichst breite Masse von Menschen.
Es darf deshalb keine Gesellschaft ohne riesige Einkommensunterschiede geben, keine Gesellschaft,
die den gesellschaftlichen Wohlstand nicht nur nach oben verteilt, keine Gesellschaft,
die das Wirtschaftswachstum nicht nur fürs Wachstum der Geldspeicher der Produktionsmittelbesitzer
verwendet, keine Gesellschaft, die auch den arbeitenden Menschen Reallohnerhöhungen
zubilligt. Aber Barmherzigkeit, die darf es geben. Brosamen für die ganz Armen und die Peitsche
für die ach so kostspieligen Arbeitskräfte. Das sind gelebte christliche Werte. Seit
ehedem und immerdar. Denn Armut, Verzicht und Demut sind christliche Ideale,
irdisches Wohlergehen ist eine Sünde - zumindest für die unteren Klassen.
Originalton vom Papst Franz: "Ich möchte eine
arme Kirche und eine Kirche für die Armen". Ähnliches hat schon sein
Vorgänger der jetzige Papst in Ruhe, Ratzinger gesagt. Auf seiner Deutschlandrundfahrt
2011 meinte er: "Um so mehr ist es wieder an der Zeit, die wahre Entweltlichung
zu finden, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen. Das heißt natürlich
nicht, sich aus der Welt zurückzuziehen, sondern das Gegenteil. Eine vom
Weltlichen entlastete Kirche vermag gerade auch im sozial-karitativen Bereich
den Menschen, den Leidenden wie ihren Helfern, die besondere Lebenskraft des
christlichen Glaubens zu vermitteln."
Was in der Praxis wohl
heißt, man gibt den Bettlern und stellt sich dazu in den Scheinwerfer der Barmherzigkeit,
um dadurch die religionsfernen Volksmassen religiös zu beeindrucken. Was anderes
wird der neue Papst auch nicht im Sinne haben. Die kirchlichen Schätze werden
kaum unter den Hammer wandern.
Karl Marx schrieb 1844:
"Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, dass der Mensch das
höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ,
alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes,
ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist."
Bis das Christentum
so einem Imperativ folgt, werden wir wohl noch ein Weilchen warten müssen. Derweilen wird
das christliche Wertesystem weiterhin sorgsam trennen zwischen steigenden Reichtümern
und Almosen für die Klasse der Erbarmungswürdigen. Wie schon zu Zeiten vom
Franz von Assisi.
PS: Um nicht ganz ungerecht zu sein: der österreichische
Caritas-Leiter Küberl setzte sich dieser Tage für eine Anhebung des österreichischen
Mindestlohns ein, Küberl ist vermutlich ein bisschen befreiungstheologisch angekränkelt.
Warum dieses Thema nicht der Österreichische Gewerkschaftsbund anspricht, erscheint
als Rätsel. Aber andererseits hat der ÖGB auch seit zwanzig Jahren keine Realnettolohnerhöhungen
mehr erreicht, obwohl dort die christliche Fraktion nicht die Mehrheit hat ...
hier
sieht man das christlich-neoliberale Wirken in Österreich und weil wir gerade
dabei sind, hier die noch ausführlichere Darstellung für Deutschland:
Das
ist christliche Gesellschaftspolitik! Die Nettoreallöhne gehörten jedoch noch
abgesenkt, damit die reichen Prasser bessere Gelegenheiten haben, Almosen zu
geben!