Eine Rückschau aus Deutschland zur Papstinthronisation
Die
Sakristei: Das ist der Nebenraum der Kirche in dem die Wandlungs-Gewänder hängen,
der Messwein gestapelt wird, die Hostien und die Kerzen aufbewahrt werden. Hier
wird die Messe vorbereitet. Ganz Deutschland wurde gerade zur Sakristei.
Gefühlte drei Wochen. Damals, als mit dem Ratzinger-Papst ein echter Deutscher
an die Spitze der heiligen Bewegung gelangte, gab es noch den Schein nationaler
Folklore: WIR SIND PAPST brüllte der deutsche Furor. Aber jetzt? Jetzt ist es
einer vom Rande der bekannten Welt. Oder kennt jemand außer Evita, der Begründerin
des gleichnamigen Musicals, irgendjemanden aus Argentinien? Donīt Cry for Me,
Argentina! Auch wenn in Argentinien Klaus Barbie, der Nazi-Schlächter von Lyon,
seine himmlische Ruhe fand. Wenn Adolf Eichmann, der banale Massenmörder, dort
sein Asyl bekam. Wenn SS-Generalleutnant Ludolf-Hermann von Alvensleben, ganz
gemütlich in Argentinien seinen Lebensabend verbrachte. Alles was an Nazis noch
rechtzeitig rauskam erhielt dort eine neue Heimat. Sie alle hatten über die
"Rattenlinie", das vatikanische Reisebüro für Nazi-Verbrecher, das
sinkende Dritte-Reichs-Schiff in Richtung Lateinamerika verlassen. Doch nun?
Der Papst hat keine roten Schuhe an, weil er so selig mit den Leuten kann. Liest
und hört man in den deutschen Medien. Jeden Tag.
"Wie er einen
Blindenhund segnete und was sein Taxifahrer erzählt", schreibt die
BILD-Zeitung, das hätten wir gern anders gelesen: Was hat ihm der Blindenhund
erzählt? Wegsehen ist eine Tugend? Oder: Ein blinder Hund trinkt selten Korn?
Ja dann, dann kann er den Taxifahrer solange segnen wie er will. Soll ja gesund
sein. "Seit dem 15. Jahrhundert tragen Päpste die rötlichen Schuhe. Die
rote Farbe, heißt es, soll an die Kreuzigung und das Blut Christi erinnern",
klärt uns Springers Blut & Hoden-Blatt auf. Nüchtern behauptet der schweizerische
BLICK: "Papst Franziskus hat große Füße: Die roten Schuhe sind dem Neuen
zu klein!" Bäh, er lebt auf großem Fuß? Wo bleibt da die in Deutschland
generalamtlich festgestellte Bescheidenheit? Die barfüßige Armut, die dem Argentinier
ständig unterstellt wird? Sie bleibt im Hals des West-Berliner TAGESSPIEGELS
stecken: "Ach, wie möchte ich eine arme Kirche!", soll der Neue
gesagt haben. Löst er die Vatikan-Bank auf? Verteilt er die päpstlichen
Juwelen unter den Seligen, den Armen, denen ja nach der Verheißung das Himmelreich
sicher ist? Versteigert er die Sixtinische Kapelle und erlöst mit dem Gewinn
die Zyprioten vom Merkelschen Übel? Amen, so sei es. Hallelujah, jubeln die
Ränge und die Südkurve skandiert: "Franz, Franz, noch einen Tanz - heute
gehen wir nicht heim, unser Franz das ist der Stein, Petrus, Petrus, eijeijeijei!
Wie
besoffen steht der deutsche Redakteur an seiner Choral-Orgel und dreht sich
eins. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU, völlig zu Recht zum Tode verurteilt, schnarrt
Preußisches: "Papst Franziskus meldet sich zum Dienst." Jawoll, und
das wagemutige NEUE DEUTSCHLAND weiß, woher auch immer, "dass die Kirche
nicht politisch, sondern im Kern spirituell sei." Ach ja, so wird es sein:
Der neue Papst wird die Atheisten lieben, die Banken verdammen und den Kern
seiner katholischen Unfehlbarkeit spirituell verflüssigen, Prost. Die ARD berichtet
vom Papst der "Armen und Barmherzigkeit". Dies Lied weiß auch die
SÜDDEUTSCHE zu singen, der STERN zu jubilieren und das DEUTSCHLANDRADIO zu senden.
Und der Beweis? ER IST ZU FUSS GEGANGEN. Denn ER hat das Papamobil verlassen
und hat am Wegesrand einen Behinderten geküsst. War da nicht der kranke, später
verstorbene Lazarus, der laut dem Johannes-Evangelium von Jesus aus dem Grab
geholt worden ist? - Der neue Franziskus kennt die Marketing-Schriften und alle
Paparazzi warten nur auf den Moment, an dem er mit den Vögeln redet.
Jetzt
zoomt die TAGESSCHAU auf die Hand des Papstes. Ein Ring wird sichtbar: "Franziskus
hat sich aber für ein schlichteres Modell entschieden als sein Vorgänger",
kommentiert der devote Journalist. Man ist per Du mit dem Neuen. Denn der ist
"Realistisch, ungewöhnlich offen und ziemlich revolutionär" Woher
weiß die ARD das? Vom gemeinsamen Molotow-Cocktail abfüllen? Von einer völlig
realistischen Drei-Tage-Beobachtung? Von einer ungewöhnlich offenen Recherche
ohne Sinn und Verstand? Nein, sie haben alle Weihrauch geschnüffelt, sie haben
Macht gewittert, sie haben sich am Konformitäts-Wein berauscht: Alle sind
für Franz, der ist so gut wie heilig und ihr kritischer Verstand so gut wie
tot. Die ganze Redaktion: Eine Sakristei.
Quelle: http://www.rationalgalerie.de/
vom 22.3.2013
Österreichische Anmerkung: Auch hier war die Hofberichterstattung
vorherrschend, die heilige Religion, der heilige Vatikan und seine neue Heiligkeit
der neue Herr Papst. Die albernste Schlagzeile dazu hatte Österreichs albernste
Tageszeitung, die dazu auch noch "Österreich" heißt: "Unser neuer
Papst - Er ist Papst der Herzen!"
Als die dunklen Punkte bezüglich
der argentinischen Militärdiktatur angesprochen wurden, war man auch sofort
bereit, jedes Dementi unhinterfragt zu glauben. Auch wenn sich Dementis auf
etwas bezogen, dass gar nicht vorgeworfen worden war. Zum Beispiel: ein Vorwurf
lautete, Bergoglio habe zwei Jesuiten nicht beschützt, das Dementi: Bergoglio
habe die beiden nicht angezeigt.
Aber es gab auch unterhaltsame Freundlichkeiten,
in den OÖNachrichten vom 23.3.2013 machte der berühmte Mostdipf eine treffende
Anmerkung zum österreichischen Eifer bei der päpstlichen Amtseinführung: