ergänzt 3.6.2013 - siehe unten!
Man trifft auf Leserbriefseiten manchmal sehr merkwürdige Personen. Dass
es heutzutage noch Leute gibt, die die Aufklärung verdammen, war allerdings
eine neue Erfahrung. Am 15.5.2013 war in den OÖNachrichten ein Leserbrief erschienen,
der die Entfernung des Christenkreuzes aus einer Wiener Schule, in der Christen
offenbar nur noch eine Minderheit waren, kritisierte. Ein am 18.5. erschienener
Antwortleserbrief von mir trat unter dem Titel "Kreuze für Kirchenverdienste?"
für den Ersatz von Kreuzen in den Schulen durch Bildergalerien von "Helden
der Aufklärung" ein (siehe Info Nr. 1437).
Was wiederum zu einem Leserbrief führte, der am 22.5. erschien und die Aufklärung
auf die Terror-Phase der französischen Revolution reduzierte und die Aufklärung mit
Robespierre, Saint-Just und Marat gleichsetzte:
Anmerkung:
Zum "Rachefeldzug im Departement Vendee", den Kunze erwähnt, muss
daraufhingewiesen werden, dass es sich um einen antirepublikanischen Aufstand,
also um Konterrevolution handelte, die allerdings im Laufe von rund zehn Jahren
mit großer Brutalität und sicherlich nicht nach heute geltendem Kriegsrecht
niedergeschlagen wurde, ein Religionskrieg gegen Katholiken, war es nicht. Bis 1802 nahm die dortige Bevölkerung um 117.000 Personen
ab, wieviel davon ums Leben kamen und wieviel woandershin geflüchtet waren,
war bis heute nicht endgültig klärbar. Siehe dazu Wikipedia
"Aufstand der Vendee".
Ich
versuchte klarerweise einen weiteren Antwortleserbrief auf diese Leserbriefantwort
unterzubringen:
Dem Herrn Dr. Kunze zur Auskunft: Mit "Helden der
Aufklärung" deren Bilder man statt der Kreuze in die Schulen hängen sollte,
meinte ich Persönlichkeiten wie Kant, Locke, Spinoza, Hume, Montesquieu, Voltaire,
Diderot, Rousseau, Mendessohn, Herder, Lessing und weiter bis Joseph II. Keiner
davon hat irgendwen umgebracht. Die heutigen Menschenrechte leiten sich
allerdings von einem Beschluss
der französische Nationalversammlung vom 26. August 1789 ab. Der katholische
Diktator Dollfuß meinte deshalb in seiner Rede am Katholikentag 1933, Österreich
müsse die letzten 150 Jahre der Geistesgeschichte rückabwickeln, weil Gott das
so wolle. Dollfuß' Diktatur erhielt deshalb höchstes päpstliches Lob. Mir sind
Kant und Joseph II. lieber als Dollfuß und die im Konkordat vereinbarten Schulzkreuze.
Mit freundlichen Grüßen, Erwin Peterseil, 4020 Linz.
Dass dieser Brief
wenig Chancen auf einen Abdruck hatte, war mir klar, da sich die Leserbriefredaktion
der OÖN kaum darauf einlassen würde, nun zwischen zwei Personen einen Meinungsaustausch
per Leserbrief abzuführen. Aber am 28. Mai 2013 erschien nun eine Antwort
auf den Kunze-Brief von dritter Seite:
Was die Ansicht des Dr. Kunze mit der Aufklärung, also mit Locke, Spinoza,
Voltaire, Kant usw. zu tun hätte, bleibt unklar. Und dass Robespierre und Saint-Just
für ihr Schreckensregime selber hingerichtet und Marat ermordet wurde, hat Herrn
Kunze als offensichtlicher Fan der Gegenreformation und der Feudalregime wohl
verdrängt. Die Aufklärung ist ihm auch 2013 ein Gräuelzeitalter, das er verdammen
möchte.
Sowas gibt's wirklich im 21. Jahrhundert noch, der Geist von
Dollfuß und der vaterländischen Front, die zurück ins Mittelalter wollten, ist
also noch nicht ausgestorben. Dollfuß sagte am Katholikentag 1933 am Ende
seiner Rede: Wenn ich nicht von dem tiefen Glauben durchdrungen wäre,
dass der Weg, den wir gehen, uns von oben als Pflicht vorgeschrieben ist, wenn
ich nicht von diesem Gedanken durchdrungen wäre, dass das neu erwachte Gefühl
der Heimatliebe wieder so stark ist, dass wir allen Widersachern widerstehen
können, so würde ich nicht die seelische Kraft fühlen, so zu Ihnen zu sprechen
und diesen Weg Ihnen voranzugehen. Ich bin überzeugt, dass es der Wille einer
höheren Macht ist, dass wir unser Heimatland Österreich mit seiner ruhmreichen
Geschichte, wenn auch heute in kleinerer Form, erhalten, ich bin überzeugt,
dass dieses Österreich in der Gestaltung des öffentliche Lebens beispielgebend
sein wird auch für andere Völker, dass wir in diesen Österreich auch dem gesamten
Deutschtum gegenüber einen großen, wertvollen Dienst zu erweisen und zu erfüllen
haben.
Und so stehe ich vor Euch mit der Bitte: Bleibt Euch des Ernstes unserer
Zeit bewusst, seid Euch dessen bewusst, dass wir die Aufgabe haben, die Fehler
der letzten 150 Jahre unserer Geistesgeschichte gutzumachen und auf neuen Wegen
unserer Heimat ein neues Haus zu bauen, und dass jeder einzelne die Pflicht
hat, an diesem Neubau mitzuarbeiten. Wir alle gehen auch heute wieder mit dem
Glauben von hier weg, einen höheren Auftrag zu erfüllen. Wie die Kreuzfahrer
von dem gleichen Glauben durchdrungen waren, so wie hier vor Wien ein Marco
d'Aviano gepredigt hat "Gott will es" so sehen auch wir mit starkem
Vertrauen in die Zukunft, in der Überzeugung: Gott will es!
Geblieben
sind von diesem Dollfuß-Geist: Kreuze in den Schulen und Leute, welche in Leserbriefen
die Aufklärung als Verbrechen zu verdammen versuchen.
Ergänzt am
3.Juni 2013:
Die Leserbrief-Diskussion ging weiter, auch am 3.6. stammte
der Brief von keinem Pfarrgemeinderat: