Wien
(OTS) - Als türkischstämmigen Österreicher bewegen mich wie viele die Ereignisse
in der Türkei emotional sehr stark. Mittlerweile fünf Tote und tausende Verletzte
sind zu beklagen, weil Premierminister Erdogan die weitgehend friedlichen Demonstrationen
gewaltsam aufgelöst hat.
Die Forderungen nach mehr Selbstbestimmung
und einem Ende der gewaltsamen Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der massiven
Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten durch den immer autoritärer werdenden
Führungsstil Erdogans finden meine volle politische Unterstützung. Dazu kamen
in den letzten Tagen Drohungen gegen meine Person.
In dieser für mich auch
persönlich emotional aufgeladenen Situation habe ich mich nach einer Demonstration
von Erdogan-Anhängern in Wien, die den autoritär-islamischen Führungsstil des
türkischen Premierminister unterstützten, dazu hinreißen lassen, das Bild "fünftausend
One-Way-Tickets" für diese Demonstranten zu verwenden.
Gerade weil ich
in meiner Arbeit als Sozialarbeiter jahrelang in der Flüchtlingshilfe gearbeitet
habe und mich in vielen Fällen persönlich gegen menschenrechtswidrige Praktiken
zur Wehr gesetzt habe, will ich noch eines klarstellen: Das von mir verwendete
Bild, dass UnterstützerInnen für Erdogan das Land verlassen sollten war eine
unglückliche, überspitzt getätigte Formulierung und eine Grenzverletzung. Die
Abschiebung von Andersdenkenden kann niemals Grüne Position sein. Ich bedaure
daher, dieses Bild verwendet zu haben und nehme es zurück. Es war nicht meine
Absicht zu vermitteln, dass Menschen des Landes zu verweisen wären. Vielmehr
geht es mir darum, dass konservative Gesellschaftsentwürfe eines politisierten
Islams, welchen unseren Grundwerten zuwiderlaufen, in Österreich keinen Platz
haben dürfen.
Mir ist die Durchsetzung von Grund- und Freiheitsrechten nicht
nur in Österreich, sondern auch in der Türkei ein besonderes politisches Anliegen.
Wer einen autoritär-islamischen Führungsstil unterstützt und diesen politisch
auch in Österreich salonfähig machen möchte, tritt in krassem Widerspruch zu
unseren demokratischen Grundwerten.
Sibel Kekilli spielte in dem deutsch-türksichen Drama von Fatih Akin "Gegen
die Wand" die Hauptrolle, in ihrer verzweifelten Suche nach Freiheit ging sie
Kompromisse ein, welche für alle Beteiligten, fatale Folgen hatte.
Dieser
Filmtitel ist auch für den türkischen Premier Erdogan zu treffend, mit dem parternalistisch-autoritären
Führungsstil steuert er einer Wand entgegen. Seine Redebeiträge wirken als hätte
er einem Teil der türkischen Bevölkerung den Krieg erklärt, all jenen die mit
seinem konservativen, islamisch geprägten Weltbild wenig bis nichts anfangen
können.
Die AKP setzt die neoliberale Politik von Premierminister Turgut
Özal aus den 1980 Jahren fort, welche nach der Wirtschaftskrise 1994 die Anpassungsprogramme
des IWF und mit den Beitrittsverhandlungen zur EU eine Etablierung einer islamisch-konservativen
Mittelschicht erreicht hatte.
Der schwächer werdenden republikanisch-säkularen
Elite steht nun eine immer stärker werdende islamisch-konservative Mittelschicht
gegenüber. Beide mit unterschiedlichen Lebensstilen und Werthaltungen. Diese
und weitere Faktoren, wie die große Schere zwischen Arm und Reich, Flucht der
ärmeren ländlichen Bevölkerung in die Städte, einer Liberalisierung und Privatisierung
weiter Sektoren beschleunigen, dass weite Teile der Bevölkerung noch mehr unter
Druck geraten.
Zusätzlich wird die politische Agenda den Islam als Religion
auch als gesellschaftspolitisches Konstrukt voranzutreiben massiv forciert.
Was die säkular eingestellte Jugend, Arbeiter, Linke, Kurden sowie religiöse
Minderheiten, wie etwa die Aleviten oder Ethnien, wie die Armenier, noch mehr
unter Druck setzt.
Für Erdogan steht mehr auf dem Spiel. Die Türkei wurde
und wird, als ein Musterbeispiel für "Vereinbarkeit von Demokratie und Islam",
von den westlichen Ländern und auch im arabischen Raum, prolongiert. Der türkische
Premier lässt keine Zeichen erkennen, dass er vor der nahenden Mauer zu der
er sich mit großer Geschwindigkeit nähert, halt machen wird. Das Musterbeispiel
Türkei, als "Vereinbarkeit von Demokratie und Islam" droht an der Wand, auf
die sich Erdogan zu bewegt, zu zerschellen. Dies wird über die eigenen Ländergrenzen
hinaus politische und religiöse Auswirkungen haben, mehr noch als eine verlorene
und niedergeschlagene junge Generation in der Türkei.
PS: Zum Abschluss
ein Bild aus der ZiB2 vom 11.6.2013:
Durch
solche Bilder kann man sich vorstellen, dass auch ein grüner Politiker seine
Nächstenliebe gegenüber den Bejublern solcher Vorgangsweisen etwas zurücknehmen
könnte.
PPS: Zum verunglückten Sager von Dönmez haben sogleich Kohorten
von Landes- und Bundesgrünen Kriegstänze angestimmt und seine politische
Enthauptung gefordert, die seidene Schnur wurde ihm bereitgelegt, falls
er nicht öffentlich Busse tut. Zum Strache-Sager, jeder, der keine Schulkreuze
wolle, solle Österreich verlassen (siehe die Infos Nr. 1472
und 1479), hat jedoch grünseitig noch niemand die Pappen
aufgebracht ...