Schulmessen sind keine Schulveranstaltungen

Das ist in manchen Gegenden Österreichs immer noch unbekannt, dort regiert noch der heilige Geist der Dollfuß- und Schuschniggzeit, dort setzen Schulen den Beginn des Schuljahres so an: Um z.B. 7h30 haben sich die Schülerinnen und Schüler in der Schule einzufinden, dann marschieren die Klassen unter dem Kommando der Klassenlehrer oder Klassenvorstände zur Schulmesse in die Kirche, danach wird zurückmarschiert und nun beginnt die Schule wirklich. Kinder mit der falschen oder ohne Religion müssen zwischenzeitlich unbeaufsichtigt in der Schule herumsitzen oder ihre Eltern dürfen selber auf sie aufpassen. Besonders im heiligen Niederösterreich ist dieser Geist des Klerikalfaschismus, der die Schule der Kirche unterordnet, immer noch verbreitet.

Dabei ist der schulische Kirchbesuch staatlich eigentlich klar geregelt: Schulmessen sind keine Schulveranstaltungen, daran müssen weder Lehrkräfte noch Schüler teilnehmen, Lehrkräfte haben keinerlei Verpflichtung, die kirchgehenden Schüler zu beaufsichtigen, das ist z.B. auch einem Merkblatt über schulische Veranstaltungen des Unterrichtsministeriums zu entnehmen, dort heißt es auf Seite 5: "Während beispielsweise die Besichtigung einer Kirche als Schulveranstaltung zählt, sind Schülergottesdienste sowie andere religiöse Übungen und Veranstaltungen keine Schulveranstaltungen, die Teilnahme daran ist den Lehrpersonen ebenso wie den Schülern und Schülerinnen daher freigestellt (vgl. RelUG § 2 a)".

Siehe dazu auch "Religiöse Übungen und Veranstaltungen in der Schule".
PS: Zum Schulbeginn interessant: Abmeldung vom Religionsunterricht!

Die Initiative Religion ist Privatsache hat im Einvernehmen mit der Aktion Kritische SchülerInnen (AKS) am 1.9.2013 folgende Presseaussendung versandt:

Der Schuleröffnungs-Gottesdienst: Ausgrenzung und Unterdrückung mit staatlicher Unterstützung

Am 2.9. in Wien, Burgenland und Niederösterreich, eine Woche danach im Rest Österreichs: das neue Schuljahr beginnt. Erst richtig ERÖFFNET werden wird es jedoch vielerorts erst im Rahmen eines Eröffnungsgottesdienstes. Alljährlich füllen sich Kirchen trotz Gläubigerschwund, Austritten und Pfarrzusammenlegungen. Der öffentlichen Schule und einer mangelnden Gesetzgebung sei Dank.

Harmlos ist die heutzutage noch weitverbreitete Tradition keineswegs. Gesetzliche und soziale Faktoren sorgen gemeinsam dafür, dass, trotz theoretischer Abmeldungsmöglichkeit, anders- oder nichtgläubige Eltern unmittelbar nach Schulbeginn de facto gezwungen werden, am Gottesdienst mit ihren Kindern teilzunehmen. Denn niemand will ausgegrenzt werden und schon gar nicht sein Kind der Ausgrenzung aussetzen. Verschärft wird die Lage durch einen mangelhaften gesetzlichen Rahmen: Aufgrund der sachlich nicht begründbaren Ausnahme des Schulgottesdienstes von dem Anwendungsbereich der Schulveranstaltungsverordnung (SchVV) ist eine Schule nicht verpflichtet Kinder, die am Eröffnungsgottesdienst nicht teilnehmen, zu betreuen. Folglich werden Eltern gemäß §9 des Schulpflichtgesetzes gezwungen, ihre Kinder pünktlich VOR dem Gottesdienst in die Schule zu bringen nur um sich anschließend der Mehrheit zu fügen oder, als Outsider, in der leeren Schule das Ende des Gottesdienstes abzuwarten.

Aufgrund der gravierenden weltanschaulichen Diskriminierung, die mit dem Eröffnungsgottesdienst überwiegend in ländlichen öffentlichen Schulen oft einhergeht, fordern die "Initiative Religion ist Privatsache" und die SPÖ-nahe Schülervertretung "Aktion Kritischer Schüler_innen" (AKS) eine sofortige und lückenlose gesetzliche Regelung zum Schutz aller Eltern und Kinder und zur Wahrung ihrer Rechte. Für Initiative-Sprecher Eytan Reif haben Gottesdienste "in einer öffentlichen Schule während der regulären Schulzeit ohnehin nichts verloren und erst recht nicht, wenn sie dazu geeignet sind, nicht- bzw. andersgläubige Eltern oder Kinder zu verstören". Eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Eröffnungsgottesdienst ist für Reif zudem "nur eine Frage der Zeit". Laut Reif liegen der Meldestelle der "Initiative Religion ist Privatsache" bereits Beschwerden vor, die den "aufdringlichen Charakter des Schulgottesdienstes" in öffentlichen Schulen zum Gegenstand haben. Für AKS-Bundesvorsitzende Claudia Satler darf zudem die öffentliche Schule "nicht zum Ort der weltanschaulichen Ausgrenzung werden und religiöse Übungen, die die gesamte Schule umfassen, haben ausnahmslos vor oder nach der regulären Schulzeit stattzufinden".

Unterstützung erhält die Forderung nach einer Lösung des Schulgottesdienst-Problems seitens der Grünen Verfassungs- und Familiensprecherin NR Daniela Musiol. "Es gibt aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund, warum der Schulgottesdienst nicht einfach vor dem offiziellen Schulbeginn stattfinden sollte", meint Musiol. "Damit wäre ein Schritt zur tatsächlichen Trennung von Kirche und Staat getan."

Margit Lemerhofer, die das Wiener GRG 15 "Auf der Schmelz" 22 Jahre geleitet hat, ortet "keinen nachvollziehbaren Grund, in öffentlichen Schulen Bildung und Religiosität künstlich zu vermengen". Lemerhofer hob hervor, dass während ihrer Amtszeit die Eröffnungsgottesdienste (wie an den meisten Wiener Gymnasien) stets vor Schulbeginn/Unterrichtsbeginn abgehalten wurden. Lemerhofer: " so konnte sowohl das Recht der einen auf freie Religionsausübung als auch das Recht der anderen, frei von Religion zu leben, bestens gewährleistet werden". DI Neslihan Turan-Berger, Stadtplanerin, Integrationsexpertin und Elternvereins-Vorstandsmitglied, hat ebenfalls kein Verständnis für einen Schulgottesdienst während der regulären Schulzeiten: "Die österreichische Verfassung gewährt jedem das Recht, sein Leben frei nach seiner Weltanschauung zu gestalten und an religiösen Übungen teilzunehmen. Es besteht daher kein Grund, Gottesdienste während der Schulzeit abzuhalten. Die Schulpflicht gibt es, um Kinder in den Genuss von Bildung zu bringen und nicht um diese, dank eines oft nicht zu unterschätzenden sozialen Drucks, in den Gottesdienst zu zerren. Ein neutralerer Umgang der öffentlichen Schule mit Traditionen und Weltanschauungen ist angesagt. In der Privatsphäre bestehen ohnehin genügend Möglichkeiten, unterschiedliche Traditionen auszuleben".