Frag-würdige Heiligsprechung

Leider erst mit Verspätung am 3.10. entdeckt, diese Presseaussendung von Hans Peter Hurka für "Wir sind Kirche" stammt vom 30.09.2013 und fand kaum Medienecho - sie enthält manches, dem man als Nichtgläubiger schwerlich zustimmen kann, aber interessant ist diese Meinungsäußerung allemal:

Die beabsichtigte - gleichzeitige - Heiligsprechung der beiden Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. sieht "Wir sind Kirche" als einen Versuch von Franziskus, zwei sehr unterschiedliche Flügel innerhalb der römisch-katholischen Kirche miteinander versöhnen zu wollen. Das Problem aber ist, dass die offizielle Heiligsprechung immer mehr an Bedeutung verliert.
Der 1963 verstorbene Papst Johannes XXIII., wird von vielen schon jetzt wie ein Heiliger verehrt. Er hat mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren das Tor zur Erneuerung der römisch-katholischen Kirche aufgestoßen. Die Kirche müsse sich den Menschen und der Welt zuwenden und die Verkündigung der Heilsbotschaft Jesu aktualisieren ("verheutigen"), war sein Auftrag an die Konzilsväter. Diesen Weg scheint der gestern vor genau 200 Tagen ins Amt gewählte Papst Franziskus weiter führen zu wollen.
Die Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. dagegen wird -bei allem Respekt vor seiner Persönlichkeit und Frömmigkeit -von vielen Gläubigen für äußerst problematisch gehalten. Sicher verdient er Anerkennung im Hinblick auf die Befreiung vom Kommunismus sowjetischer Prägung, auf die Demokratisierung seines Heimatlandes Polen, auf seine anhaltenden Bemühungen um den Weltfrieden sowie auf seine besonderen Beziehungen zu den Juden und das gemeinsame Gebet verschiedener Religionen in Assisi.
Die Tragik von Johannes Paul II. liegt in der großen Diskrepanz zwischen seinem Einsatz für Reformen und Dialog in der Welt und dem unter seiner Verantwortung vollzogenen innerkirchlichen Rückfall in autoritäre, zentralistische Strukturen. Obwohl selber noch Konzilsteilnehmer, hat Johannes Paul II. viele Fenster und Türen in der Kirche geschlossen, die im Zweiten Vatikanischen Konzil so vielversprechend geöffnet worden waren. So hat er u.a. 1994 in dem Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" das Verbot der Weihe von Frauen in die Nähe der Unfehlbarkeit gerückt und jede Diskussion darüber untersagt.
In seinem Pontifikat wurden die innerkirchliche Dialogbereitschaft unterdrückt und zeitgemäße am Konzil orientierte Theologien bekämpft. Vertreter der Befreiungstheologie und andere aufgeschlossene Theologinnen und Theologen ließ er verfolgen, maßregeln oder sie bekamen wie Hans Küng oder Leonardo Boff Lehrverbot. Im damaligen Präfekten der Glaubenskongregation Kardinal Joseph Ratzinger, dem nachfolgenden Papst Benedikt XVI., hatte Karol Wojtyla einen willfährigen Vollstrecker. Ratzinger und einer finanzkräftigen, konservativen Lobby ist auch die rasche Heiligsprechung Wojtylas zu verdanken.
Das in den letzten beiden Pontifikaten entstandene innerklirchliche Klima lähmender Angst und theologischer Erstarrung muss jetzt mühsam vom neuen Bischof von Rom überwunden werden.
Für zahlreiche moderne Gläubigen ist die formale Heiligsprechung durch den Vatikan kein Anliegen mehr. Das Leben bedeutender Vorbilder wie etwa Mutter Teresa, Franz und Franziska Jägerstätter oder Maximilian Kolbe spricht für sich und bedarf keiner zusätzlichen Wunder. Maßgebend für die Entscheidung, ob ein Mensch heiliggesprochen wird, sollte nicht das mittelalterliche Kriterium eines "Wunders" sein, sondern eine Evaluation seiner Persönlichkeit, seiner Lebensführung und seiner Aktivitäten. Wunder, wie die Heilung von Krampfadern einer Klosterschwester für die Heiligsprechung von Kaiser Karl, lassen die kurialen Vorgänge eher lächerlich erscheinen, als ihnen den Nimbus einer "Bestätigung Gottes" zu verleihen.
Für den Vorstand der Plattform "Wir sind Kirche": Hans Peter Hurka und Mag. Gotlind Hammerer