Die beabsichtigte - gleichzeitige - Heiligsprechung der beiden
Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. sieht "Wir sind Kirche" als einen
Versuch von Franziskus, zwei sehr unterschiedliche Flügel innerhalb der römisch-katholischen
Kirche miteinander versöhnen zu wollen. Das Problem aber ist, dass die offizielle
Heiligsprechung immer mehr an Bedeutung verliert.
Der 1963 verstorbene Papst Johannes XXIII., wird von vielen schon jetzt wie
ein Heiliger verehrt. Er hat mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils
vor 50 Jahren das Tor zur Erneuerung der römisch-katholischen Kirche aufgestoßen.
Die Kirche müsse sich den Menschen und der Welt zuwenden und die Verkündigung
der Heilsbotschaft Jesu aktualisieren ("verheutigen"), war sein Auftrag an die
Konzilsväter. Diesen Weg scheint der gestern vor genau 200 Tagen ins Amt gewählte
Papst Franziskus weiter führen zu wollen.
Die Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. dagegen wird -bei allem
Respekt vor seiner Persönlichkeit und Frömmigkeit -von vielen Gläubigen für
äußerst problematisch gehalten. Sicher verdient er Anerkennung im Hinblick auf
die Befreiung vom Kommunismus sowjetischer Prägung, auf die Demokratisierung
seines Heimatlandes Polen, auf seine anhaltenden Bemühungen um den Weltfrieden
sowie auf seine besonderen Beziehungen zu den Juden und das gemeinsame Gebet
verschiedener Religionen in Assisi.
Die Tragik von Johannes Paul II. liegt in der großen Diskrepanz zwischen
seinem Einsatz für Reformen und Dialog in der Welt und dem unter seiner Verantwortung
vollzogenen innerkirchlichen Rückfall in autoritäre, zentralistische Strukturen.
Obwohl selber noch Konzilsteilnehmer, hat Johannes Paul II. viele Fenster und
Türen in der Kirche geschlossen, die im Zweiten Vatikanischen Konzil so vielversprechend
geöffnet worden waren. So hat er u.a. 1994 in dem Schreiben "Ordinatio sacerdotalis"
das Verbot der Weihe von Frauen in die Nähe der Unfehlbarkeit gerückt und jede
Diskussion darüber untersagt.
In seinem Pontifikat wurden die innerkirchliche Dialogbereitschaft unterdrückt
und zeitgemäße am Konzil orientierte Theologien bekämpft. Vertreter der Befreiungstheologie
und andere aufgeschlossene Theologinnen und Theologen ließ er verfolgen, maßregeln
oder sie bekamen wie Hans Küng oder Leonardo Boff Lehrverbot. Im damaligen Präfekten
der Glaubenskongregation Kardinal Joseph Ratzinger, dem nachfolgenden Papst
Benedikt XVI., hatte Karol Wojtyla einen willfährigen Vollstrecker. Ratzinger
und einer finanzkräftigen, konservativen Lobby ist auch die rasche Heiligsprechung
Wojtylas zu verdanken.
Das in den letzten beiden Pontifikaten entstandene innerklirchliche Klima
lähmender Angst und theologischer Erstarrung muss jetzt mühsam vom neuen Bischof
von Rom überwunden werden.
Für zahlreiche moderne Gläubigen ist die formale Heiligsprechung durch den
Vatikan kein Anliegen mehr. Das Leben bedeutender Vorbilder wie etwa Mutter
Teresa, Franz und Franziska Jägerstätter oder Maximilian Kolbe spricht für sich
und bedarf keiner zusätzlichen Wunder. Maßgebend für die Entscheidung, ob ein
Mensch heiliggesprochen wird, sollte nicht das mittelalterliche Kriterium eines
"Wunders" sein, sondern eine Evaluation seiner Persönlichkeit, seiner
Lebensführung und seiner Aktivitäten. Wunder, wie die Heilung von Krampfadern
einer Klosterschwester für die Heiligsprechung von Kaiser Karl, lassen die kurialen
Vorgänge eher lächerlich erscheinen, als ihnen den Nimbus einer "Bestätigung
Gottes" zu verleihen.
Für den Vorstand der Plattform "Wir sind Kirche": Hans Peter Hurka und Mag.
Gotlind Hammerer