Stuttgart (ots) - Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) distanziert sich vom Leitbild einer armen Kirche, das Papst Franziskus
propagiert. "Wir müssen als Kirche nicht verarmen, um an der Seite
der Armen zu stehen", sagte Nikolaus Schneider im Interview mit der Stuttgarter
Zeitung (Mittwochausgabe). Die Frage, auf Besitz zu verzichten, stehe für die
EKD derzeit nicht an. "Wir horten keine Schätze, sondern wir setzen das
uns anvertraute Geld ein: für die Verkündigung, für die Bildung, für die Diakonie,
für die weltweite Ökumene."
Der 66-Jährige beklagte zudem Unfairness
in der Debatte über die Kirchenfinanzen. Der Fall des Limburger Bischofs sei
genutzt worden, um dieses ganz andere Thema aufzugreifen. Schneider zeigte sich
besonders aufgebracht über die Forderung, die Leistungen des Staates an die
Kirche zu beenden: "Die Kirchen sind einmal enteignet worden. Wenn jetzt
diese Staatsleistungen einfach gestrichen würden, würden die Kirchen ein zweites
Mal enteignet", sagte Schneider. Nach einer aktuellen Übersicht der EKD
belaufen sich die Ausgaben der Evangelischen Kirche jährlich auf rund zehn Milliarden
Euro. Rund die Hälfte davon wird durch die Kirchensteuer erbracht.
In Deutschland wird seit einiger Zeit darüber debattiert, ob nicht endlich
Schluss damit sein müsse, den Kirchen jedes Jahr hunderte Millionen Euro dafür
zu zahlen, weil vor rund 200 Jahren einige kirchliche Besitztümer enteignet
und anderen Feudalherrn übergeben wurden. Um das Geld, das seither bezahlt
wurde, hätte der Staat sicherlich diese enteigneten Besitztümer schon dutzende
Male kaufen können, außerdem waren die damals vereinbarten Entschädigungen nur
für die Lebensdauer der enteigneten Kirchenfürsten vorgesehen gewesen, siehe
dazu Info Nr. 1646.
Aber der Herr Ratsvorsitzende
wähnt sich offenbar in einem ewigen Kirchenfeudalismus. Alleine der EKD-Grundbesitz
wird auf mindestens 432.000 Hektar geschätzt, das andere Vermögen der EKD dürfte
im Bereich von um die 200 Milliarden Euro liegen. Alles keine Schätze, nur ein
bisschen Kleingeld für den Kirchenbetrieb? In den o.a. zehn Milliarden sind die Ausgaben
und Einnahmen der Diakonie (Krankenhäuser, Altenheime etc.) nicht enthalten,
weil das wird ja zur Gänze aus öffentlichen Mitteln und Nutzerbeiträgen finanziert.
Hier
zu den 10 Milliarden ein Blick in die offizielle EKD-Statistik für 2013 :
Kirchensteuer:
4,770.000.000
Spenden: 310.000.000
Nutzerentgelte: 1,260.000.000
Vermögenseinnahmen:
750.000.000
Fördermittel und Zuschüsse von Dritten: 2,000.000.000
Staatsleistungen:
260.000.000
Darlehen und Rücklagen: 580.000.000
Bei den Ausgaben
findet sich kein einziger Punkt, der auch nur entfernt darauf hindeuten würde,
die EKD würde irgendwas für Bedürftige auslassen.
Die Liste der Ausgabenpunkte:
Pfarrdienst und Religionsunterricht / Allgemeine Gemeindearbeit und übergemeindliche
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen / Besondere kirchliche Dienste / Kindertagesstätten
/ Gemeindediakonische Arbeiten / Friedhofswesen / Ökumene und Weltmission /
Öffentlichkeitsarbeit / Bildungswesen und Wissenschaft / Leitung und Verwaltung
/ Substanzerhaltungsrücklagen, Darlehen, Vermögensverwaltung / Unterhaltung
und Pflege der Gebäude / Kosten der Kirchensteuerverwaltung / Versorgung / Sonstige
Ausgaben (u.a. Zins und Tilgung, Rücklagen)
Man tut also gar nichts
im Kirchenbudget finanziell Erkennbares für Bedürftige und jammert, weil es
im Gespräch ist, dass die christlichen Kirchen was für Bedürftige tun sollten?
Früher
zurzeit des Feudalismus und des Zehent hatte es in der katholischen Kirche das
Prinzip gegeben: von den diözesanen Einnahmen ging ein Drittel für den
Bischof und seinen Hofstaat auf, ein Drittel für die Pfarrer und
ein Drittel für die Armen, Witwen und Waisen. Da es ja damals keinerlei
staatliches Sozialwesen gab, musste die Kirche sozusagen eine Mindestsicherung
auf erbärmlichsten Niveau bieten. Was der Bischof für sich und seine Residenz
verprassen konnte, war gleich viel wie die elenden Almosen für die viele Köpfe
zählende unterste Gesellschaftsschicht.
Heute wird dieser Bevölkerungsteil
vom Sozialstaat vergleichsweise zu den christlichen Zeiten geradezu himmlisch
versorgt, die deutschen Protestanten brauchen daher aus ihren Schätzen nichts
mehr dafür aufwenden. Aber sie schreien schon Feuer, wenn auch nur die Rede
davon ist. Und Papst Franz redet derweilen ja auch nur von Almosen, Kirchenschätze
zu verkaufen, hat auch er nicht vor ...