Jahresrückblick 2013 der Initiative Religion ist Privatsache

"Ein Gelehrter, der nicht mehr schreiben und lesen kann? Was dann?" 
Hans Küng, Theologe und Kirchenkritiker

Liebe Freundinnen und Freunde,
diesen Jahresrückblick beginnen wir, wörtlich sowie symbolisch, am Ende und zwar mit einem Zitat Hans Küngs. Es reicht eigentlich, über die vom Schweizer Theologen abschließend gestellte zweisilbige Frage zu reflektieren. Dank einem unheiligen Schulterschluss zwischen einer politisch interventionsfreudigen Kirche und einer alt-neuen diskursscheuen Regierung, soll uns künftig jedoch solch ein Denkprozess -geschweige denn die Entscheidungsfreiheit -verwehrt werden. Mit dem schwammigen Killerargument "Menschenwürde" soll jegliche Form der Sterbehilfe nun auch auf Verfassungsebene verboten werden. Ganz nebenbei -doch darüber redet derzeit noch keiner -soll freilich auch die Fristenlösung infrage gestellt werden: das wäre nur konsequent. Klingt verschwörerisch? Vielleicht. In Spanien ist aber gerade das erst im Jahr 2010 erkämpfte Recht auf Schwangerschaftsunterbrechung dem "Würdeargument" zum Opfer gefallen. Das neue Regierungsprogramm veranschaulicht recht eindrucksvoll, dass auch hierzulande Kirchen-Lobbyismus ein politikbestimmender Faktor ist. Das Thema Sterbehilfe wird daher im Jahr 2014 mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit hoch auf der politischen Tagesordnung stehen und wir werden nach Kräften versuchen, das Recht auf Selbstbestimmung zu verteidigen.

Doch alles der Reihe nach.

Mit der Veröffentlichung eines prominent unterstützten Positionspapiers zum Ethik- und Religionenunterricht im April dieses Jahres, konnte die Initiative Religion ist Privatsache eine Gegenthese zum Kirchen- und ÖVP-Modell etablieren und die Forderung "Ethik für ALLE!" medienwirksam unterstützen. Die Gefahr der bundesweiten Einführung des verfassungsrechtlich bedenklichen Entweder-oder-Modells ist zwar noch nicht gebannt, bestehende Haarrisse im pro-religiösen Konstrukt "Ethik als Strafunterricht" konnten aber erweitert und vertieft werden. Kein Grund zur Freude liefert jedoch die Tatsache, dass das Thema Ethikunterricht im neuen Regierungsprogramm gänzlich fehlt: der gesetzlich verankerte Auftrag der Schule, Werteerziehung zu vermitteln, wird somit noch länger flächendeckend missachtet werden -zum Leidwesen der Rechtsstaatlichkeit in Österreich. Es gab aber auch weitere schulbezogene Themen, die uns heuer beschäftigten. Erneut flammte die Kreuzdebatte auf, nachdem in einer Wiener Volksschule, einem Elternprotest zufolge, Schulkreuze abgehängt und anschließend (und ohne gesetzliche Deckung) wieder angebracht  wurden. In ihrem Kampf, einerseits für mehr Rechtsstaatlichkeit und anderseits für weniger religiöse Bevormundung, erhalten die couragierten Eltern seitens der Initiative Religion ist Privatsache juristische Unterstützung. Ungeachtet des noch ungewissen Ausganges dieses Streites konnte aber bereits im Vorfeld ein wichtiger Erfolg erzielt werden: im Rahmen der breit geführten Diskussion konnte der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, dass Schulkreuze nicht konsensfähig sind. Aber nicht nur Kreuze verkörpern die weitverbreitete religiöse Bevormundung in öffentlichen Schulen. Im Rahmen der Informations- und Diskussionsrunde "Gott in der Schule -was tun?" konnten wir -rechtzeitig vor Schulbeginn -erstmals kritischen Eltern die Möglichkeit geben, sich zu informieren und, was noch wichtiger ist, zu erfahren, dass sie nicht alleine sind.

Im Jahr 2013 konnte die Initiative Religion ist Privatsache gleich zwei Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einbringen, die, falls erfolgreich, weitreichende Auswirkungen haben könnten. Dies trifft insbesondere zu auf einen Individualantrag gegen die Nichtabsetzbarkeit des von ihm geleisteten Mitgliedsbeitrages an die Initiative. In Österreich ist nämlich ausschließlich der Kirchenbeitrag steuerlich als Sonderausgabe abzugsfähig. Die zweite Beschwerde betrifft ein Thema, dass uns bereits 2012 beschäftigt hat: die ORF-Karfreitagsschweigeminute. Hier ist der VfGH gefordert zu entscheiden, ob der ORF als Stiftung öffentlichen Rechts befugt ist, in Eigenregie und im eigenen Namen fromme Religionsbekundungen abzugeben.

Nachdem im Februar eine "Missbrauchsenquete" der "Klasnic-Kommission" -in der Tat ein kirchlicher PR-Event -in letzter Minute vom Parlament verbannt werden konnte, sah sich die sog. "Unabhängige Opferschutzanwaltschaft" mit der Klage eines Wiener Anwalts konfrontiert. Die behaupteten und offensichtlichen Verletzungen gegen das Unlauteren-Wettbewerb-Gesetz wollten jedoch weder das Handelsgericht noch das OLG-Wien als Berufungsinstanz anerkennen. Anlässlich seines von der Initiative unterstützten Ganges zum Obersten Gerichtshof (OGH) veranstalteten wir eine Pressekonferenz, in deren Rahmen abermals die Forderung nach einer staatlichen und unabhängigen Missbrauchs-Untersuchungskommission laut geworden ist. Dieser Forderung schlossen sich sowohl Grünen- als auch NEOS-Vertreter an.

Wie im Jahr zuvor konnte die Initiative auch im Jahr 2013 zahlreiche weitere Themen medienwirksam der Öffentlichkeit zur Diskussion stellen. Unser Appell an den damaligen Außenminister Michael Spindelegger, sich für die Freilassung des in Saudi-Arabien wegen Blasphemie inhaftierten Raif Badawi stark zu machen, fruchtete vorerst nicht; viel zu sehr scheint das offizielle Österreich damit beschäftigt zu sein, über ihre Beteiligung am "König-Abdullah-Zentrum" Diktatoren-PR zu betreiben. Mit Interesse verfolgten die Medien eine Strafanzeige der Initiative in Zusammenhang mit der vom BMI herausgegebenen "Orthodoxen Kirchenzeitung", samt zahlreichen Bildinseraten des damaligen Staatssekretärs Sebastian Kurz, der zusätzlich wegen kirchlicher Einmischung in den Wahlkampf seitens der Initiative gerügt wurde.

Abschließend dürfen wir uns bei allen, die, in welcher Form auch immer, unsere Tätigkeit unterstützt haben, herzlich bedanken.

Frohe Feiertage und ein erfolgreiches neues Jahr wünschen
Heinz Oberhummer - Michael Franz - Eytan Reif

PS: Rechtsanwaltsleistungen und Gerichtsverfahren, Presseaussendungen und -konferenzen, Veranstaltungen und selbst unsere Webpräsenz: alles hat seinen Preis. Anders als die Kirchen und Religionsgesellschaften Österreichs erhält jedoch die "Initiative Religion ist Privatsache" von der öffentlichen Hand KEINEN CENT. Unsere parteipolitische Unabhängigkeit, die nach wie vor außer Diskussion steht, lässt weitere Finanzierungsmöglichkeiten ausscheiden. Die Aktivität der Initiative Religion ist Privatsache ist gerade daher auch von deiner Spende abhängig!