Quelle: http://hpd.de/ 30.01.2014 · Nr. 17718
An
der Universität Trier fand eine Veranstaltung mit Mina Ahadi zum Thema "Homosexualität
und Islam" statt. Die BesucherInnen des Vortrags erlebten eine leidenschaftliche
Rede über und gegen Homophobie in Ländern, deren gesellschaftlichen Verhältnisse
vom politischen Islam diktiert werden (rechts im Bild: Mina Ahadi mit den
Evolutionären Humanisten Trier).
Vom 13. bis 24. Januar fanden zum 15.
Mal die LesBiSchwulen Kulturtage in Trier, besser bekannt als Homosella,
statt. Themenschwerpunkt der vom Autonomen Schwulenreferat und dem Queer-feministischen
Frauenreferat organisierten Veranstaltungsreihe war die Auseinandersetzung mit
Homo-, Bi-, Trans-, und Intersexualität "all over the world".
Einer
von vielen Vorträgen im Rahmen der Homosella klärte über "Homosexualität
und Islam" auf. Mina Ahadi, Menschenrechtlerin und Vorsitzende des Zentralrats
der Ex-Muslime, konnte dafür als Referentin gewonnen werden. Sie teilte
mit den ZuhörerInnen des Vortrags nicht nur ihr Wissen und ihre Erfahrungen,
die sie während ihrer Menschenrechtsarbeit sammeln durfte, sondern positionierte
sich auch mit klaren Worten für einen konsequenten Säkularismus.
Ihre
Ausführungen beschäftigten sich hauptsächlich mit der Diskriminierung von Homosexuellen
im Iran, wo sie 1956 in Abhar geboren wurde. An der Universität Tabriz studierte
sie zunächst Medizin und engagierte sich in der linken Opposition gegen den
Schah. Als nach der gescheiterten Revolution die Islamisten die Macht ergriffen
und Ruhollah Chomeini den Kopftuchzwang anordnete, organisierte Mina Ahadi Protestaktionen
und Demonstrationen.
Aufgrund ihrer regimekritischen Haltung durfte sie
als politische Aktivistin nicht mehr studieren und arbeitete in einer Fabrik.
Während sie auf der Arbeit war, durchsuchte die Geheimpolizei 1980 ihre Wohnung
und nahm ihren Mann sowie fünf Gäste fest, die kurz darauf hingerichtet wurden.
Mina Ahadi entkam, wurde jedoch in ihrer Abwesenheit zum Tode verurteilt. Nach
acht Monaten im Untergrund flüchtete sie schließlich 1981 nach Iranisch-Kurdistan,
wo sie zehn Jahre als Partisanin kämpfte. 1990 flüchtete sie nach Wien und lebt
seit 1996 in Köln.
Als Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime und
Gründerin des Internationalen Komitees gegen Todesstrafe rettete sie vielen
zum Tode verurteilten Menschen das Leben. Darunter waren und sind auch Menschen,
die wegen ihrer sexuellen Neigung bzw. gleichgeschlechtlicher Liebe um ihr Leben
fürchten müssen. Ahadi las die Namen und das Alter von jungen Menschen vor,
denen aufgrund ihrer Homosexualität die Todesstrafe droht. Viele davon sind
zwischen 16 und 18 Jahre alt. Seit der Machtergreifung der Islamisten im
Iran 1979 wurden mehr als 4.000 Homosexuelle öffentlich hingerichtet.
Im
Iran ist Homosexualität ein Tabuthema und wird von vielen als Krankheit angesehen.
Homosexuelle Handlungen werden mit Peitschenhieben oder dem Tode bestraft. Die
Schilderungen von Mina Ahadi veranschaulichten in diesem Zusammenhang die Gefahr,
die von Staaten ausgehen kann, in denen die Regeln des Zusammenlebens von Religionen
vorgegeben werden.
Mina Ahadi gibt den Opfern eines menschenverachtenden
Systems ein Gesicht und Namen. In ihrer Arbeit als Menschenrechtlerin verwendet
sie - wenn möglich - Fotos, um der Öffentlichkeit die Menschen zu zeigen, die
sich hinter den tragischen Nachrichten verbergen. Indem sie von den Interessen
und Lebensgeschichten der bedrohten Menschen erzählt, stellt sie Betroffenheit
her.
Diese Betroffenheit war auch im Hörsaal der Universität Trier zu
spüren. Viele ZuhörerInnen konnten bei den bewegenden und zugleich empörenden
Schilderungen Ahadis so manche Träne nicht mehr zurückhalten. Im Anschluss an
den einstündigen Vortrag fand eine lange und interessante Diskussionsrunde statt,
in der nicht nur über das Verhältnis von Menschenrechten und Religion gesprochen,
sondern auch die Bedeutung des Islams als politische Bewegung thematisiert wurde.
Insbesondere bei der Frage, ob es einen "moderaten Islam" geben könne,
kam es auch zu kontroversen Stellungnahmen.
Dass manche für eine angeregte
Streitkultur nur wenig übrig haben, zeigte sich im Vorfeld des Vortrags. An
der Universität wurde mit vielen Plakaten für die einzelnen Veranstaltungen
der Homosella geworben. Das einzige, das mutwillig abgerissen und daher wieder
provisorisch ersetzt werden musste, war das Plakat zur Veranstaltung mit Mina
Ahadi.
Florian Chefai