Die Opinion Pages der New York Times zeigten am 9.3.
den interessanten Artikel Liberty,
Equality, Efficiency. Paul Krugman schreibt darin über sein Lieblingsthema,
die Ungleichheit. Aus dem Inhalt:
Gemeinhin wird allzu große Ungleichheit bei den Einkommen als schlecht
angesehen, aber das Thema wird von den konservativen Kräften nach Möglichkeit
aus der öffentlichen Diskussion rausgehalten. Die Argumente dazu: schon der
Begriff Mittelklasse sei neidische Linkspropaganda. Außerdem kann man
eh nix gegen die ungerechte Verteilung der Einkommen machen (Bild: dieser
Versuch bringt's auch nicht).
So jedenfalls die amerikanische Sicht. Die hält sich nämlich an das Dogma von
der schädlichen Umverteilung von reich zu arm, weil vor 40 Jahren jemand (Arthur
Okun, der Finanzberater von Präsident Johnson) geschrieben hat, das wäre eine
Wachstumsbremse. Seither beherrscht diese Ansicht die Diskussion. Die Demokraten
glaubten, die Umverteilungskosten wären nicht so gravierend, die Republikaner
glaubten, sie wären's doch, aber alle glaubten an die Schädlichkeit fürs
Bruttosozialprodukt.
Nur sieht es danach aus, als sei der allgemeine Glaube daran falsch. Das
Gegenteil dürfte wahr sein, eine gerechtere Einkommensverteilung sollte Wachstum
bringen und keinen Abwärtstrend. Und nun legt Krugman mit seinen Belegen
los.
Er betrachtet die unterschiedlichen Einkommensrelationen in verschiedenen
Ländern. Die USA und z.B. Großbritannien haben viel mehr Ungleichheit als
Skandinavien, Frankreich und Deutschland (bei letzterem irrt Krugman, weil
Deutschland auf der ungleichen Seite liegt). Jedenfalls ist die Ungleichheit
eine Folge der Regierungspolitik, was laut Krugman wenig bekannt sei.
Und wenn die Ungleichheit durch Umverteilung über Steuern und Abgaben
reduziert wird, wird dann das Wachtum geschädigt? Nein, sagen Studien des Weltwährungsfonds,
“redistribution appears generally benign in terms of its impact on
growth”, die Umverteilung hat anscheinend einen positiven Effekt aufs
Wachstum. Konsequenz: das Credo von der schädlichen Umverteilung von reich zu
arm ist falsch.
Krugman legt Wert darauf, nicht als kommunistischer Umverteiler zu gelten, er
will kein neues Kuba. Aber er will eine Entwicklung in Richtung der sozialeren
europäischen Staaten. Nur, zeigt nicht die Euro-Krise die destruktiven Wirkung
des Sozialstaats? Nein, meint Krugman, das Euroland zahlt nur den hohen Preis
für eine Währungsunion ohne politische Union. Und innerhalb der Euro-Staaten
stünden die mit besserer Gleichverteilung besser da.
Aber wie können die Gleichverteilungswirkungen positiv sein? Demotiviert
Sozialhilfe nicht die Armen beim Arbeitsfleiß? Drücken Steuern nicht die
Motivation der Reichen, noch reicher zu werden? Ja und ja, meint Krugman, aber
Motivation ist nicht alles, es zählen auch die Ressourcen. Und die fehlen vielen
Leuten in einer allzu ungleichen Gesellschaft.
Und der Spruch, es geht um Chancengleichheit, nicht um
Einkommensgleichheit ist ein grausamer Witz auf Kosten von denen, die in
Armut leben. Das sind zig Millionen in Amerika, die eben nicht den Zugang zu
Bildung haben, der ihnen vergleichbare Chancen gewähren würde. In den USA
vererbt sich der Bildungszugang, die "Klassenzugehörigkeit" genauso wie in
Deutschland, und die Schere öffnet sich immer weiter. Der Aufstieg aus eigener
Kraft funktioniert nicht mehr, wer arm geboren wird, bleibt arm " eine
Verschwendung von menschlichen Ressourcen, die sich in fehlendem Wachstum
niederschlägt. (Das komplementäre Argument, dass eine Plutokratie eine schlechte Elite "
weil keine Leistungselite " ist, fehlt hier). Krugman argumentiert aber richtig,
dass eine gerechtere Verteilung nicht alle begünstigen würde. Die Superrechen
würden durch höhere Steuern mehr verlieren, als sie durch besseres Wachstum
gewinnen könnten. Aber für die Armen und die Mittelschicht wäre es gut.
Kurz gesagt, was für die oberen 1% gut ist, ist nicht für das Land gut. Es
muss kein goldenes Zeitalter für die Superreichen geben, wenn's die Mehrheit
nicht will.
Soweit die NYT über die amerikanische Sicht. Dass es in Deutschland nicht
viel anders ist, kann man einem ZEIT-ONLINE-Artikel vom 15.3. entnehmen. Es geht
auch um "Chancengerechtigkeit" in Kein
Wohlstand für alle: Die Ungleichheit der Vermögen in Deutschland ist
erschreckend. Nötig sind Bildungsinvestitionen und mehr private Vorsorge.
Das muss hier nicht noch ausgebreitet werden, dazu gibt es bereits eine
Auswahl von wb-Artikeln:
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