Aktueller Anhaltspunkt sind Zahlen aus London und
woanders, die am 10.5. in der Süddeutschen Zeitung zu lesen waren. In der
Wochenendbeilage gab es einen entlarvenden Artikel von Alexander Hagelüken,
Die Hausbesetzer â€" Eine neue Klasse der Superreichen ist gerade dabei,
unsere schönsten Städte zu übernehmen. Für Immobilien werden irrwitzige Preise
bezahlt (nicht online, Bild: Laster Neid, Santiago2000, Wikimedia
Commons).
Ergänzt wird das durch Ungewöhnliches
Städte-Ranking London hat die meisten Milliardäre (SZ 11.5.): In den
Nobelstadtteilen Mayfair, Knightsbridge und Belgravia kostet ein Reihenhaus oder ein Apartment 10 Mio. Pfund = 12 Mio. Euro. Ergänzend der SZ-Artikel Superreiche
in London â€" Ein Privatjet der Gemütlichkeit (7.3.13): Wer durch die
Wohnviertel im Westen der Stadt schlendert, kann den obszönen Reichtum gar nicht
übersehen. Eine Kopfzählung bringt die Zahl der Milliardäre nach Städten
geordnet in diese Reihenfolge:
London 72 (von 104 in ganz GB)
Moskau 48
New York 43
Die 104 britischen Krösusse haben ein Gesamtvermögen von 368 Mrd. Euro, das
ist mehr als vor der Krise 2008, während das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen
seitdem erheblich runtergegangen ist. Das passt vollkommen zu der Statistik,
nach der 60% der Wertschöpfung nicht bei den Schöpfern landet, sondern bei
Investoren & Managern, und zwar global.
Die Zahlen werden vom Jahresgutachten
des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes bestätigt (der Link ist
wackelig, deshalb hier ein paar Eckdaten): Sozialversicherungspflichtige in
Vollzeitbeschäftigung
1993 25,5 Mio. (77%)
2001 23,7 Mio. (71%)
2003 22,7 Mio.
2005 21,8 Mio.
2012 21,8 Mio. bei viel mehr Erwerbstätigen (69%)
In Deutschland liegen laut Paritätischem Gesamtverband die
durchschnittlichen Vermögen niedriger als in den anderen großen EU-Staaten, und
auch der Median ist niedriger, d.h. die Ungleichverteilung ist größer: Die
obersten 10% haben ein Durchschnittsvermögen von 1,15 Mio. Euro, die unteren 20%
im Schnitt 4.600 Euro Schulden. Das Durchschnittsvermögen insgesamt ist 83.000
Euro pro Erwachsener bei einem Median von 17.000 Euro â€" eine enorme Schieflage,
die aus der zunehmenden Armut breiter Bevölkerungsschichten kommt: "Ganz
offenbar ist eine große, wachsende Zahl von Menschen von der
Wohlstandsentwicklung abgekoppelt."
Die Armut trifft Erwerbslose (60%), Alleinerziehende (41%!), Rentner (14%),
auch Abhängig Beschäftigte und Selbständige. ZEIT ONLINE war das einen Artikel
wert, Paritätischer
Wohlfahrtsverband â€" Immer weniger Menschen profitieren vom Wohlstand
(24.4.): Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagt die wachsende soziale
Spaltung in Deutschland. Der Regierung wirft der Verband Tatenlosigkeit und
Ignoranz vor (Allerdings mit Gegenzahlen von der wirtschaftsfreundlichen
OSZE, die auch das TTIP positiv sieht).
Mit dieser Einstimmung auf die Neiddebatte kann nun das eigentlich Neue
drankommen, das in dem SZ-Hausbesetzer-Artikel beschrieben steht. Die
Hausbesetzer sind die Superreichen, die sich in den Nobelvierteln breitmachen,
mit unangenehmen Folgen. Hagelüken zur extremen und dauerhaften Ungleichheit der
Vermögen: "Und wer jetzt ins Grübeln gerät, dem liefert der Wohnungswahn
eine schrille Illustration dazu, was im globalen Kapitalismus
schiefläuft."
Die kostbaren Immoblien sind nämlich vielfach nur "Geisterhäuser".
Sie sind der zweite, dritte, zehnte Wohnsitz der Superreichen und stehen
demenstsprechend oft leer. Der SZ-Artikel: "Wir bauen hier Banksafes in den
Himmel, wo die Käufer ihre Wertgegenstände hineinlegen und dann mal bei
Gelegenheit vorbeischauen können." Das hat zwei üble Wirkungen:
Es treibt die Immobilienpreise hoch, so dass sogar andere Wohlhabende aus
den Vierteln hinausgetrieben werden, ganz zu schweigen von den Normalverdienern,
die da komplett weichen müssen.
Es beschädigt die Urbanität der Städte, denn unbelebte Gebäude zerstören den
Grund, warum die Menschen ein Viertel aufsuchen, das Soziale, das
Gemeinschaftserlebnis.
Die teuren Viertel sind kein Ort für die Stadtbewohner mehr, sondern eine
Enklave für die oberen 0,01%, vermutlich auch mit immer abschreckenderen
Sicherheitsmaßnahmen, die das gemeine Volk draußenhalten. So werden die Städte
der Allgemeinheit enteignet und entfremdet. Das ist kein Statement des Neids, sondern des Zorns, zumal es sich vielfach
um unverdienten Reichtum handelt. Schmarotzer sind aber allerorten
unbeliebt.