Kommentar von Amer Albayati
Trotz der voranschreitenden Säkularisierung und der Probleme junger
Menschen mit den Lehren der Religionen werde der Anteil der religiösen
Menschen an der Gesamtbevölkerung voraussichtlich nicht dramatisch sinken.
Das liege daran, dass religiöse Familien deutlich mehr Kinder haben und
doch relativ viele von ihnen die Einstellungen aus ihrem Elternhaus für
den Rest ihres Lebens mitnehmen.
Immer wieder kehrt ein gewisser Anteil
der Kinder der Religion ihrer Eltern den Rücken. Dennoch ist die Demografie
in der Lage, relativ verlässliche Prognosen über Religionen zu machen.
Religionszugehörigkeit ist eine relativ stabile Eigenschaft.
Hohe
Kinderzahlen sind für patriarchalische Gesellschaften mit traditionellen
Normen, wie es sie auch im Europa des 19. Jahrhunderts gegeben hat, typisch,
dass neben weniger gebildeten Gesellschaften auch Menschen mit hoher Religiosität
dazu neigen, mehr Kinder zu haben.
Religiöse Menschen seien oft
mehr an sozialen Kontakten und Gemeinschaft interessiert, das schlage sich auch
in höheren Geburtenraten nieder. Religiöse Familien haben deutlich
mehr Kinder diese Faktur spielt bei Muslime eine größere Rolle.
Die
lehnen meist Empfängnisverhütung ab. Wenn man dann in der nächsten
Generation schaut, wie viele keine empfängnisverhütenden Mittel nehmen,
so ist es immer noch mehr als die Hälfte.
Arabischen Angaben zufolge
sollen zusammen mit der ungarischen Landnahme wolgabulgarische und baschkirische
Muslime bereits im 10. Jahrhundert ins Burgenland gekommen sein. Im 11. und
12. Jahrhundert siedelte Ungarn dann im Burgenland als Grenzwächter des
Gyepűsystems auch Petschenegen an, unter denen sich eine muslimische Minderheit
befand. Heute allerdings ist das Burgenland jenes Bundesland mit dem geringsten
Bevölkerungsanteil an Muslimen.
Erste Muslime erreichten das übrige
Österreich ab 1476. Türkische und bosnische Akıncı kamen damals nicht
als Kaufleute, Siedler, Arbeitskräfte oder Flüchtlinge ins Land, sondern
überfielen und plünderten als Vorhut der osmanischen Truppen auch
nach einer osmanischen Niederlage bei Villach 1492 (Maximilian gegen Mihaloğlu)
fast jährlich Ober- und Niederösterreich, die Steiermark, Kärnten
und Krain. Gegen die türkischen Osmanen verbündeten sich die Habsburger
mit den persischen Safawiden. Mit den osmanischen Niederlagen vor Wien 1529
und schließlich 1683 scheiterte die Eroberung Österreichs, und die
von osmanischen Belagerern voreilig geplante Verteilung der besten österreichischen
Ländereien und Lehen wurde hinfällig.
Österreich hatte
aus der Geschichte der Österreich-Ungarischen Monarchie einen anderen Zugang
zum Islam. Ab 1878 stand Bosnien vier Jahrzehnte unter österreichisch-ungarischer
Herrschaft, seitdem lebten die ersten Bosniaken auch in Österreich. Innerhalb
der k.-u.-k.-Armee waren deshalb Imame zur Betreuung muslimischer (bosniakischer)
Soldaten tätig. In den letzten Jahren wird zunehmend der für alle
Muslime alleinige Vertretungsanspruch durch die offizielle Islamische Religionsgemeinde,
die sunnitisch dominiert ist, in Frage gestellt - von sunnitisch-türkischer
Seite ebenso wie von Schiiten oder Aleviten. Das Vienna Institut of Demography
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwarf in einer Studie
verschiedene Szenarien für den zukünftigen Anteil der Religionen in
Österreich. Für das Jahr 2051 errechnet das Institut bei den Jugendlichen
unter 14 Jahren je nach Szenario einen Moslem-Anteil von 19 bis 51 %.
Die
Ausbreitung des Islam in Europa vollzog sich in drei voneinander unabhängigen
Phasen, die jeweils verschiedene Regionen Europas betrafen. Während der
beiden ersten wurde der Islam vor allem durch Eroberungen verbreitet und ebenso
wieder zurückgedrängt. Die dritte vollzieht sich in Form von Zuwanderung
und hält bis heute an.
Diese dritte muslimische Expansion nach Europa
findet in Form von Zuwanderung in wohlhabende Industriestaaten statt und begann
in größerem Umfang in den 1950er Jahren. Zielländer waren zunächst
Staaten im nördlichen Westeuropa, etwa Frankreich, Großbritannien,
die skandinavischen, Benelux- oder die deutschsprachigen Länder. In jüngerer
Zeit sind auch Spanien und Italien Ziel muslimischer Zuwanderer. Die Immigranten
stammen überwiegend aus Nordafrika, der Türkei oder Pakistan, mit
unterschiedlicher Verteilung in den betreffenden Zielländern. In vielen
europäischen Ländern sind Muslime durch Immigration zu starken und
einflussreichen Minderheiten geworden.
Während in Deutschland und
dem katholischen Österreich der Islam heute überwiegend westasiatisch
geprägt ist, steht das protestantische Nordwesteuropa einem überwiegend
südasiatischen Islam eingebürgerter Immigranten gegenüber. Die
Präsenz des Islams in Deutschland beruht seit etwa 1960 zunehmend auf Einwanderung
aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland.
Es ist möglich,
dass der Islamismus - die radikal-utopische Bewegung, die eine durchgängige
und weltweite Anwendung des islamischen Rechts unter der Herrschaft eines Kalifen
anstrebt - zwar größtenteils gewalttätig und tyrannisch bleibt,
dass diese Ideologie sich aber in eine unbekannte Richtung entwickeln wird.
Die
Situation des Islam in Österreich ist insofern in Europa einzigartig, als
seine Anhänger 1912 als Religionsgesellschaft anerkannt worden waren, aber
ohne begleitende Organisation. Das bedeutet, einzelne Glaubensrichtungen innerhalb
des Islam könnten eigene organisierte Religionsgesellschaften anerkennen
lassen, dem steht aber die ablehnende Praxis der Behörden entgegen.
In
Österreich sind tatsächliche Zahlen über die Muslime schwer zu
bestimmen, die Zahl der Migranten aus Ländern mit Islamhintergrund liegt
deutlich über 500.000, aber das bedeutet nicht, dass jeder Migrant aus
so einem Land tatsächlich ein Muslim ist. In Österreich stellen heute
nach den Türken die muslimischen Bosnier die zweitgrößte Gruppe
muslimischer Immigranten.
Fazit: Aufgrund dessen könnte man heute
schon sagen, dass die Islamische Republik Österreich eine Zeitfrage ist,
was viele Probleme, Gefahren und Konfrontationen mit sich bringt, da bestimmte
Politiker und manche sogenannte Wissenschaftler und Journalisten bewusst oder
unbewusst diesen Prozess beschleunigen.
Amer
Albayati, geboren 1942 in Bagdad, ist Journalist und Islam- sowie Terrorexperte.
Er ist Mitbegründer der Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ)
und der beantragten neuen Islamischen-Europäischen Glaubensgemeinschaft
in Österreich (IEGÖ), www.initiativeliberalermuslime.org.