Kaputte Staaten pflastern den Weg der USA

MISSION ACCOMPLISHED

Ulrich Gellermann am 16. Juni 2014 auf www.rationalgalerie.de

Mission accomplished: Die Mission sei erfüllt behauptete der debile Dauergrinser George W. Bush im Mai 2003 und glaubte den Irak-Krieg beendet zu haben. Nicht weniger ignorant redete sein Nachfolger Obama daher, als er im Dezember 2011 anlässlich des offiziellen Abzugs der US-Truppen aus dem Irak den "Moment des Erfolgs" bejubelte und erzählte, Amerika würde einen "souveränen, stabilen und selbstständigen Irak" hinterlassen. Zwischen der ersten und der zweiten Irak-ist-erledigt-Meldung lagen dreizehn Jahre voller Blut und Grausamkeit und nur wenige Jahre, aber Tausende Tote später, eilen sunnitische Kampfverbände in Richtung Bagdad, um die verhasste, von den USA alimentierte Regierung zu stürzen. Der Irak ist ein kaputter Staat: Neben dem täglichen Terror, dem religiösen Kampf zwischen Schiiten und Sunniten, und den verschiedenen Clans und ethnischen Gruppen, sind Folter und Unterdrückung für den irakischen Alltag bestimmend. Nichts ist durch das militärische Eingreifen der USA besser geworden. Immer noch stehen mehr als 15.000 amerikanische Söldner privater Sicherheitsfirmen im Land, immer noch bestimmen die USA wesentlich die irakische Politik.

Kennzeichnend für die Auswirkungen von den USA und ihren Freunden dominierten Politik im Nahen Osten ist die Herkunft der ISIS genannten Truppen, die aktuell versuchen den IRAK zu übernehmen: Ihre Gründung und ihren Aufstieg verdanken sie dem Syrien-Krieg, jenem "Bürgerkrieg" genannten Kampf um ein geschundenes Land in dem, darin dem Irak ähnlich, mit ausländischem Geld und ausländischen Waffen versucht wird, die geostrategische Lage zu ändern: Weg von einer relativen Selbstständigkeit der Assad-Regierung und deren Nähe zum Iran, hin zu einem von den Saudis, den Kataris und den USA beherrschten Gebilde. Besondere Protektion genoss die ISIS lange durch das NATO-Mitglied Türkei: Offene Grenzen für den Rückzug aus dem syrischen Kampfgebiet für ISIS-Kämpfer, augenzwinkernde Unterstützung des Waffennachschubs und der medizinischen Versorgung der Truppen galten dem größenwahnsinnigen Erdogan als nützlich. Und dieser schwere Anfall osmanischen Großmachtstrebens wurde mit den deutschen Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze noch unterstützt.

Von Afghanistan über den Irak, über Libyen und Syrien: Die Antwort der USA auf Konflikte aller Art, gerade auch die selbst gemachten, ist der Krieg. Der erzeugt neuen Krieg, den die USA dann erneut mit Krieg bekämpfen. Und auch jetzt will Obama im Irak "nichts ausschließen", Luftangriffe sind wahrscheinlich, Drohnen sicher. Das mediale Bild der ISIS-Truppen ist barbarisch. Und vielleicht stimmt es sogar. Aber sie haben neben ihrem religiösen Fanatismus auch historische Kenntnisse und Empfindungen, die ihrem westlichen Widerpart völlig abgehen: Auf ein Schild nahe der syrisch-irakischen Grenze schrieben die ISIS-Kämpfer "Die Sykes-Pycot-Grenze zerschlagen!" Das ist jene Grenze, mit der die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich im Mai 1916 das von den Osmanen annektierte arabische Land unter sich aufteilten: Jordanien und Irak an die Briten, Syrien und Libanon an die Franzosen. Was im Ergebnis jener brutalen Herrschaftsausübung an Blut und Tränen geflossen ist, hat letztlich jene barbarischen Handlungen erzeugt, die heute gern Terrorismus genannt werden.

Sykes-Pycot-Grenze? Die kennt der deutsche Redakteur nicht, will sie nicht kennen. Wohl deshalb fällt ihm nicht im Traum ein, den Beginn des Irak-Krieges - durch Lügen und Betrügen als notwendig kaschiert - als den Auslöser für den heutigen Krieg zu benennen. Statt dessen kommen die "Experten" der Medien zu Wort: "BILD erklärt die gefährlichste Terror-Gruppe der Welt" und meint damit keineswegs die Militärindustrie der USA. Im FOCUS findet ein Experte: "Isis-Führer ist noch brutaler als Terror-Fürst Osama bin Laden". Im HANDELSBLATT darf sich der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter melden und durch den neuen Irak-Terror eine "massive sicherheitspolitische Bedrohung" für den Nahen und Mittleren Osten erkennen, um eine Rolle Deutschlands in dem Konflikt nicht auszuschließen. Auf RTL meint der Terrorismus-Experte Michael Ortmann: "Die brutalen ISIS-Kämpfer sind bei Dschihadisten sehr beliebt." Der arabische Raum sucht offenkundig den Superterroristen. Und die Blindenanstalt ARD lässt Falko Walde von der verstorben geglaubten FDP-Friedrich-Naumann-Stiftung ein Sportkommentar sprechen: "Kurdische und schiitische Milizen im Irak sind gut aufgestellt." Terror goes Boulevard.

War da nicht bis jüngst noch ein Krieg? Richtig, der in der Ukraine.
"Wie kann die Erde brennen? Sie brannte etwa 40 Minuten”, sagt ein Anwohner aus einem Vorort von Slawjansk in die Kamera. Natürlich nicht in eine deutsche Kamera. Denn seit dem 7. Juni, als die Tagesschau einen vom "guten Oligarchen" Poroschenko angekündigten Waffenstillstand im ostukrainischen Bürgerkriegsgebiet verkündete, gab es den ukrainischen Krieg offiziell nicht mehr. Obwohl von den Regierungstruppen Phosphorbomben abgeworfen werden, obwohl Tausende auf der Flucht sind, obwohl erneut amerikanische Söldner im Kriegsgebiet gesichtet wurden. Inoffiziell beteiligt sich die deutsche Regierung aktiv am ukrainischen Kampf: Durch die Hintertür ist ein Wirtschaftsembargo gegen Russland eingeführt worden. Das Wirtschaftsministerium lässt Exportgenehmigungen nach Russland monatelang liegen, klagt der deutschen Maschinenbauverband (VDMA). Angeblich nur bei Gütern, die unter den Begriff "Dual use" fallen, Waren, die sowohl zivilem als auch militärischem Gebrauch dienen können. Wenn man weiß, dass Gas-Energie sowohl im Automobil- wie im Panzerbau Verwendung finden kann, dann kann man sich die Bandbreite der Export-Sanktionen ebenso ausmalen wie die mögliche Antwort der Russen.

Die erbärmlich dumme deutsche Regierung und die ihr angeschlossenen Medien ketten sich seit Jahr und Tag an die Interessen der USA. Weder die Zahl der kaputten Staaten im Ergebnis von US-Interventionen lässt die deutschen US-Freunde an den FREUNDEN zweifeln, noch bringt sie zur Besinnung, dass der Anti-Terrorkampf bisher nur mehr Terror erzeugt. Längst hat man auch für die Ukraine die Lesart vom Anti-Terror-Kampf gegen die Separatisten übernommen. Aber die Gaucks, Merkels, Steinmeiers und van der Leyens glauben an der Seite der USA das große Spiel gewinnen zu können. Und warten auf die nächste Mission-accomplished-Meldung. Nicht beachtend, dass sie damit den eigenen Staat verzocken.