Gleich zwei bahnbrechende und voneinander unabhängige Gerichtsurteile,
die am Mittwoch gefällt wurden, setzen sowohl französische als auch
britische Gesetzgeber unter Druck, restriktive Sterbehilfe-Verbote zu überarbeiten.
Für
ein Umdenken hinsichtlich der Aufgaben, die ein Arzt am Lebensende seiner Patienten
zu erfüllen hat, sorgte das Schwurgericht im aquitanischen Pau. Dieses
hat Dr. Nicolas Bonnemaison, der den Tod sieben todkranker Patienten per Präparatinjektion
herbeigeführt hatte, strafrechtlich freigesprochen.
Von enormer
Tragweite könnte auch das gestrige Urteil des obersten Gerichts in Großbritannien
sein. Dieses gestattete zwar einem schwerbehinderten Einschreiter keinen
Anspruch auf Suizidbeihilfe, fünf der neun Höchstrichter hielten jedoch
fest, dass das strenge Verbot der Suizidbeihilfe in Großbritannien einen
Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) darstellt.
Rechtsexperten bewerten dieses Urteil als einen klaren Auftrag des Höchstgerichts
an den Gesetzgeber, das Verbot der Suizidbeihilfe, das mit dem österreichischen
vergleichbar ist, zumindest teilweise aufzuheben.
Die "Initiative
Religion ist Privatsache" begrüßt beide Entscheidungen, die
die zunehmende Akzeptanz des Rechts auf Selbstbestimmung in der Rechtsprechung
aufgeklärter Demokratien widerspiegeln. Scharfe Kritik übt die
Initiative hingegen an dem Vorhaben der österreichischen Regierung, ein
generelles Sterbehilfeverbot in die Verfassung zu schreiben. "Entgegen
dem in entwickelten Ländern beobachtbaren Ausbau des Grundrechts auf ein
selbstbestimmtes Leben versucht eine österreichische Regierung im Auftrag
der Kirche, die Bevormundung der Bürger auszubauen" meint Initiative-Sprecher
Eytan Reif.
Sehr kritisch betrachtet die Initiative auch den gestern
einstimmig verfassten Beschluss des Hauptausschusses des Nationalrates, zu diesem
Zweck eine Enquete-Kommission zu bestellen, die im September 2014 ihre Arbeit
aufnehmen soll. "Der geplante Missbrauch eines parlamentarischen Instrumentariums
für Zwecke der Verfassungsmanipulation ist demokratiepolitisch inakzeptabel"
meint Reif, der eine tendenziöse Formulierung der zu behandelnden Fragen
ortet. Für Reif ist es "bezeichnend", dass die Kommission, in
der auch Vertreter der gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften eingebunden
sein werden, ausschließlich Empfehlungen zu einer möglichen Verschärfung
des Sterbehilfeverbots abgeben soll, während eine Lockerung der bestehenden
Strafbestimmungen gar nicht auf der Tagesordnung stehen wird.
"Im
Wesentlichen handelt es sich hier aber um das Grundrecht auf ein selbstbestimmtes
Leben, dessen Wahrung von theologischen Moralvorstellungen nicht abhängig
gemacht werden kann" meint Reif. "Entlarvend" ist für
Reif auch die Betonung des Themas Palliativ- und Hospizmedizin, da dieses einerseits
unstrittig ist und andererseits mit dem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben
nichts zu tun hat. "Hier geht es um das konsensfähige Bestreben, die
medizinische Versorgung auszubauen. Dafür benötigt man aber keine
Enquete-Kommission sondern eine Regierung, die, entsprechend dem finanziell
Machbaren, ihre Arbeit tut".