Der alte Sima, Angestellter des Bankhauses Prochazka & Co., hatte
endlich, nach fünfzehn Jahren, den Mut, an die Tür des Geldmannes Prochazka zu
klopfen, um ab Neujahr eine Gehaltsaufbesserung von zwanzig Kronen monatlich zu
verlangen.
Sima saß also vor Herrn Prochazka, denn dieser hatte ihm, nachdem er seine
Forderung angehört hatte, erlaubt, sich zu setzen.
Der Herr Chef gebärdete sich aufgeregt, lief im Büro auf und ab und sagte:
»Ich hätte Sie mit Ihrer unverschämten Forderung gleich hinauswerfen sollen,
aber da ich gerade eine halbe Stunde Zeit habe, will ich mich mit Ihnen
freundschaftlich darüber unterhalten. Ich soll Ihnen also monatlich zwanzig
Kronen zulegen, das sind in einem Jahr zweihundertvierzig Kronen. Und das
verlangen Sie von mir in einer Zeit, wo wie ein Damoklesschwert ein Kurssturz
über dem Geldmarkt schwebt? Sie wissen doch, dass die Alpinen von 772,-auf
759,60 gefallen sind, dass die Aktien der Bedrichwerke auf 938,- stehen und der
Kurs der Waffenwerke sinkt, mein lieber Herr Sima. Von 728,- auf 716,40. Das ist
doch schrecklich, und Sie verlangen zwanzig Kronen!«
Er rang die Hände und stieß hervor: »Der Markt der Bankwerte ist schwankend.
Das führende Wertpapier, die Aktien der österreichischen Kreditanstalt, ist in
den letzten Tagen geschwächt, die Senkung beträgt fünf Kronen auf 664,90, und
Sie verlangen zwanzig Kronen Zulage! Der Markt der Transportwerte
zeichnet sich durch schwache und schlechte Transaktionen aus, die Aktien der
Staatsbahnen sinken um ganze zwölf Kronen. Die ungarische Regierung kann in
Frankreich keine hundert Millionen Kronen Staatsanleihe aufnehmen, aber Sie
verlangen zwanzig Kronen Zulage. Deutschland will seine Stahlwerke abstoßen, man
spricht vom Verkauf österreichischer Staatsgüter, und Sie kommen zu mir und
sagen, als ob das so selbstverständlich wäre: "Ich habe fünfzehn Jahre treu
gedient, Herr Chef, und nun bitte ich Sie, in Berücksichtigung meiner
finanziellen Lage und der allgemeinen Teuerung, im Hinblick auf meine zehn
Kinder, meine durchlöcherten Schuhe und auf meine Krankheit, um eine monatliche
Zulage von zwanzig Kronen." Sie haben recht Sie Unglücklicher, die finanzielle
Lage ist schlecht. Die Aktien der Südbahn sind um fünf Kronen gefallen, und ich
besitze sie ...
Aber wozu sollte ich Ihnen das erzählen, Sie Unglücksmensch! Merken Sie sich,
dass nicht einmal die Aktien der Buschtehrader Bahn gute Bilanzaussichten haben:
der Kurs der A-Kupons der Buschtehrader Bahn ist von 2515,- auf 2426,- gefallen
und der Kurs der B-Kupons von 1004,- auf 976,-. Sie sind ja verrückt mit Ihrer
Forderung auf Gehaltserhöhung. Menschenskind, das ist Wahnsinn! Gehen Sie doch
einmal auf die Prager Börse! Auf dem Markt sind so viele Werte, so viele
Nachfragen, aber was nützt das alles! Die Aktien zeigen bedrohliche
Schwankungen. Keine einzige steht fest. Die Aktien der Kreditbank, die ich mir
zu 760,- verschafft habe, sind auf 750,75 gefallen. Was sagen Sie dazu, wollen
Sie noch immer eine Zulage, Sie Unglückseliger? Bestehen Sie immer noch auf
Ihrer Forderung, wo nicht einmal daran zu denken ist, dass die Schweizer
Regierung- bei uns zwei Millionen l Staatsanleihe aufnehmen könnte, die sie für
den Umlauf benötigt? Ja, mein Lieber! Die monatlichen Kontoauszüge sind nicht
günstig, die diesjährige Bilanz ist zum Wahnsinnigwerden. Rumänien, die Türkei,
Bulgarien, Griechenland können sich keinen Dreier leihen, und Sie wollen, dass
ich Ihnen das Gehalt erhöhe!
Spanien, Portugal und Italien können nirgends eine Anleihe aufnehmen. Das
Bankhaus Francais-Freres in Lyon hat durch die Marokkoexpedition einen Verlust
von hundertfünfzig Millionen erlitten, und Sie kommen ruhig zu mir und verlangen
Geld. Mensch, wissen Sie überhaupt, dass man von einer Fusion der Rossitzer
Kohlenwerke mit den Bedrichwerken spricht, und wissen Sie, dass der Ankauf von
Kuxen des Bergwerkes Maria Anna eine Verringerung des Jahresumsatzes um
zwanzigtausend Kronen zur Folge haben wird? Nirgends gelingen Spekulationen.
Kaufen Sie doch Aktien der Podoler Zementfabrik, alter Mann, und Sie werden
sehen, wie Sie einherstolzieren werden; aber versuchen Sie es einmal an der
Börse! Sie schütteln den Kopf, Sie wollen also nicht. Die Aktien der Koliner
Kunstdüngerwerke sind fest; für die müssen Sie bis 379,- zahlen, ich habe sie zu
382,- erstanden, verliere also drei Kronen. Ich kann Sie nicht ersehen, glauben
Sie mir!
Sie sitzen da wie ein Holzklotz! Der Teufel soll Sie holen samt den Aktien
der Zuckerindustrie. Ich versichere Ihnen, dass auch bei denen eine Abschwächung
eingetreten ist und Sie nicht mehr für diese Aktien bekommen als 261,50, und
wenn Sie sich zerreißen würden. Es wird sich niemand unterstehen, sie mir
anzubieten, ebenso wenig wie die Aktien der Kolbenwerke, das weiß ich. Ich würde
so einen Kerl jagen, Alter! Wissen Sie, dass die Wienerberger
Ziegeleigenossenschaft vor dem Ruin steht und dass sich der amerikanische
Milliardär Brown erschossen hat? Wissen Sie, dass sich die Bankfachleute Müller,
Skalat, Kovner, Hübner das Leben genommen haben, dass sich die Bankiers Reche,
Quinay, Mains, Bulechard erhängt haben, wissen Sie, dass die Finanziers Karelt,
Morrison und Commöt und der Bankier Hamerles mit seinem Kompagnon in Flüsse,
Kanäle und Meere gesprungen sind? Wissen Sie, dass es einen Bankrott nach dem
ändern gibt, dass die Kohlengruben in Alaska brennen und ein amerikanischer
Kohlenkönig in die Flammen gesprungen ist? Wissen Sie, dass die Schwefellager im
Ural durch ein Erdbeben zerstört sind, dass die Oldenburger Fünfzig-Dollar-Lose
um die Hälfte gefallen sind, dass die Salzburger
Eisenbahn-und-Tramway-Gesellschaft Bankrott macht? Das wissen Sie wahrscheinlich
alles nicht, sonst würden Sie nicht von mir eine monatliche Gehaltszulage von
zwanzig Kronen verlangen ...«
Der Geldmann Prochäzka schüttelte den unbeweglich dasitzenden Sima
und
dieser glitt mit erstarrten Gliedern vom Sessel. Über so viel finanziellem Elend
war ihm das Herz gebrochen.