In einem wissenbloggt-Artikel vom 31.7. wird die
optimistische Sicht wiedergegeben, Warum der Atheismus die Religion verdrängen wird: Die
Religion wird durch bessere Einsicht verdrängt, die Ausbreitung der sozialen
Marktwirtschaften sorgt für mehr Lebensqualität, so dass die metaweltlichen
Placebos der Himmelsversprechungen obsolet werden.
Einige Fakten stehen diesem optimistischen Szenario im Wege. Die soziale
Marktwirtschaft soll überall kommen, aber die Globalisierung fördert das
Asoziale (siehe Globalisierter
Vertrauensbruch). Selbst in Deutschland, das sich als Erfinder der sozialen
Marktwirtschaft sieht, herrscht nach 40 Jahren Deregulierung Sozialabbau
(siehe Reload
1970). Die Lage ist gekennzeichnet durch "Sozialismus für die Kapitalisten",
durch endlose Subventionen von unten nach oben, und weltweit räumt das obere 1%
alle Wohlstandsgewinne ab (siehe Der unverdiente Reichtum). Die Selbstbedienung der Manager geht
genauso weiter wie das Billigmachen der Arbeitskraft, die Steuerflucht wird
immer noch nicht hinreichend bekämpft (Bild: geralt, pixabay), und seit 30
Jahren wachsen Schulden und Vermögen viel stärker als die Wirtschaft.
30 Jahre Stagnation der Arbeitslöhne haben den Binnenmarkt so lange
geschwächt, dass sogar die Bundesbank eine Lohnerhöhung von 3% fordert, siehe Bundesbankchef
Weidmann fordert Lohnplus von drei Prozent (Süddeutsche Zeitung 30.7.):
Bundesbank-Präsident Weidmann hat klare Vorstellung zur künftigen
Entwicklung der Löhne – in einem Interview legt er sich auf ein Plus von drei
Prozent fest. Heftige Kritik kommt vom Arbeitgeberverband. Der deutschen
Wirtschaft geht es so gut. dass sie sich aus ihren Gewinnen finanzieren kann und
kaum noch Bankenkredite braucht; da ist es wohl angebracht, die Gehälter um ein
paar Prozent zu erhöhen. Selbst das mögen die Wirtschaftsvertreter nicht
zugestehen, obwohl ihnen klar sein muss, wie problematisch die ewige Bevorzugung
des Exports vor dem Binnenmarkt ist, siehe Exportweltmeisterschaft
angegriffen).
Soweit folgt das noch der kapitalistischen Logik von Marktwirtschaft,
Investitionen und Gewinnen. Für ein gedeihliches Miteinander hat die Wirtschaft
inzwischen zuviel Macht über die Arbeitskraft, und die Politik ist den Lobbys zu
hörig, um das zu ändern. Daran krankt das Modell des freundlichen Kapitalismus'
in Form der sozialen Marktwirtschaft. Es gibt zuviel unverdienten Reichtum und
zuviel Ungleichheit, beides mit steigender Tendenz. Was für Gebräuche da
einreißen, zeigen nicht nur Steuerflucht, Hochfrequenzhandel und
Schattenwirtschaft, sondern auch der Artikel Argentinische Ab- und Hintergründe.
Richtig schlimm wird es durch die Machtergreifung der Politik. Die hat die
Logik der Ökonomie vielfach ausgehebelt. Ökonmische Gesetze, die den
Kapitalismus stark gemacht haben, sind außer Kraft gesetzt. Darüber regiert
nämlich jetzt die politische Willkür. Verantwortlichkeiten werden aufgelöst,
logische Zusammenhänge getrennt. Und die politischen Eingriffe,
Regelübertretungen und Gesetzesbrüche waren niemals gegen die Privilegierten
gerichtet, gegen Steuerflucht, Hochfrequenzhandel oder Schattenwirtschaft,
sondern immer gegen die Allgemeinheit, die zu phantastischen Subventionen für
die Privilegierten gezwungen wurde.
Als 2007 der Bankencrash kam, kam auch der Sündenfall der Politik, vor allem
der Euro-Politik. Die Finanzpolitiker haben das Selbstverständliche verhindert,
nämlich dass die Handelnden Verantwortung für ihre Handlungen übernahmen.
Stattdessen haben die Politiker der Lobby willfahrt und alles umgekehrt. Es
zahlte die Allgemeinheit, sie zahlte auch bei der Euro-Krise
ab 2009, und sie zahlt immer noch für allerlei Bankenbeglückungsmaßnahmen, siehe
Vernichtendes Urteil über die Bankenbeglückung).
Mit über 10 Jahren Verzögerung soll das Selbstverständliche eingeführt werden
(sofern die Mühlen des EU-Parlaments irgendwann mal zuendemahlen), nämlich dass
Aktionäre und Gläubiger auch dann zuerst haften, wenn ein "systemrelevantes"
Unternehmen failliert. siehe Bankenaufsicht
+ Bankenunion = Machtergreifung). Das wird uns als politische Leistung
verkauft, statt als zehnjähriges Versäumnis, das schon beliebig viel Schaden
angerichtet hat.
Der Schaden besteht nicht nur in den den Billionen, die verschenkt wurden,
und die immer noch nicht zurückgefordert werden. Der Schaden ist auch, dass die
Verantwortlichkeit oberhalb der Milliardengrenze abgeschafft wurde. Zugleich
wurde eine Willkürherrschaft etabliert, die das Beseitigen der eigenen Fehler
als politischen Erfolg verkauft. Nachdem die Methode Ökonomie (logische Folgen
treten ein) durch die Methode Politik (Willkür verhindert logische Folgen, oder
auch nicht) ersetzt wurde, ist so gut wie alles zum Verhandlungsgegenstand
geworden.
Es darf geschachert werden. Jeder weiß, er ist nicht verantwortlich, wenn er
lobbystark ist. Sachfremde Argumente sind willkommen, die Gunst der Stunde kann
genutzt werden. Wenn eine Wahl bevorsteht, wenn Migranten sich vor der Tür
massieren, wenn ein Skandal die Agenda verbiegt, wenn Posten zu verteilen sind,
wenn Querlegen Druck macht – alles regiert in Verhandlungen rein, wo es nach
ökonomischer Logik nichts zu suchen hat. Es wird so getan, als ob die Ökonomie
ständige politische Nachbesserung bräuchte statt ordentlicher Regeln.
Wie schwer diese Bürde wiegt, wird sich erst herausstellen müssen. Der
nächste Crash kann immer kommen, schon wegen den Crashrisiken aus der
unendlichen Geldmengenausweitung. Und das Grundproblem vom Euro-Land ist nach
wie vor ungelöst: Wie soll die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit
ausgeglichen werden? Bisher durch phantastische Opfer der Allgemeinheit
zugunsten der Privilegierten, durch Bankenbeglückung, durch Reichtumspflege,
durch Sozialismus für die Kapitalisten.
Aber das geht wohl nur einmal. Wenn sich in paar Jahren wieder die Kluft
auftut, weil die Leistungsfähigkeit nun mal mehr von der Wirtschaft abhängt und
weniger von der Politik, was dann? Wird der schwerbeschädigte Kapitalismus dann
nochmal durch die Euro-, Auto- und Plutokraten deformiert? Unangenehme
Aussichten.
Noch mehr Links dazu:
Ein Crashkurs für die Euro-Krise
Die Lügen der Euro-Politik
Globaler Reichtum, allgemeine Auszehrung
Wirtschaft boomt, Gesellschaft kaputt
Wiedergutmachung auf juristischem Weg