Die Druckausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 11.9.
titelt Schlüsselressorts für London und Paris, um auf die Ernennung vom
neuen EU-Wirtschaftskommissar und vom neuen EU-Finanzkommissar einzugehen. Das
Wirtschaftsressort wird mit einem französischen Sozialisten besetzt, das
Finanzressort mit einem britischen Finanzlobbyisten – doppelt schlechte
Aussichten für die zukünftige Politik der EU-Kommission (Bild: Hans,
pixabay).
Die Ernennungen sind nicht nur Zugeständnisse an England und Frankreich, denn
dass die Länder diese Positionen zugeschustert bekommen, darf man getrost als
Geschenk sehen. Es sind aber auch zwei programmatische Aussagen. Einmal wird die
Kommission sich für die französische Methode des Schluldenmachens einsetzen,
d.h. möglichst viel EU-Geld lockermachen statt zu reformieren. Zum zweiten wird
die Finanzpolitik der EU-Kommission von innen heraus lobbygesteuert – dazu unten
mehr.
Online liest sich das bei der SZ von heute (11.9.) viel unverfänglicher, Neue
EU-Vizepräsidenten – Mit diesen Köpfen will Juncker Politik machen – der
Artikel stellt die neuen Vizepräsidenten vor, allerdings nicht die neuen
Kommissare für Wirtschaft und Finanzen. Die freundliche Sicht hat Tradition, in
Verkennung des Geschehens sah die SZ den neuen EU-Kommissionspräsidenten gar als
Reformator EU-Kommissionspräsident
Juncker – Brutale Profitgier bedroht Europas Leistungen (16.7.): Der
friedliche, faire Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit, die Beteiligung aller
am Erfolg und eine menschenwürdige Grundsicherung für alle Bürger gehören zu den
großen Leistungen Europas. Sie sind in einer Welt maximalen Wettbewerbs und
brutaler Profitgier bedroht. Gelingt es Juncker, sie zu verteidigen, lässt sich
der Vormarsch nationalistischer, anti-europäischer Gruppen stoppen.
Von innen heraus hört man aus dem EU-Parlament ganz andere Töne. Da heißt es,
die Ernennung des Rechtskonservativen Jonathan Hill zum Finanzmarkt-Kommissar
sei eine Provokation. Der Mann, der nun für den Posten des EU-Kommissars für
Finanzmarktstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmärkte nominiert ist
und damit zum Entscheider über die Bankenabwicklungsbehörde der Eurozone gemacht
werden soll, stellt ein Problem dar. Er wird ja für die zentralen Themen der
Finanzmarkregulierung wie Bankenabwicklung und Regulierung von Finanzprodukten
zuständig.
Damit fallen Macht und Verantwortung auseinander, weil Großbritannien sich an
der EU-Bankenabwicklung nicht beteiligen wird und über Hill trotzdem
Verfügungsgewalt darüber gewinnen soll. Die Stabilität unseres Finanzsystems
sollte aber keine politische Handelsware sein und nicht solcherart für
Repressalien zur Disposition gestellt werden. Schließlich hat sich die britische
Regierung durch zahlreiche Klagen gegen die EU-Finanzmarktpolitik hervorgetan.
Der Kandidat ist also denkbar ungeeignet – und außerdem ist er ein
Banken-Lobbyist.
Hill ist Mitbegründer der Beratungsfirma 'Quiller
Consulting', zu deren Kunden Unternehmen aus der Finanzbranche wie die HSBC
gehören. Er hat beste Kontakte zur Londoner City und zur Finanzmarktlobby – und
der soll nun an die zentralen Schalthebeln für die zukünftige
Finanzmarktregulierung drankommen. Das finden viele unakzeptabel und provokant.
Das EU-Parlament wird dem Kandidaten Hill ein schwieriges Hearing im
federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Währung bereiten, heißt es. Man ist
dort vorgewarnt, nachdem die vorige Vorsitzende Sharon Bowles die Drehtür von
ihrem öffentlichen Amt in die Finanzbranche genommen hat, siehe Bäumchen-wechsle-dich – Politiker als Lobbyisten.
Diese Personalien machen klar, dass Juncker seine zweite Chance nutzen will,
sich als Reichtumspfleger und Bankenbeglücker zu profilieren. Das hat er ja
schon als Premierminister
der Steueroase Luxemburg geleistet, siehe auch EU-Interna – Kampf um Macht und Geld. Ein Eigenzitat
daraus:
Was bei dem Hickhack untergeht, ist die Grundfrage des Postengeschiebes:
Macht es überhaupt einen Unterschied? Was wäre, wenn es keinen
Kommissionspräsidenten usw. gibt, und keiner merkt was? Grundsätzliche Kritik
bleibt aber ohnehin aus, dabei hat Juncker Luxemburgs Weg zur Steueroase
maßgeblich mitgestaltet.
Kleine Korrektur am Ende: Das bedeutet dreimal schlechte Aussichten, nicht
nur zweimal:
zum ersten dürfte die neue Kommission sich für die französische Methode des
Schuldenmachens einsetzen, d.h. möglichst viel EU-Geld lockermachen statt zu
reformieren
zum zweiten dürfte die Finanzpolitik der EU-Kommission von innen heraus
lobbygesteuert werden, weil man den Bock zum Gärtner machen wird
und zum dritten ist die Personalie Juncker wohl ohnehin eine Gewähr für
Reichtumspflege und Bankenbeglückung – der EZB-Chef Draghi darf sich auf einen
kompetenten Mitstreiter für die Belange der Abzockerelite freuen.