“Es gibt keinen Zwang im Glauben” ist ein gern zitierter Satz, um die
vermeintliche Toleranz des Islams in Glaubensfragen darzustellen oder zu
untermauern. Auf eine genaue Quellenangabe wird dabei oft verzichtet, und auch
der Zusammenhang des Satzes wird meist nicht näher erläutert.
In einer anderen Übersetzung lautet dieser Satz “Es
soll kein Zwang sein im Glauben” (Ahmadiyya, PDF-Seite 47, dort Vers 257).
“Es
soll nicht” bedeutet allerdings längst nicht “es darf nicht”
oder “es gibt nicht”.
Obendrein wird beim gedanklichen wie auch beim lautlichen Sprechen des Satzes
die Betonung intuitiv eher auf die Wörter «kein Zwang» gelegt:
“Es gibt
keinen Zwang im Glauben”.
Wenn man jedoch die Betonung auf das Wort «im» legt, assoziiert man mit dem
Satz evtl. etwas ganz anderes:
“Es gibt keinen Zwang im
Glauben”.
Außerhalb des Glaubens aber womöglich durchaus.
Sofern man in diesem Glauben, in dieser Religion lebt,
damit aufgewachsen ist und nie Vergleiche angestellt hat, oder sich freiwillig
dort hineinbegeben hat, dann empfindet man manches vermutlich gar nicht als
Zwang - was von einem Außenstehenden jedoch ganz anders, vielleicht sogar
gegenteilig wahrgenommen oder empfunden wird.
In der Wikipedia gibt es zu diesem Koran-Vers (Sure 2:256)
einen ausführlichen Artikel, in dem mehrere
Beispiele aufgeführt sind, wie dieser Satz im historischen Kontext zu verstehen
sei.
Den Zwang außerhalb bzw. jenseits des Glaubens kennen z.B. Apostaten des
Islams - denn auf Apostasie (Abfall vom Glauben, arab. Ridda) steht nach
islamischem Recht auch heutzutage die Todesstrafe, wie sie in mehreren Ländern, in denen Islam
Staatsreligion ist bzw. in denen islamische Gesetze gelten, an
Glaubensabtrünnigen vollstreckt wird.
Die Absicht, mit diesem einen Satz aus Sure
2 Vers 256 des Korans eine Toleranz des Islams allgemein oder in
Glaubensfragen herzuleiten oder zu belegen, gerät angesichts der drohenden Todesstrafe für Apostaten gemäß islamischem Recht zu blankem Hohn.