EU: Zu viele Kröten auf einmal

Sozialdemokraten verschlucken sich an konservativen Problem-Kommissaren

Aussendung von Sven Giegold vom 8.10.2014

Die Fachausschüsse des Europaparlaments haben Alenka Bratusek aus Slowenien durchfallen lassen. Die wirklichen Problemfälle wurden durch die Stimmen der Konservativen und Sozialdemokraten bestätigt: Ölinvestor Cañete als Klimakommissar, der neoliberale Falke Katainen als Kommissar für ein Investitionspaket und Klima und Ex-Bankenlobbyist Lord Hill als Finanzmarktkommissar. An der Wahl von Dombrovskis als Währungskommissar besteht kein Zweifel mehr. Er hatte in seiner Anhörung große Schritte auf das Programm von Juncker zugemacht.

Den Vollzug des großkoalitionären Kompromisses kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament: "Mit den vier konservativen Problem-Kommissaren Cañete, Hill, Katainen und Dombrovskis schlucken die Sozialdemokraten zu viele Kröten, um ihren Kandidaten Moscovici zu retten. Die Mehrheiten für die konservativen Problem-Kommissare sind dadurch zustande gekommen, dass sich die Sozialdemokraten auf einen ungleichen Kuhhandel mit den Konservativen eingelassen haben. Die Sozialdemokraten haben die vier konservativen Kandidaten durchgewunken, nur um den Sozialdemokraten Moscovici als Wirtschaftskommissar durchzusetzen. Mit diesem schrägen Deal tritt die Große Koalition im EU-Parlament die Europäische Demokratie mit Füßen. Das hart erkämpfte Anhörungsrecht des Europaparlaments wird durch Parteitaktik ausgehebelt. Interessenskonflikte und einseitige Orientierung auf Austerität sind bedeutungslos.

Frau Bratusek ist das Bauernopfer der Großen Koalition, weil sie als Liberale zu keiner der beiden großen Parteifamilien gehört und die neue slowenische Regierung ohnehin gerne eine neue Benennung aus ihren eigenen Reihen wollte.

Die bisherigen Abstimmungsergebnisse:
designierte Vizepräsidentin Alenka Bratusek (Energie Union): nicht bestätigt
geeignet als Kommissarin: 13 Ja, 112 Nein, 2 Enthaltungen
geeignet für das Porfolio: [entfallen]

designierter Kommissar Arias Cañete (Klima und Energie): bestätigt
geeignet als Kommissar: 83 Ja, 42 Nein, 3 Enthaltungen
geeignet für das Porfolio: 77 Ja, 48 Nein, 3 Enthaltungen

designierter Vizepräsident Jyrki Katainen (Jobs, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit): bestätigt
geeignet als Kommissar: 123 Ja, 40 Nein, 5 Enthaltungen
geeignet für das Portfolio: 98 Ja, 52 Nein, 18 Enthaltungen

designierter Kommissar Lord Jonathan Hill (Finanzmarkt): bestätigt
geeignet als Kommissar: 43 Ja, 15 Nein, 0 Enthaltungen
geeignet für das Portfolio: 42 Ja, 16 Nein, 0 Enthaltungen

designierter Kommissar Pierre Moscovici (Wirtschaft): bestätigt
geeignet als Kommissar: 44 ja, 12 Nein, 3 Enthaltungen
geeignet für das Portfolio: 32 ja, 15 Nein, 12 Enthaltungen

designierter Vizepräsident Valdis Dombrovskis (Euro und Sozialer Dialog): bestätigt
geeignet als Kommissar: 73 ja, 25 Nein, 4 Enthaltungen
geeignet als Portfolio: 54 Ja, 37 Nein, 11 Enthaltungen

Damit fällt auf, dass der sozialdemokratische Kandidat deutlich weniger Stimmen erhielt als alle konservativen Kandidaten.