Diskriminierende Kirchenbeitrags-Steuerregelung

"VfGH hat als oberste Kontrollinstanz der Republik versagt"

Presseaussendung der Initiative Religion ist Privatsache vom 15.10.2014

"Dieses Urteil ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht aller Österreicherinnen und Österreicher, die keiner gesetzlich anerkannten Kirche angehören. Es sollte auch alle beunruhigen - Katholiken, Protestanten und Altkatholiken inklusive - die die Schaffung einer weltanschaulichen Zweiklassengesellschaft ablehnen" meint Eytan Reif, dessen Beschwerde gegen einen Bescheid des UFS Wien vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Dienstag abgewiesen wurde. Reif, der auch Sprecher der "Initiative Religion ist Privatsache" ist, beschwerte sich nachdem die Steuerbehörde den von ihm geleisteten Pflichtbeitrag an die Initiative nicht als Sonderausgabe gem. §18 Abs. 1 Z. 5 des Einkommenssteuergesetzes anerkannt hatte. Bedenklich ist für Reif die Entscheidung des VfGH auch deshalb, weil letzterer "sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, eine halbwegs plausible Begründung für das Gutheißen dieser weltanschaulichen Ungleichbehandlung zu liefern". Laut Reif ignorierte der VfGH in seinem Urteil sämtliche vorgelegte Beweise hinsichtlich der Unsachlichkeit und Unangemessenheit der pro-christlichen Steuerregelung. So wurde ein vernichtender Bericht des Rechnungshofes zur Unsachlichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages ebenso außer Acht gelassen wie Detailinformationen der katholischen Kirche zur Verwendung des Kirchenbeitragsaufkommens.

Angaben des Finanzministeriums zufolge entgehen der Republik aufgrund der umstrittenen Regelung jährlich 120 Mio. Euro. "Dieses Geld wird de facto Schulen, Universitäten, Spitälern und Pensionisten weggenommen um besserverdienenden Christen den Kirchenbeitrag zu versüßen. Ein politisch legitimes Ziel, das die vorliegende grobe Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes rechtfertigen würde, sieht definitiv anders aus" meint Reif. Als "bestenfalls bedenklich" bezeichnet Reif zudem den Umstand, dass der VfGH "aus keinem ersichtlichen legitimen Grund" seine eigene Schlüsselentscheidung zur selben Frage, dessen Anwendung höchstwahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, "glatt ignorierte". In einer Entscheidung vom Jahr 2012 wies nämlich der VfGH eine Beschwerde des Freidenkerbundes (G142/11) zurück mit der Begründung, dass die Wirkung der steuerlichen Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages primär beim Steuerpflichtigen zu finden ist. "Und nun, zwei Jahre später, ist alles wieder anders" zeigt sich Reif verwundert. "Man wird den Eindruck nicht los, dass in diesem Fall der VfGH zuerst das Ergebnis festgelegt hat, um erst anschließend, eine halbwegs passende Begründung zu finden. Dass zu diesem Zweck vollkommen unpassende Hinweise auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte getätigt wurden, versteht sich fast von selbst" subsumiert Reif die Entscheidung.

"Mit seinem gestrigen Urteil hat der VfGH seine Rolle als oberste Kontrollinstanz der Republik nicht wahrgenommen und einer unsachlichen und diskriminierenden Gesetzgebung Tür und Tor geöffnet. Dieses Urteil darf so nicht stehen gelassen werden, insbesondere auch deshalb nicht, weil keine Parlamentspartei derzeit den Mut aufbringt, gegen diese AUSSCHLIESSLICH religiös motivierte Steuerprivilegierung vorzugehen; nach der Wahl ist NICHT vor der Wahl. Derzeit wird daher überprüft, ob neben der Anrufung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auch ein Gang zum Europäischen Gerichtshof denkbar ist", so Reif abschließend.