"Dieses Urteil ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht aller
Österreicherinnen und Österreicher, die keiner gesetzlich anerkannten
Kirche angehören. Es sollte auch alle beunruhigen - Katholiken,
Protestanten und Altkatholiken inklusive - die die Schaffung einer
weltanschaulichen Zweiklassengesellschaft ablehnen" meint Eytan Reif,
dessen Beschwerde gegen einen Bescheid des UFS Wien vom
Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Dienstag abgewiesen wurde. Reif, der
auch Sprecher der "Initiative Religion ist Privatsache" ist, beschwerte
sich nachdem die Steuerbehörde den von ihm geleisteten Pflichtbeitrag an
die Initiative nicht als Sonderausgabe gem. §18 Abs. 1 Z. 5 des
Einkommenssteuergesetzes anerkannt hatte. Bedenklich ist für Reif die
Entscheidung des VfGH auch deshalb, weil letzterer "sich nicht einmal
die Mühe gemacht hat, eine halbwegs plausible Begründung für das
Gutheißen dieser weltanschaulichen Ungleichbehandlung zu liefern". Laut
Reif ignorierte der VfGH in seinem Urteil sämtliche vorgelegte Beweise
hinsichtlich der Unsachlichkeit und Unangemessenheit der
pro-christlichen Steuerregelung. So wurde ein vernichtender Bericht des
Rechnungshofes zur Unsachlichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit des
Kirchenbeitrages ebenso außer Acht gelassen wie Detailinformationen der
katholischen Kirche zur Verwendung des Kirchenbeitragsaufkommens.
Angaben
des Finanzministeriums zufolge entgehen der Republik aufgrund der
umstrittenen Regelung jährlich 120 Mio. Euro. "Dieses Geld wird de facto
Schulen, Universitäten, Spitälern und Pensionisten weggenommen um
besserverdienenden Christen den Kirchenbeitrag zu versüßen. Ein
politisch legitimes Ziel, das die vorliegende grobe Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes rechtfertigen würde, sieht definitiv anders aus"
meint Reif. Als "bestenfalls bedenklich" bezeichnet Reif zudem den
Umstand, dass der VfGH "aus keinem ersichtlichen legitimen Grund" seine
eigene Schlüsselentscheidung zur selben Frage, dessen Anwendung
höchstwahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, "glatt
ignorierte". In einer Entscheidung vom Jahr 2012 wies nämlich der VfGH
eine Beschwerde des Freidenkerbundes (G142/11) zurück mit der
Begründung, dass die Wirkung der steuerlichen Absetzbarkeit des
Kirchenbeitrages primär beim Steuerpflichtigen zu finden ist. "Und nun,
zwei Jahre später, ist alles wieder anders" zeigt sich Reif verwundert.
"Man wird den Eindruck nicht los, dass in diesem Fall der VfGH zuerst
das Ergebnis festgelegt hat, um erst anschließend, eine halbwegs
passende Begründung zu finden. Dass zu diesem Zweck vollkommen
unpassende Hinweise auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte getätigt wurden, versteht sich fast von selbst"
subsumiert Reif die Entscheidung.
"Mit seinem gestrigen Urteil hat der VfGH seine Rolle als oberste Kontrollinstanz der Republik nicht wahrgenommen und einer unsachlichen und diskriminierenden Gesetzgebung Tür und Tor geöffnet. Dieses Urteil darf so nicht stehen gelassen werden, insbesondere auch deshalb nicht, weil keine Parlamentspartei derzeit den Mut aufbringt, gegen diese AUSSCHLIESSLICH religiös motivierte Steuerprivilegierung vorzugehen; nach der Wahl ist NICHT vor der Wahl. Derzeit wird daher überprüft, ob neben der Anrufung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auch ein Gang zum Europäischen Gerichtshof denkbar ist", so Reif abschließend.