Irgendwo sitzen sie, die bleichen Büro-Fratzen
und die dunklen Profit-Erfüllungsgehilfen. Ihre lächelnden TV-Masken
haben sie in den schwarzen Aktenkoffern verstaut. Ihr blechernes
Demokratie- und Freiheitsgeschwätz ist für den abendlichen
Fernseh-Betrieb reserviert. Namenlos, bar jeder Verantwortung und
Kontrolle basteln sie seit langem an TISA (Trade in Services Agreement),
einem Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Wie schon beim
TTIP, dem Abkommen über die Auslieferung europäischer Rechte an die
Konzerne der USA, sind es erneut feige Funktionäre, die mit TISA Reste
der EU-Demokratie wohlfeil verscherbeln: Für einen Posten hier, für ein
amerikanisches Wohlwollen da. Und sie haben gute Gründe ihre Namen nicht
preiszugeben: Man könnte sie zur Verantwortung ziehen, für das
Schreddern ihrer Amtseide, für ihr Rumtrampeln auf Verfassungen.
Rund 50 Länder, unter ihnen wie immer die USA
und die EU, lassen hinter fest verschlossenen Türen zum Beispiel über
den Bestand kommunalen Eigentums verhandeln: Es soll faktisch
abgeschafft werden. Ob Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe oder Wasserwerke,
alles soll nach TISA radikal dem Markt unterworfen sein. Und wenn
städtische Betriebe einmal privatisiert worden sind, will das
TISA-Monster eine Rekommunalisierung gesetzlich verbieten. Wo immer in
den Geheimpapieren von elektronisch erfassten Daten die Rede ist, taucht
das giftige Wort "Liberalisierung" auf. Es gibt, im Vergleich mit den
USA, in der EU immer noch ein paar staatliche Regeln zum Datentransfer:
Weg damit. Die Konzerne brauchen den freien Zugriff auf alles, was ihnen
Verkauf und Marketing erleichtert. Dass die kommunalen Banken und
Sparkassen, letzte Bastionen städtischer Einflussnahme auf den
Finanzsektor, abgeschafft werden sollen, versteht sich. Und auch die
gesetzlichen Regelungen für Berufe wie Anwälte, Architekten oder
Ingenieure stören die Markfetischisten sehr: Letzte Spuren von
Staatlichkeit sind Hindernisse für den Profit.
In der Neujahrsrede der Kanzlerin aller
Kanzlerinnen tauchte das Wort TISA natürlich nicht auf. Nur unter den
"Herausforderungen", die es laut Merkel zu "meistern" gilt, gibt es
einen kleinen Hinweis: "Der Welthandel, bei dem es darum geht, große
Wettbewerbschancen zu nutzen" zählt zu den Drohungen, die von ihrer
Kleinmädchen-Stimme verharmlost werden. Und so hat sie denn mal wieder
den Ton angegeben, den Schweige-Ton, die Grabes-Stille, die
Sprach-Losigkeit deutscher Medien. Zuletzt meldete die TAGESSCHAU im
Juni, dass sich die anonyme TISA-Runde seit dem Jahr 2013 regelmäßig in
der australischen UN-Botschaft in Genf träfe. Im Oktober des vergangenen
Jahre ließ die ZEIT den slowenischen Philosophen Slavoj Žižek mal kurz
zu Wort kommen. Zu TISA wusste er zu sagen: "Unablässig mit
aufgezwungenen "freien Wahlen" bombardiert und zu Entscheidungen
gezwungen, für die es uns an der rechten Qualifikation und Information
fehlt, erleben wir unsere Freiheit zunehmend als das, was sie in
Wirklichkeit ist: als eine Last, die uns die Entscheidung für
politischen Wandel unmöglich macht."
Ausgehebelt sind die Parlamente, in denen
vorgeblich die Freiheit verwaltet wird. Eine lächerliche
Fassaden-Demokratie macht sich in Talk-Shows breit. Die
Bundestags-Inszenierungen bieten zunehmend schlechteres Theater. Denn
erst wenn der Vorhang gefallen ist, tagen in den Hinterzimmern der Macht
die eigentlichen Entscheidungsrunden. Und die angeblich freie Presse
kennt keine Namen, nennt keine Namen. Wer genau ist das, der die
Interessen der Menschen in der australischen Botschaft verkauft? Was
zahlt man ihm dafür? Wo wohnt er? Wann können wir ihn besuchen? Das
wissen wir nicht, sagt uns die Chefredaktion. Wir sind gerade mit dem
Ukraine-Krieg beschäftigt. Wir müssen uns um den Nord-Irak kümmern. Wir
feiern zur Zeit das Ende der Afghanistan-Mission. Zwar haben wir die
Afghanen nicht erfolgreich missioniert, und so richtig ist kein Ende
abzusehen, aber wir feiern schon mal. - Am Rand des deutschen
Sprachgebietes, stimmte der Bezirkstag Oberbayern jüngst gegen das
Freihandelsabkommen TISA.
Noch weiter südlich, im österreichischen
Leonding, stellte der Gemeinderat fest: "Mit den Freihandelsabkommen
TTIP, CETA und TiSa werden Städte und Gemeinden eingeschränkt,
Dienstleistungen, die im allgemeinen Interesse liegen und zu denen alle
Bürgerinnen und Bürger möglichst freien Zugang haben sollten, selbst zu
erbringen oder in Eigenregie zu vergeben." Wächst die Einsicht vom Rand
zur Mitte?
Das neue Jahr ist das alte: Das Kapital-Gefängnis bekommt nicht einmal einen neuen Anstrich, geschweige, dass die Türen geöffnet werden würden.