Die Türkei mischt sich in die österreichische Innenpolitik ein,
weil mit der bisher gepflegten Vorgangsweise war die türkische Islambehörde
Diyanet in der Lage, die islamische Gesellschaft in Österreich direkt zu
beeinflussen. Nun meinte der Diyanet-Chef Mehmet Görmez, dass das Gesetz
Österreich um hundert Jahre zurückwerfen werde, weil es die Einheit
der Muslime und ihre Existenz gefährde.
Genau darum sollte es im
Gesetz eigentlich gehen: es kann eben keine "Einheit der Muslime",
keine türkische Herrschaft über die Muslime in Österreich geben,
sondern viele Strömungen und Gruppierungen, die jedoch im neuen Gesetz
keine entsprechende Berücksichtigung finden, wie die Initiative liberaler
Muslime Österreich - ILMÖ am 25.2.2015 in einer Pressemitteilung kritisierte:
Mit dem am 25.2.2015 beschlossenen Islamgesetz Neu wird den Muslimen in Österreich die Anerkennung als Religionsgesellschaft, die ihnen 1912 gewährt worden war, entzogen. Stattdessen werden der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) Sonderrechte eingeräumt, die keine echte Religionsgemeinschaft jemals erhalten hat.
Wir empfinden es als befremdend, dass das Gesetz jahrelang mit Vertretern
der IGGiÖ verhandelt worden ist, aber nicht mit den in Österreich
lebenden Muslimen.
Der Großteil der Muslime in Österreich
ist nicht radikal und will sich von der IGGiÖ nicht vertreten und nicht
gängeln lassen. In den Gremien der IGGiÖ sind unter anderem vertreten:
Die
türkische Behörde ATIB, die türkische Milli Görüs,
die Muslimbruderschaft, die Hamas, die türkischen Grauen Wölfe, Hizb
ut Tharir, die Muslimische Jugend, der türkische Wirtschaftsverband Müsiad.
Alle
diese Vereine vertreten nicht die religiösen Interessen der in Österreich
lebenden Muslime, viele von ihnen stehen dem Dschihadismus und Terrorismus nahe.
Durch ihre radikale Positionierung hat die IGGiÖ daher kein Mandat zur
religiösen Vertretung von Muslimen, gleich welcher Glaubensrichtung.
Wir
empfinden es als noch befremdender, dass Vereine jetzt ihre Tätigkeit an
die Glaubensgrundlagen der IGGiÖ anpassen sollen, aber die IGGiÖ nie
Glaubensgrundlagen vorgelegt und nie eine Anerkennung als Religionsgesellschaft
beantragt hat, auch keine Moscheen betreibt.
Der angebliche Zweck, die
ausländische Einflussnahme zu verhindern, wurde auf Wunsch der IGGiÖ
umgangen, weil diese ausländische Einflussnahme auf die und über die
Vereine erfolgt. Darauf hat das Islamgesetz aber keinen Zugriff. Die zahlreichen
Vereine werden deshalb weiter von ausländischen Predigern geleitet und
aus dem Ausland finanziert.
Der wichtige Religionsunterricht wurde
im Gesetz nicht berücksichtigt. Stattdessen wurden bezahlte "Geistliche"
(Imame) und Seelsorger eingeführt, obwohl die Religion des Islam solche
Funktionen nicht kennt. Die große Mehrheit der Muslime lehnt angestellte
und bezahlte Islam-Seelsorger ab.
Unvereinbar mit religiösen Vorgaben
ist auch eine Bewilligung der Nutzung der islamischen Friedhöfe, durch
Kultusgemeinden. Diese Friedhöfe sind kommunal, einzelne Organisationen
dürfen nicht das Recht erhalten, Muslime an der Nutzung eines Friedhofes
als letzte Ruhestätte zu hindern, was schon öfters vorgekommen ist.
Wir
sind enttäuscht, dass die Abgeordneten der Regierungsparteien den Gesetzesvorschlag
nicht wenigstens durchgelesen hatten und nicht verstanden haben, was sie mit
dem Gesetz anrichten.
Österreichische Muslime haben jetzt die
Möglichkeit, gegen das neue Islamgesetz, das ihre Rechte beschneidet, zum
Verfassungsgerichtshof zu gehen.
Amer Albayati - Präsident www.initiativeliberalermuslime.org
Soweit die ILMÖ, die statt für Einheit für die Vielfalt und sich speziell für einen sich an den Verhältnissen und Traditionen in Europa orientierenden Islam eintritt, also nicht für eine an vormodernen Bräuchen orientierte islamische Parallelgesellschaft, sondern für ein Zusammenleben im Hier und im Heute.