Gerichtlich abgesicherter Religionszwang?

Meldung von "Religion ist Privatsache" vom 15.04.2015:

Religionszwang in NÖ Volksschule: auch Verwaltungsgerichtshof verweigert inhaltliche Entscheidung

Der Justizskandal um den katholischen Religionszwang in der Volksschule Atzenbrugg (Bez. Tulln) ist nun um eine Facette reicher. In einer letztinstanzlichen Entscheidung wies der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eine Beschwerde gegen ein früheres Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) zurück. Auch dieses weigerte sich, eine Beschwerde gegen den systematischen Missbrauch des Musik- und Rechenunterrichts für Erstkommunionsvorbereitungen der katholischen Zweitklässler inhaltlich zu behandeln. Gegen die Entscheidung des VwGH kann in Österreich kein Rechtsmittel mehr angewendet werde da der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sich bereits im Vorjahr geweigert hat, die Sache inhaltlich zu behandeln.

„Auch dieser Fall veranschaulicht eindrucksvoll, dass in Österreich Religion gegenüber den Rechtsstaat den Vorrang hat und erst recht dann, wenn Interessen der Katholischen Kirche betroffen sind" meint Eytan Reif von der „Initiative Religion ist Privatsache“, die das Verfahren seit Anbeginn begleitet und mitfinanziert. Laut Reif unterscheidet aber „die Tiefe des gerichtlichen Systemversagens" den vorliegenden Fall von der „in Österreich ohnehin üblichen pro-katholischen Rechtsbeugung". Reif dazu: „Auf der einen Seite wurde Bürgern, die eine Verletzung ihrer Grundrechte bekämpfen wollten, systematisch die Möglichkeit verwehrt, eine wirksame Beschwerde einzubringen. Dieser verfassungswidrige Umstand sollte jeden Demokraten hellhörig machen und zwar ungeachtet seiner konfessionellen Zugehörigkeit. Auf der anderen Seite wurde aber auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich unterminiert. Das wichtige Instrumentarium der Maßnahmenbeschwerde wurde nämlich geopfert, um eine Trennung von Kirche und Verwaltung zu verhindern". Laut Reif sind erste negative Auswirkungen des vorliegenden Verfahrens bereits sichtbar: „Im Burgenland, wo seit Monaten ein Elternpaar gegen die gesetzlich nicht gedeckte katholische Erziehung im Kindergarten ihres Kindes kämpft, rechtfertigt bereits die Aufsichtsbehörde ihre Untätigkeit mit der Weigerung des VfGH die Beschwerde gegen die Erstkommunionsvorbereitungen inhaltlich zu behandeln. Die Signalwirkung dieses Nichturteils ist verheerend".

Kleine Erfolge konnten die Beschwerdeführer allerdings bereits verbuchen: Die Unzulässigkeit der Erstkommunionsvorbereitung wie sie an der Volksschule stattfand wurde auch vom Bildungsministerium im Zuge der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen vom 28. Juli 2014 bestätigt: „Nicht zulässig ist das Singen bzw. Üben religiöser Aufgrund der Verletzung ihrer Religionsfreiheit sowie ihres Rechts auf eine wirksame Beschwerde (Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention) werden nun die Beschwerdeführer den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen. Lieder im Gesamtunterricht ausschließlich zur Vorbereitung einer außerschulischen religiösen Feier (zB. Erstkommunion)...". Dementsprechend und entgegen der vom Niederösterreichischen Landeshauptmann und zugleich Landesschulratspräsidenten Erwin Pröll über die „Kronenzeitung" abgegebene Garantie, wonach „Kirchenlieder in der Schule weiter gesungen werden", wurde heuer, laut Informationen die der Initiative vorliegen, in der Volksschule Atzenbrugg von Erstkommunionsvorbereitungen außerhalb des Religionsunterrichts Abstand genommen.