Der Justizskandal um den katholischen Religionszwang in der
Volksschule Atzenbrugg (Bez. Tulln) ist nun um eine Facette reicher. In
einer letztinstanzlichen Entscheidung wies der Verwaltungsgerichtshof
(VwGH) eine Beschwerde gegen ein früheres Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) zurück. Auch dieses weigerte sich, eine
Beschwerde gegen den systematischen Missbrauch des Musik- und
Rechenunterrichts für Erstkommunionsvorbereitungen der katholischen
Zweitklässler inhaltlich zu behandeln. Gegen die Entscheidung des VwGH
kann in Österreich kein Rechtsmittel mehr angewendet werde da der
Verfassungsgerichtshof (VfGH) sich bereits im Vorjahr geweigert hat, die
Sache inhaltlich zu behandeln.
„Auch dieser Fall veranschaulicht eindrucksvoll, dass in Österreich
Religion gegenüber den Rechtsstaat den Vorrang hat und erst recht dann,
wenn Interessen der Katholischen Kirche betroffen sind" meint Eytan Reif
von der „Initiative Religion ist Privatsache“, die das Verfahren seit
Anbeginn begleitet und mitfinanziert. Laut Reif unterscheidet aber „die
Tiefe des gerichtlichen Systemversagens" den vorliegenden Fall von der
„in Österreich ohnehin üblichen pro-katholischen Rechtsbeugung". Reif
dazu: „Auf der einen Seite wurde Bürgern, die eine Verletzung ihrer
Grundrechte bekämpfen wollten, systematisch die Möglichkeit verwehrt,
eine wirksame Beschwerde einzubringen. Dieser verfassungswidrige Umstand
sollte jeden Demokraten hellhörig machen und zwar ungeachtet seiner
konfessionellen Zugehörigkeit. Auf der anderen Seite wurde aber auch die
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich unterminiert. Das wichtige
Instrumentarium der Maßnahmenbeschwerde wurde nämlich geopfert, um eine
Trennung von Kirche und Verwaltung zu verhindern". Laut Reif sind erste
negative Auswirkungen des vorliegenden Verfahrens bereits sichtbar: „Im
Burgenland, wo seit Monaten ein Elternpaar gegen die gesetzlich nicht
gedeckte katholische Erziehung im Kindergarten ihres Kindes kämpft,
rechtfertigt bereits die Aufsichtsbehörde ihre Untätigkeit mit der
Weigerung des VfGH die Beschwerde gegen die Erstkommunionsvorbereitungen
inhaltlich zu behandeln. Die Signalwirkung dieses Nichturteils ist
verheerend".
Kleine Erfolge konnten die Beschwerdeführer allerdings bereits
verbuchen: Die Unzulässigkeit der Erstkommunionsvorbereitung wie sie an
der Volksschule stattfand wurde auch vom Bildungsministerium im Zuge der
Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen vom 28. Juli
2014 bestätigt: „Nicht zulässig ist das Singen bzw. Üben religiöser
Aufgrund der Verletzung ihrer Religionsfreiheit sowie ihres Rechts
auf eine wirksame Beschwerde (Art. 13 der Europäischen
Menschenrechtskonvention) werden nun die Beschwerdeführer den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen.
Lieder im Gesamtunterricht ausschließlich zur Vorbereitung einer
außerschulischen religiösen Feier (zB. Erstkommunion)...".
Dementsprechend und entgegen der vom Niederösterreichischen
Landeshauptmann und zugleich Landesschulratspräsidenten Erwin Pröll über
die „Kronenzeitung" abgegebene Garantie, wonach „Kirchenlieder in der
Schule weiter gesungen werden", wurde heuer, laut Informationen die der
Initiative vorliegen, in der Volksschule Atzenbrugg von
Erstkommunionsvorbereitungen außerhalb des Religionsunterrichts Abstand
genommen.