Anlässlich der bevorstehenden Landtagswahlen wurde nun Religion vom
burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl offiziell zu einem Wahlkampfthema
erhoben. In einem an die Bevölkerung von Parndorf gerichteten offenen Brief
hob Niessl am Samstag die christliche Prägung des Burgenlands hervor und
lieferte dem erzkatholischen pädagogischen Personal eines Parndorfer Kindergartens
Rückendeckung.
In diesem Kindergarten tobt seit Monaten ein
Streit wegen täglicher Morgen- und Tischgebete, einer strengkatholischen
Erziehung sowie der Weigerung des Kindergartenpersonals, nichtchristlichen Kindern
während katholischer Feiern eine alternative Betreuung anzubieten. Unaufgefordert
und ohne jeden Anlass betonte Niessl auch die Rechtmäßigkeit der
Kreuzanbringungspflicht in öffentlichen Kindergärten im Burgenland.
Dem
Brief, der nach niederösterreichischer Manier offensichtlich an die katholische
Mehrheit gerichtet war, waren neben nichts aussagenden Behauptungen ("Das
Burgenland ist ein christlich geprägtes Land, wobei die Integration von
Menschen anderer Glaubensrichtungen in vorbildlicher Weise funktioniert und
so ein friedvolles Miteinander gewährleistet ist") auch Halb- und
Unwahrheiten zu entnehmen. So behauptet Niessl, irreführend, dass "die
Grundlage dafür, welche religiösen Bildungsinhalte in Kinderbetreuungseinrichtungen
zulässig sind", die "Europäische Menschenrechtskonvention,
das österreichische Verfassungsrecht und Entscheidungen der Höchstgerichte"
bilden.
Diese Behauptung stimmt insofern nicht als in besagtem Kindergarten,
der von der Gemeinde Parndorf betrieben und vom Land beaufsichtigt wird, pädagogische
Unterlagen, die von der Katholischen Kirche erstellt und vom Land zur Verfügung
gestellt wurden, die tatsächliche Basis für die religiöse Erziehung
bilden.
Von besonderer Brisanz ist jedoch Niessls Schlusswort, in
dem er sich bei den "Verantwortlichen in der Gemeinde Parndorf sowie den
Pädagoginnen" für ihren "Einsatz und das Engagement um ein
friedvolles Miteinander" bedankt. Dem überwiegend katholischen
Adressatenkreis des frommen Briefes verschweigt nämlich Niessl, dass seitens
der burgenländischen Landesregierung den beschwerdeführenden Eltern
gegenüber bereits eingeräumt wurde, dass die Vorgangsweise des Kindergartenpersonals
gesetzeswidrig sei (die Unterlagen liegen der "Initiative Religion
ist Privatsache" vor). Niessls resolutem Brief, der rechtzeitig vor Pfingsten
auch über seine Facebookseite veröffentlicht wurde, war ferner nicht
zu entnehmen, dass infolge der Vorkommnisse im besagten Kindergarten das
Land Burgenland den Beschluss gefasst hat, noch im Sommer 2015 eine Arbeitsgruppe
einzurichten, die den Umgang mit religiösen Bildungsinhalten im Kindergarten
überarbeiten soll.
Die "Initiative Religion ist Privatsache"
begrüßt sämtliche Bemühungen der zuständigen Behörde,
den Konflikt im betroffenen Kindergarten gütig zu lösen und pro-religiöse
Bevormundung und Indoktrination zu verhindern. Gleichzeitig verurteilt jedoch
die Initiative auf das Schärfste jegliche Versuche, Religion für Wahlkampfzwecke
zu instrumentalisieren und mit populistischen Parolen, die an die katholische
Mehrheit gerichtet sind, staatlich geförderte religiöse Diskriminierung
zu fördern.
Nachbemerkung atheisten-info: Ob man in Parndorf durchgängig so sehr katholisch ist wie es der SPÖ-Landeshauptmann vermutet, darf bezweifelt werden. Den Bürgermeister in Parndorf stellte die "Liste Parndorf" mit 14 Gemeinderäten, die SPÖ hat nur neun Sitze, die ÖVP gar nur zwei, die FPÖ keinen. 2010 bei den Landtagswahlen hatte die SPÖ jedoch fast 65 % der Stimmen - es kann also eigentlich gar nicht darum gehen, besonders christliche Stimmen einsammeln zu können...