Es ist kein Mensch, es ist kein Tier, es ist ein Panzergrenadier: So besingt
die Bundeswehr in schöner Selbsterkenntnis ihre Panzergrenadiere. Und deren
Schlachtruf: "Dran! Drauf! Drüber!" belegt diese Einschätzung.
Dran an den Feind sollen die Grenadiere, dann sollen sie auf ihn drauf, um nur
wenig später siegreich über ihn herzufallen. Das im sächsischen
Marienberg stationierte Panzergrenadierbataillion 371 wird diesen Ansprüchen
sicher gerecht geworden sein. Denn das "Marienberger Jäger" genannte
Bataillon war schon im Kosovo auf Jagd, in Bosnien und auch in Afghanistan.
Diesmal soll es in die Nähe von Sagan gehen, nach "Niederschlesien".
Auch wenn man die Gegend seit fast 70 Jahren Woiwodschaft Lebus nennt, die Vorkriegsberichterstatter
von der FAZ kümmert das nicht. Denn es geht in der angekündigten NATO-Übung
"Noble Jump" gen Osten, da kann man nicht so kleinlich sein.
Der
Kompaniefeldwebel der 2. Kompanie des Bataillons 371 war schon "überrascht
wie schnell sich das Verhältnis zu Russland abgekühlt" hat. Aber
jetzt muss er erstmal "zur Sicherung der NATO-Ostflanke" nach Polen.
Wenn der unbefangene Betrachter sich fragt, ob denn der Feind schon an der NATO-Ostflanke
steht, erteilt ihm Generalleutnant Bruno Kasdorf, Inspekteur des Heeres, eine
klare Antwort: "Die sicherheitspolitische Lage hat sich hingegen – sehr
schnell und nicht vorhersehbar – verändert." Aber ihm ist – trotzt
der Lage in der Ost-Ukraine – nicht bange: Die Truppe sei nun mal ein "Weltklasseheer“,
denn "im Einsatz hat sich das Heer herausragend bewährt – in allen
Einsatzgebieten vom Balkan bis nach Afghanistan – und zwar mit modernster Ausrüstung."
Offenkundig sieht die Heeresleitung eine schreckliche Feindlage. Denn die Hauptaufgabe
der Panzergrenadiere ist der Kampf gegen feindliche Infanterie und Panzerverbände
in offenem Gelände. Und da es sich rund um Sagan kaum um die polnische
Armee handeln wird, die man niederkämpfen muss, wird der Russe wohl durchgebrochen
sein: Erst im Gewaltmarsch durch die Ukraine, schließlich quer durch Polen,
dann ist es nur noch ein Sprung über die Grenze nach Cottbus. Dort wo
der Verfassungsauftrag zur Verteidigung des Landes eigentlich beendet wäre.
Manchmal
fragt man sich, ob die Bundeswehr-Generalität ihren Kopf nur zum Haareschneiden
benutzt, oder ob unter der Schirmmütze mit den gekreuzten Säbeln auch
noch Platz für eigenes Denken ist. Mal wieder ist die Bundeswehr im NATO-Auftrag
im Ausland. Zwar "nur" zur Übung, aber genau dieser Auftrag –
mit einer "Speerspitze" die russische Armee an der Flanke zu kitzeln
– erhöht die Spannungen in Ost-Europa:
Zur Zeit sollen insgesamt
15.000 Soldaten der NATO – von der Ostsee über das Baltikum bis nach Polen
– dem Russen mal zeigen, wie sich die USA einen Kampfeinsatz gegen Russland
vorstellen: Deutsche und andere Europäer sollen die Hauptlast tragen,
die Leitung allerdings liegt bei den US-Stäben. Man kann auch so lange
den Ernstfall üben, bis der im Grundgesetz definierte "Spannungsfall"
eingetreten ist: Jener Gleiwitz-Bedrohungs-Zustand, an dem mit willigen Medien
seit Monaten gearbeitet wird. Dass eine Parlamentsarmee, so definiert das Grundgesetz
die Bundeswehr, zu solchen Husaren-Ritten wie dem der "Marienberger Jäger"
eigentlich eine Debatte und eine Entscheidung des Bundestages benötigt,
weiß die Bundeswehr-Führung. Was sie nicht hindert, dem gefährlichen
NATO-Manöver bisher ohne Frage und ohne Widerstand zu folgen.
Anders
als die traditionell obrigkeitsgläubige Bundeswehr verlässt sich das
gemeine Volk offenkundig auf den eigenen Kopf: Das amerikanische Meinungsforschungsinstitut
"Pew Research Center" stellt in diesen Tagen fest, dass bei den Deutschen
die Zustimmung zur NATO deutlich nachlässt. Waren es im Jahr 2009 noch
73 Prozent der Befragten, die ein positives Bild von der NATO hatten, sind es
2015 nur noch 55 Prozent. In keinem anderen Nato-Land ist der Vertrauensverlust
so gravierend. Auch die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine schätzen die Deutsche
nüchtern ein: Nur ein Drittel würde dieser Bündnis-Erweiterung
zustimmen. Je weiter die Befragten von einem möglichen Krieg in Europa
entfernt sind, um so dümmer sind die Zustimmungsraten: Kanadier (65 Prozent)
und Amerikaner (62 Prozent) sähen die Ukraine ganz gern in der NATO.
Und
während die deutsche Regierung und ihre Bundeswehr das gefährliche
Spiel der USA ohne Widerspruch mitspielen, bleibt den Panzergrenadieren
nur der "Lauterbacher Tropfen", ein Magenbitter, der im erzgebirgischen
Lauterbach, einem Ortsteil von Marienberg, hergestellt und abgefüllt wird.
Das Gesöff, das in Sachsen auch "Waldbenzin“ genannt wird, kann so
zum Treibstoff einer Truppenbewegung werden, die als "Edler Sprung"
("Noble Jump") beginnt und als elender Sprung in der Schüssel
der US-Militärpolitik enden kann.