Verschleuderter Staatsbesitz

Seinerzeit als das Fernmeldewesen aufkam, war es klar, dass für den Ausbau eines österreichweiten Telegraphen- und Telefonnetzes der Staat zuständig sein sollte. Konkret wurde diese Aufgabe dem vorerst dem Handels- und später dem Verkehrsministerium zugeordneten, bis 1996 "Post- und Telegraphenverwaltung" genannten Staatsbetrieb zugewiesen.

Nach dem von Gorbatschow eingeleiteten Konkurs des "realen Sozialismus" wird in den westlichen Staaten sofort die "soziale Marktwirtschaft" abgeschafft, es gibt nur noch die unsoziale Geldwirtschaft. Die Privatisierungen von Staatsbetrieben wird eingeleitet.

Es stimmte zwar, dass im staatsbetrieblichen Bereich eine Menge Unzulänglichkeiten bestanden, aber deren Abbau wäre durchaus mit der Einführung von vernünftigen Kosten- und Nutzenrechnungen statt der alten kameralistischen Staatsbuchführung möglich gewesen. In diesem alten System konnte z.B. die Regierung ihre Budgetdefizite wegverlagern, die Post- und Telegraphenverwaltung hatte fast immer deutliche Überschüsse, aber man war inzwischen dazu übergegangen, dem Betrieb die ans Staatsbudget abzuführenden Beträge und die Aufbringung benötigter Investitionsmittel - etwa zum Ausbau des Fernmeldenetzes - per Schuldenbelastung vorzuschreiben, damit das Staatsdefizit niedriger ausschaute.

In Österreich war inzwischen die Sozialdemokratie vom Neoliberalismus aufgefressen worden, Kanzler Vranitzky und ganz besonders Kanzler Klima betätigten sich zunehmend so wie seinerzeit Frau Thatcher in Großbritannien: Alles privatisieren, weil der Börsenkurs steuert die Welt!

Und so begann man 1994 die Vorbereitung der Ausgliederung der Post- und Telegraphenverwaltung, ab 1.5.1996 wurde daraus die Post und Telekom Austria (PTA), ab Juni 1998 erfolgte die Trennung von der Post, die Telekom Austria AG wird ein eigener Betrieb. Der Betrieb war nun sehr gut für Privatinvestoren geeignet. Der Ausbau des Telefonfestnetzes war abgeschlossen, die Umstellung von analog auf digital ebenso: man kann den Personalstand deutlich reduzieren, Beamte werden frühpensioniert, die Käufer bekommen im November 2000 unter ÖVP-Kanzler Schüssel, der ein noch ärgerer neoliberaler Fanatiker als sein SPÖ-Vorgänger Klima ist, einen ertragreichen schlanken Betrieb um billiges Geld. Der Ausgabepreis der 128,8 Millionen Aktien liegt bei neun Euro, der Gesamterlös bei 1,159 Mrd. Euro. Der Aktienkurs steigt rasch an, nach einer Spitze von fast 22 Euro liegt der Preis heute wieder bei etwa sechs Euro. Denn das Festnetz verliert wegen des Mobilfunks Kunden und die geplatzte Spekulationsblase von 2008 führte den Kurs wieder nach unten.

Darum war es dann für einen der Branchenoligarchen nicht allzu schwer, die Mehrheit der Telekom-Aktien aufzukaufen, heute gehört die Telekom Austria faktisch dem mexikanischen Milliardär, dem reichsten Mann der Welt, Carlos Slim Helú (America Movil), hier ein ORF-Schaubild von der ZiB1 vom 24.7.2015:


In dieser Zeit-im-Bild-Sendung wurde über die Neubesetzung der Leitung der Telekom Austria berichtet, der Ton kann mitgehört werden:


(zum Abspielen der mp3 wird Quick-Time-Plug-In o.ä. benötigt, wenn ein solcher Plugin nicht installiert ist, dann ist hier oberhalb statt einer Abspielvorrichtung nur eine leere Zeile zu sehen - beim Browser "Google Chrome" kann der Ton automatisch starten) Für Pluginlose: Direktstart in neuem Fenster!

Über die ganzen Jahre hätte die Republik Österreich von einer reformierten, mit Kosten- und Nutzenrechnung geführten Telekom, 100 % der Nettoerträge kassieren können. So hat man verkauft und kann jetzt dabei zuschauen wie der reichste Mann der Welt noch reicher wird.

Das ist konkret die Globalisierung: alles für die Klasse der Ausbeuter, nichts für die Beschäftigten und für die Allgemeinheit. Wenn - wie im obigen Bericht zu hören ist - die Gewerkschaft nun überlegt, sich zu wehren, dann stellt sich eine Frage: warum hat man sich nicht rechtzeitig vor 15 Jahren gewehrt? Gab es einen Zusammenhang zum Umstand, dass gemäß Beförderungsrichtlinie für dienstfrei gestellte Personalvertreter (GZ 923.224/1-VII/2c/98) leitende Personalvertreter Bezüge in Ministerialratshöhe bekamen?