Über den Umgang mit der FPÖ & ihren Wählern

Viele wissen es genau wie man damit umgehen soll! Man muss es all diesen tatsächlichen und möglichen FPÖ-Wählern sagen: das geht nicht, die FPÖ wählt man nicht! Dann wissen es alle Leute und die FPÖ verliert Stimmen!

Aber das funktioniert offenbar nicht!
All diese Wählerbelehrungen bleiben ohne jeden Effekt!

Denn wenn man davon ausgeht, dass die Zunahme der FPÖ-Wähler hauptursächlich auf die politische Agitation der FPÖ zurückzuführen ist und nicht darauf, dass sich zunehmend mehr Wähler von ihren bisherigen Wahlparteien vernachlässigt sehen, das Gefühl haben, dass ihre Interessen, Ansichten, Wünsche, Ängste, Befürchtungen politisch kaum noch wahrgenommen oder als unangebracht abgelehnt werden, dann sind die anderen Parteien letztlich hilflos gegenüber den Abwanderungsströmen aus ihren Parteien. Die FPÖ braucht dann die Stimmen nur noch einzusammeln.

Anzunehmen, politische Entscheidungen wären rational und wohlüberlegt, sittlich und moralisch allseitig aus- und abgewogen, ist eine Narretei. Menschen richten sich nach ihren Hoffnungen und Befürchtungen, nach ihrem Streben und nach ihren Ängsten und nicht nach Plakataufschriften oder (un)moralischen Zurufen.

Die möglichen FPÖ-Wähler sozusagen politisch aufzuklären, geht einfach an der Lebenswirklichkeit völlig vorbei!

Der seinerzeit recht bekannte Liedermacher Dieter Süverkrüp hat sich in den frühen 1970er-Jahren über die damalige Agitation von Linksradikalen lustig gemacht, in seinem Song "Die Kunst, Andersmeinende für den Sozialismus zu gewinnen" heißt es über Agitation für einen Hüttenarbeiter, Gebot eins: "Ignorieren, was der Mann denkt, weil es ist sowieso falsch, hier setzen wir an mit Aufklärungsarbeit, damit er erfährt, was wirklich los ist, wie kann er das erfahren? Wir sagen es ihm einfach einmal".
Hier das Original:


Vielfach ist man immer noch auf diesem Level. Man versucht überhaupt nicht, dorthin zu gelangen, wo sich die Leute befinden, sondern sagt ihnen, wo sie zu sein hätten und wenn sie das nicht begreifen, dann sind sie eben verdammte Trotteln, mit denen man sowieso nicht reden kann!

Es ist zwar durchaus nachvollziehbar, dass sich z.B. ein gut situierter, gesellschaftlich wohlpositionierter Grüner Gedanken darüber macht, wie er sein Selbstbewusstsein und sein moralisch-sittliches Wohlbefinden noch steigern kann, indem er noch edler, noch hilfsbereiter und noch besser wird als es in der These von Goethe, "edel sei der Mensch, hilfreich und gut" vorgesehen ist. Er übersieht dabei aber, dass die meisten seiner Mitmenschen nicht in seiner schönen Position sind, sondern ihren Alltag als Opfer des neoliberalen Ausbeutungssystems verbringen und ihnen daher das Bedürfnis fehlt, edel, hilfreich und gut sein zu wollen, weil sie in ihrem Alltag erleben, dass zu ihnen überhaupt niemand mehr edel, hilfreich und gut ist.

Die Methode des Umgangs mit der FPÖ und ihrer Proteststimmenrolle müsste es daher sein, die möglichen FPÖ-Wähler ernstzunehmen, sich um ihre Anliegen, Probleme und Ängste zu kümmern, statt sie vielleicht noch niederzumachen, indem man etwa FPÖler als "Rattenfänger" benennt und etwaige FPÖ-Wähler damit zu Ratten macht.

Zurzeit ist die Lage so, dass sich die FPÖ nur noch selber schaden kann. Aber nützen tun ihr die anderen Parteien, indem sie das wirkliche Sein eines großen Teiles der Bevölkerung gar nicht mehr wahrnehmen und die objektiven und subjektiven Problemlagen entweder überhaupt ignorieren oder sie wegzureden versuchen. Die FPÖ braucht selber gar nimmer viel Wahlreklame zu machen, sie steht ja auf dem Stimmzettel und das genügt für zunehmend mehr Leute, die in ihrem Sein mit Umständen kämpfen, die außerhalb des Wahrnehmungsbereiches der Nichtprotestparteien liegen.

Aktuelle Nationalratswahlumfrage vom 21.8.2015:
FPÖ 29 %, SPÖ 24 %, ÖVP 23 %, Grüne 13 %, Neos 8 %.
Das wären auf Mandate hochgerechnet: FPÖ 55 (2013: 40), SPÖ 45 (52), ÖVP 44 (47), Grüne 24 (24), Neos 15 (9), Stronach 0 (11)
Am 22.8. veröffentlichte Umfrage zur heurigen Landtagswahl in OÖ:
ÖVP 38 %, FPÖ 26 %, SPÖ 20 %, Grüne 10 %, Neos 4%
Auf Mandate hochgerechnet: ÖVP 22 (2009: 28), FPÖ 15 (9), SPÖ 11 (14), Grüne 6 (5), Neos 2 (n.k.).

Man sieht an diesen Zahlen: bloß über die FPÖ und ihre Wähler zu schimpfen, hilft nichts, sondern schadet offensichtlich sogar. Wie man sich allerdings wirklich mit den wichtigen Problembereichen, die ständig die Proteststimmen vermehren, mit entsprechenden Erfolgsaussichten befassen sollte oder könnte, darüber wird gar nicht nachgedacht. Weil die Meinungen, die zu Proteststimmen für die FPÖ führen, sind ja - wie Süverkrüp schon gesungen hat - sowieso falsch. Die Straße für den weiteren Aufstieg der FPÖ wird also auch weiterhin gut gepflastert werden. Wer 2018 keinen Bundeskanzler Strache haben will, wird zu anderen politischen Strategien und Taktiken greifen müssen.

Darum nochmals die Parole dazu: Den Leuten in ihrem Dasein, in ihrer Welt begegnen und ihnen nicht bloß sagen, wo sie gefälligst sein sollten. Weil Letzteres ist nicht nur wirkungslos, sondern schadet, weil dies von den Betroffenen als herabsetzend empfunden wird und ihre Haltung nicht verändert, sondern bekräftigt!