Das Problem
Rund 25 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, knapp ein Drittel der Bevölkerung,
gehören keiner Konfession an. Die große Mehrheit von ihnen ist nicht
religiös. In den Großstädten - in den alten wie in den neuen
Bundesländern - ist ihr Anteil regelmäßig erheblich höher.
Doch wer nicht Mitglied in einer Kirche oder anderen traditionellen religiösen
Glaubensgemeinschaft ist, hat oftmals die schlechteren Karten: auf dem Arbeitsmarkt,
im Bildungssystem, in der Politik, in den Medien und in der öffentlichen
Wahrnehmung.
Dr. Thomas Heinrichs, Rechtsanwalt und Experte für Weltanschauungs-
und Religionsverfassungsrecht, nennt einen Grund, warum kirchenferne Menschen
in der Bundesrepublik bis heute Bürger zweiter Klasse sind. "Das Recht
der Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften in der BRD ist in seinen wesentlichen
Zügen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen worden. Zwar kennt
die Weimarer Reichsverfassung die formale Gleichstellung aller Religionen und
Weltanschauungsgemeinschaften, faktisch aber orientiert sich das Recht am Muster
der Kirche. Wer nicht als Kirche organisiert ist und wer nicht in der Rechtsform
der Körperschaft existiert, erscheint rechtlich und auch faktisch als Religion
bzw. Weltanschauung zweiter Klasse. Dies hat sich bis heute nicht geändert.
Noch immer ist in Recht und Politik die 'Kirche' die normsetzende Form von Religion
und Weltanschauung. Alle anders organisierten Religionen und Weltanschauungen
werden strukturell benachteiligt."
Um das Wissen über die vielfältigen und teils gravierenden Formen
der Diskriminierung nichtgläubiger Menschen zu verbessern, ist der Bericht
Gläserne Wände entstanden. Die von Michael Bauer und Arik Platzek verfasste kompakte Broschüre
beschreibt auf knapp 100 Seiten, in welchen Bereichen Bürgerinnen und Bürger
ohne religiöses Bekenntnis benachteiligt werden und verweist auf aktuelle
Konfliktfelder. Zusätzlich erläutert der Bericht politische und rechtliche
Hintergründe des Status quo und nennt Fallbeispiele. Ergänzt werden
die Darstellungen durch Vorschläge, wie die Politik Benachteiligungen abbauen
könnte.