Wie fegt das Fegefeuer?

Diese Frage beantwortete am 20.10.2015 Kaplan Tobias Schwaderlapp Stadtjugendpfarrer von Köln auf kath.net.

Er leitet seine Fegefeuersicht mit dieser Parole ein: Tränen der Reue sind keine Freudentränen, aber es sind gute Tränen, denn sie heilen auch.

Und dann folgt eine Beschreibung des katholischen Fegefeuers im 21. Jahrhundert:

Wer mal im Herbst eine kleine Wanderung durch den Wald gemacht hat, weiß, wie die Schuhe danach aussehen, nämlich voller Matsch und Dreck. Und wer noch ein bisschen bei Verstand ist, wird mit den verdreckten Schuhen nicht gleich ins Wohnzimmer stürmen und über den guten Perser laufen. Er wird sich zuerst die Schuhe ausziehen, um den Schmutz von draußen nicht in die Wohnung zu tragen.
Ersetzen wir jetzt den Weg durch den Herbstwald mit dem Weg durch unser Leben und die verschmutzten Schuhe durch unsere Seele, so können wir durchaus sagen: so ganz "clean" wird wohl keiner von uns durchs Leben gehen. Zu viele Fettnäpfchen lauern uns auf, zu oft achten wir nicht so richtig auf jeden unserer Schritte, zu oft müssen wir feststellen: "Mist, da bin ich wohl schon wieder durch die eine oder andere Pfütze gelaufen!" Im Klartext: wir Menschen machen Fehler, so ticken wir eben. Wir werden schuldig - und diese Schuld hinterlässt Spuren in uns, Wunden, die erst noch geheilt werden müssen, bevor wir den himmlischen Perserteppich betreten können. Diesen Heilungsprozess nennt die Kirche das Purgatorium, also den "Reinigungsort", das sogenannte Fegefeuer.
Dabei geht es nicht darum, dass der rachsüchtige Gott uns noch eins auswischen will, bevor er uns denn endlich in den Himmel lässt. Gott ist barmherzig und empfindet sicherlich keine Freude daran, uns zu quälen. Aber er ist eben auch der Gerechte. Und wenn wir unser Leben im Licht dieser Gerechtigkeit betrachten, dann stellen wir schlicht und einfach fest: so ohne weiteres passen wir nicht zusammen. Wir schauen auf die vielen Momente unseres Lebens, in denen wir ungerecht und egoistisch waren, und wenn wir ganz ehrlich sind, macht uns das traurig. Es schmerzt. Eine Erfahrung, die die meisten sicherlich kennen. Tränen der Reue sind keine Freudentränen, aber es sind gute Tränen, denn sie heilen auch.
Die Reue ist, schon rein moralisch gesehen, eine Form der Selbstheilung der Seele, ja der einzige Weg zur Wiedergewinnung ihrer verlorenen Kräfte. Und religiös ist sie noch weit mehr: der natürliche Akt, den Gott der Seele verlieh, um zu Ihm zurückzukehren, wenn sich die Seele von Ihm entfernte (Max Scheler, Vom Ewigen im Menschen 33).
Himmel und Hölle sind Ausdruck von Gottes großer Liebe und seinem ebenso großen Respekt vor unserer Freiheit. Das Fegefeuer ist Ausdruck seiner Gerechtigkeit: in rückhaltloser Ehrlichkeit blicken wir auf unser Leben und bereuen den vielen Unsinn, den wir da gemacht haben. Je mehr wir "verbockt" haben, desto schmerzlicher wird dieser Blick sein.
Als Petrus Jesus verraten hatte, wandte sich der Herr um und blickte Petrus an: "Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich" (Lk 22,62) - ein Gefühl wie im Fegefeuer. Und so ein Fegefeuer erwartet vermutlich die meisten im Moment unseres Todes: Der Herr blickt uns voll Liebe an - und wir empfinden brennende Scham und schmerzliche Reue über unser böses oder auch "nur" liebloses Verhalten. Erst nach diesem reinigendem Schmerz werden wir fähig sein, seinem liebenden Blick in ungetrübter himmlischer Freude zu begegnen (Youcat 159).

Soweit Kaplan Tobias Schwaderlapp. Da ist unsereiner ganz überrascht, dass auf der sonst sehr traditionell ausgerichteten Site kath.net plötzlich die zweitschlimmste katholische Variante für die göttlichen Strafen an Verstorbenen so pflegeleicht präsentiert wird.

Das "Fegefeuer" kommt in der Bibel nirgendwo vor. Ursprünglich gab's nur die Varianten Himmel und Hölle, die von Gott beim "Jüngsten Gericht" verfügt wurden, also ewige Seligkeit oder ewige Verdammung in Form einer unendlichen Folterstrafe. Die Verstorbenen konnten in den ersten christlichen Jahrhunderten in einer Art folterfreier Zwischenwelt bis zum Jüngsten Gericht warten, der Weltuntergang wurde ja in naher Zukunft erwartet. Der kam aber nicht und darum verordnete im 6. Jahrhundert Papst Gregor I. das Fegefeuer als neue Zwischenvariante, er schrieb: "Man muss glauben, dass es vor dem Gericht für gewisse leichte Sünden noch ein Reinigungsfeuer gibt, weil die ewige Wahrheit sagt, dass, wenn jemand wider den Heiligen Geist lästert, ihm weder in dieser noch in der zukünftigen Welt‘ vergeben wird (Mt 12,32 EU). Aus diesem Ausspruch geht hervor, dass einige Sünden in dieser, andere in jener Welt nachgelassen werden können."

Aus dieser Spitzfindigkeit wurde das Fegefeuer aufgebaut. Und es war klarerweise wirklich als Feuer gemeint, das aus den Seelen der Verstorbenen das Sündige hinausbrennt. Das wurde noch bis nach dem 2. Vatikanum z.B. im Religionsunterricht so gelehrt und in den Kirchen betet man heute noch für die "Armen Seelen" im Fegefeuer. Im mittelalterlichen Ablasshandel hatte die katholische Kirche großartige Geldgeschäfte gemacht, indem sowohl die Möglichkeit angeboten wurde, sich selber schon vor dem Tode von Sündenstrafen freizukaufen, als auch den Verstorbenen Folterzeit im Fegefeuer wegzukaufen.

Das furchtbar grausame Fegefeuer wurde in den Kirchen ausgiebig dargestellt:






Um damit entsprechende Geschäfte zu machen, wurde den Menschen auch Entsetzliches gepredigt, hier als Beispiel dazu die Beschreibung des Fegefeuers durch den berüchtigten katholischen Prediger Abraham a Santa Clara (1644-1709):


Im heutigen kath. Katechismus steht unter Punkt 210:
"Was ist das Purgatorium (Fegefeuer)? Das Purgatorium ist der Zustand jener, die in der Freundschaft Gottes sterben, ihres ewigen Heils sicher sind, aber noch der Läuterung bedürfen, um in die himmlische Seligkeit eintreten zu können."
Und im Punkt 211: "Wie können wir den Seelen im Purgatorium helfen? Kraft der Gemeinschaft der Heiligen können die Gläubigen, die noch auf Erden pilgern, den Seelen im Purgatorium helfen, indem sie Fürbitten und besonders das eucharistische Opfer, aber auch Almosen, Ablässe und Bußwerke für sie darbringen."
Laut Kathpedia ist das Fegefeuer der "Ausschluss von der seligen Gottesschau", also so eine Art befristete Einschränkung des ewigen himmlichen Vergnügens.

Von der früher so popularisierten befristeten Folter im Fegefeuer steht im Katechismus nichts mehr, in meiner Schulzeit wurden z.B. für versäumte Sonntagsmessen noch ausgiebige Fegefeuer-Feuerstrafen verkündet. Gemäß Katechismus und gemäß Kaplan Schwaderlapp brauchen jedoch sonntagsmessenferne Katholiken nur noch aus reuevoller Einsicht heiße Reuetränen weinen und schon geht's weiter in die ewige Seligkeit! Und das steht sogar auf kath.net, wo sonst der Vormodernismus vorherrscht und man vielleicht eher erwartet, dass dort der Abraham a Santa Clara um die nächste Ecke biegt.

Die Hauptursache für die Festsetzung des katholischen Glauben in vielen Köpfen war durch die Jahrhunderte die Gottesfurcht: ein rabiater Katholikengott, der alle großen Sünder und alle Leute mit falschem oder gar ohne Glauben auf ewig zum Heulen und Zähneknirschen ins Höllenfeuer schmiss, sicherte zumindest im Wege der Pascalsche Wette einen Minimalglauben.

Reuetränen im Fegefeuer und die ohnehin nimmer verkündete ewige Verdammnis ruinieren die Gottesfurcht und auch darum kann auch der katholische Gott, also die katholische Kirche immer mehr vielleicht noch ein bisschen Restgläubige sozusagen am Arsch lecken. Over and out!